500 Hektar ökologisch

500 HEKTAR ÖKOLOGISCH

Wolfram Wiggert bewirtschaftet ca. 500 Hektar Land in Löffingen im Schwarzwald ökologisch. Zu seinem Hof, dem Haslachhof, gehören Mutterkuhhaltung, Marktfruchtanbau sowie erneuerbare Energieerzeugung. Seine Biogasanlage liefert flexibel Strom und Wärme, die vollständig ins städtische Nahwärmenetz gehen. Zudem betreibt er einen Hofladen und einen CO₂-Zertifikate-Handel über Humusaufbau.

Herr Wiggert, Sie betreiben neben Ihrem Kerngeschäft auch einen Hofladen und eine Biogasanlage, erzeugen auf Ihren Dächern klimafreundlichen Solarstrom und vermarkten Humus-Zertifikate. Hat der Erfolg Ihres ökologischen Landwirtschaftsbetriebes auch damit zu tun, dass Sie diverse Standbeine haben?

Wir haben uns bei der Auswahl unserer Standbeine bzw. Betriebszweige an unserem natürlichen Standort orientiert: Nachhaltiger Ackerbau mit Humusaufbau geht eigentlich nur mit mehrjährigem Klee-Luzerne-Gras in der Fruchtfolge (30 %). Dieses Klee-Gras wird dann in unserer Biogasanlage verwertet. Am Ende entsteht dabei der organische Dünger für den gesamten Betrieb. Das Heu unserer Naturschutzflächen und extensiven Wiesen verfüttern wir an unsere Hinterwälder-Mutterkuhherde. Der Rindermist wird ebenfalls in der Biogasanlage vergärt. Unser Betrieb hat somit eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, die zudem noch CO₂-neutral ist. Ein Betriebszweig ergänzt den anderen.

In Zusammenhang mit dem sich wandelnden Klima kommt der Speicherung von CO₂ im Boden eine immer größere Bedeutung zu. Können Sie uns Ihre Methode zur Speicherung von CO₂ im Boden vorstellen?

Das ist relativ einfach erklärt: Wir erhöhen die Humusgehalte im Boden. Humus besteht zu 57% aus Kohlenstoff. Dieser wird hauptsächlich über die Photosynthese von Pflanzen im Boden gespeichert. Die Voraussetzung dafür ist aber auch ein vielfältiges Bodenleben. Maßnahmen, um diesen Aufbau zu unterstützen, sind:

  • Vielfältige Fruchtfolge (bei uns acht Jahre Rotationszeit)
  • Mehrjähriger Klee-Luzerne-Gras Anbau mit Blühpflanzen und Kräutern (25 Arten)
  • Mischkulturen wie Hafer mit Leindotter
  • Organische Düngung statt synthetischer Düngemittel (der CO₂-Fussabdruck ist auch viel niedriger)
  • Keine synthetischen Pflanzenschutzmittel

CO₂-Zertifikate kennt man bisher vor allem aus dem EU-Emissionshandel. Wie funktionieren Humus-Zertifikate?

Mithilfe von sehr vielen per GPS eingemessenen Bodenproben wird der Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden ermittelt. Nach 3-5 Jahren wird an den gleichen Stellen wieder eine Bodenprobe gezogen und mit der Ursprungsprobe verglichen. Somit kann die gespeicherte Menge CO₂ einfach errechnet werden. Der aufgebaute Humus muss für mindestens fünf Jahre gehalten und nachgewiesen werden. Die Beprobung und Erstellung der Zertifikate nach internationalem Standard übernimmt für uns der Dienstleister CarboCert.

Als Ökolandwirt setzen Sie weder Pflanzenschutzmittel noch Kunstdünger ein. Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang eine nachhaltige Fruchtfolge bzw. wie ist es möglich, dennoch eine gute Ernte zu erzielen?

Für uns sind zwei Faktoren wichtig. Vor allem brauchen wir einen gesunden Boden. Dies erreichen wir mit einer vielfältigen Fruchtfolge mit Leguminosen wie z.B. Klee. Nur wenn die Symbiose zwischen Pflanzen und Bodenleben stimmt, ist der Boden auch ertragsfähig. Unsere Flächen düngen wir mit unserem organischen Dünger extensiv, d.h. auf einen Hektar kommen maximal ca. 60 kg schnell verfügbarer Stickstoff. Dies entspricht ungefähr der Hälfte einer konventionellen Düngung. Trotzdem erreichen wir Getreideerträge, die bis zu 50 Prozent über dem Durchschnitt des ökologischen Landbaus liegen. Und dies wohlbemerkt auf einem Grenzertragsstandort im Hochschwarzwald (850m ü.N.N.).

Wie sieht eine nachhaltige Fruchtfolge genau aus und was hat biologische Vielfalt mit Bodengesundheit zu tun?

Je mehr verschiedene Kulturen man anbaut und je größer der zeitliche Abstand zwischen den gleichen Kulturpflanzen ist, desto besser. Natürlich gibt es hier auch praktische Grenzen. Eine effektive Arbeitswirtschaft wird mit mehr als acht verschiedenen Kulturen immer schwieriger. Weiterhin sollte zwischen Winter- und Sommerkulturen abgewechselt werden. Der wichtigste Baustein ist meiner Meinung nach mehrjähriges Ackerfutter (Klee-Luzerne-Gras), welches auch Unkräuter und Ungräser reduziert. Um die Vielfalt des Bodenlebens unter der Erdoberfläche zu gewährleisten, ist eine Vielfalt auf dem Acker oder der Wiese notwendig. Im Boden leben mehr Arten als darüber! Diese können in ihrem komplexen Zusammenspiel untereinander nur funktionieren, wenn die dafür notwendigen Pflanzen vorhanden sind, die mit ihren Wurzeln eine Symbiose mit dem Bodenleben eingehen. Funktioniert dieses Zusammenspiel, dann wird Humus aufgebaut. Humusreiche Böden sind:

  • nährstoffreicher
  • ertragsreicher
  • erosionsstabiler
  • biodiverser
  • gesünder (Lebensmittel)
  • in der Lage, dauerhaft CO₂ zu binden

Kreislaufdenken ist eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Welche Rolle kann Biogas im Gesamtkonzept eines Öko-Hofes spielen?

Eine Biogasanlage ist eine Möglichkeit, Pflanzen, Reststoffe oder Wirtschaftsdünger in Strom und Wärme bzw. Gas umzuwandeln. Regenerative Energiequellen können Wertschöpfung für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum bedeuten. Darüber hinaus sind fast alle Nährstoffe, die in den Inputstoffen stecken, noch im Gärrest vorhanden. Der Gärrest ist also hofeigner, organischer Dünger für einen produktiveren Pflanzenanbau. Dieser hat auch eine viel bessere CO₂-Bilanz als synthetischer Dünger. Biogas bedeutet auch nicht zwangsläufig Maisanbau und Monokultur. Eine Biogasanlage kann auch Wildpflanzenmischungen, welche für die Natur sehr hochwertig sind, vergären. Verfüttern kann man diese nicht. Biogas bietet für den Ökobetrieb viele Vorteile.

Der Technologie Biogas wird häufig nachgesagt, sie sei nicht nachhaltig aufgrund von Mais-Monokulturen und Flächenverbrauch. Wie passt das mit ökologischer Landwirtschaft zusammen?

In unserem Betrieb bauen wir Mais nach einer Roggen-/Erbsen-/Rüben-Winterzwischenfrucht an und zwar nur alle acht Jahre. Damit ist dieses Fruchtfolgeglied Winterzwischenfrucht-Mais eher eine Ergänzung und trägt zu Vielfalt innerhalb der Fruchtfolge bei. Des Weiteren experimentieren wir beim Mais mit Mischungspartner wie Stangenbohnen oder blühenden Untersaaten. Also eben keine Monokultur.

Ein Standbein Ihres Hofes ist die Viehwirtschaft. Sie haben 100 Hinterwälder-Rinder, davon sind 40 Mutterkühe. Warum haben Sie sich für diese Rasse entschieden und welche Vorteile bringt die Mutterkuhhaltung?

Die Hinterwälder stammen aus dem Südschwarzwald und sind die kleinste Rinderrasse Mitteleuropas. Sie sind sehr genügsam, was die Fütterung anbelangt. Und genau deshalb haben wir uns für diese Rasse entschieden. Etwa die Hälfte unseres Grünlands sind eher extensive Wiesen, die nur ein- oder zweimal pro Jahr gemäht werden. Auf diesen artenreichen Wiesen machen wir ab Mitte Juni bis Anfang Juli den ersten Heuschnitt. Dadurch erhalten wir die Vielfalt und Biodiversität auf diesen Flächen. Etwa die Hälfte dieses extensiven Grünlands liegt in Naturschutz- oder FFH-Gebieten, wo eine Düngung kaum oder nicht möglich ist. Dieser Aufwuchs hat einen minderwertigen Futterwert. Für die Hinterwälder ist er jedoch völlig ausreichend. Somit trägt die Mutterkuhhaltung zum Erhalt dieser artenreichen Wiesen bei. Der zweite Aufwuchs wird in der Biogasanlage verwertet. Der Rindermist unterstützt den Vergärungsprozess in der Biogasanlage. Somit trägt die Mutterkuhhaltung als standortangepasster Betriebszweig zur Kreislaufwirtschaft des Öko-Betriebes bei.

Welchen Beitrag kann eine artgerechte Tierhaltung und Fütterung zum Klimaschutz leisten?

Wir füttern unsere Mutterkühe, sowie die Färsen und Bullen ausschließlich mit Heu bzw. Gras. Somit besteht keine Nutzungskonkurrenz zur Erzeugung von Lebensmitteln. Die Funktion der Kohlenstoffsenkung durch Grünland bleibt erhalten. Der Mist wird klimafreundlich in der Biogasanlage vergärt, somit fallen diese Emissionen ebenfalls weg.

Der Erfolg Ihres ökologischen Landwirtschaftsbetriebes hat auch damit zu tun, dass Sie diverse Standbeine haben. Kann man sagen, dass sich daraus vielleicht ein Patentrezept für zukünftige, nachhaltige und gut gelingende Wirtschaftsweise in ländlichen Betrieben ableiten lässt?

Unsere Standbeine Getreideproduktion, Energieproduktion und Mutterkuhhaltung sind auf den vorhanden natürlichen Standort angepasst und ausgerichtet. Unsere Flächen liegen in einem Radius von 4 km um den Haslachhof. Entscheidend ist aber, dass die einzelnen Standbeine als Zahnräder ineinandergreifen und das einen Vorteil für den anderen generiert. Diese Kreislaufwirtschaft mit dem Nutzen der natürlichen, erneuerbaren Ressourcen wird zukünftig auch die ökonomischste Art von Landwirtschaft sein. Spätestens dann, wenn wir dem Verbrauch unserer endlichen Ressourcen oder der Umweltbelastung (wie z.B. CO₂) einen Preis geben.

Foto: Timo Jaworr