Elektromobilität kommt langsam in Deutschland an
Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung sieht in Elektroautos die Zukunft, wie das aktuelle Automobilbarometer zeigt. Doch ganz überzeugt sind die Konsumenten noch nicht. Lange Ladezeiten, fehlende Ladeinfrastruktur und hohe Kosten sehen viele Befragte noch als Hindernis. Dies könnte sich aber bald ändern, spätestens 2019 hat nun auch die deutsche Automobilindustrie den Sprung ins nicht mehr ganz so kalte Wasser gewagt.
Am 27. März hat das EU-Parlament nun zusammen mit den EU-Ministern die bereits informell vereinbarten Vorschriften zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen von Pkw und Transportern bis 2030 angenommen. „Bis 2030 sollen die flottenweiten Emissionen von Neuwagen um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 sinken, die Kommission hatte ursprünglich eine Reduktion von 30 Prozent vorgeschlagen“, so das EU-Parlament. Der Verkehr ist die Achillesferse der Energiewende. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen steigen – trotz der Zunahme von Autos mit alternativen Antrieben bei den Pkw-Neuzulassungen. 4.637 Elektro-Pkw wurden im Februar neu zugelassen. Das entspricht einem Plus von 1,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Bei den Hybriden stieg die Zahl der Neuzulassungen um 5,6 Prozent, so die aktuellen Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes. Ein Blick auf diese Zahlen zeigt, wie groß die Lücke ist, die die Biokraftstoffe derzeit füllen, um mehr Erneuerbare Energien in den Verkehrssektor zu bringen.
In der aktuellen Studie von Consors Finanz zeigt sich, warum die Konsumenten sich mit dem Kauf von Elektroautos derzeit noch zurückhalten. „Gerade mal 30 Prozent der Deutschen wollen sich in den nächsten fünf Jahren ein Elektroauto kaufen“, schreibt das Wirtschaftsmagazin bizz energy. „Die Kaufzurückhaltung der Deutschen erstaunt umso mehr, als sie mit der E-Mobilität eine ganze Reihe positiver Eigenschaften verbinden: Für 78 Prozent verkörpern E-Autos die Zukunft.“ International sind es sogar 84 Prozent der Befragten. 92 Prozent der deutschen Bevölkerung würden mit ihnen ein angenehmes und flexibles Fahrgefühl assoziieren. Zwei Drittel hielten die Elektromobile für günstig im Unterhalt. Die Kunst liege künftig darin, „auch die misstrauischsten Autofahrer“ von den Vorteilen der E-Mobilität zu überzeugen, zitiert das Magazin Gerd Hornbergs, Vorstand von Consors Finanz. Und das sei nicht nur Sache der Hersteller, sondern ebenso der Händler: Sie müssten positive konsistente Kundenerfahrung schaffen, mit mehr Infos und Erlebniswelten rund ums E-Auto, im Autohaus, im Internet und in den sozialen Medien.
Die Kritikpunkte, die derzeitig von den Befragten an Elektroautos angeführt werden, sind seit Jahren stabil. Neben begrenzter Reichweite, langen Ladezeiten, werden weiterhin auch die hohen Anschaffungskosten und die Ökobilanz der Batterien genannt. Genau in diesen Punkten könnte sich für die Autofahrer aber in den kommenden drei Jahren schon einiges ändern. Mindestens 15 neue Elektroautos werden beispielsweise in diesem Jahr in den Markt eingeführt, so der ADAC. Wichtigster Akteur ist dabei VW. Die Marke, die noch immer, zumindest in den Medien, vor allem mit dem Abgasskandal zu kämpfen hat, hat mit seiner I.D.-Reihe nun offiziell den Startschuss für eine Elektrooffensive in Deutschland eingeläutet. Mit etwas unter 30.000 Euro ist der VW I.D. Neo nun in der Preisklasse des Golf Diesel angekommen und damit deutlich unter der BMW i-Reihe. Mit Modellen wie dem Microlino und dem e.Go life kommen 2019 zudem Elektroautos auf den Markt, die unter der 20.000-Euro-Marke liegen.
„Die Transformation der Automobilbranche werde offensiv angegangen“, zitiert die Deutsche Welle den Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes. „In die E-Mobilität sollten mehr als 40 Milliarden Euro fließen, weitere 18 Milliarden Euro seien für Digitalisierung sowie vernetztes und autonomes Fahren vorgesehen.“ Dies konnte man auch beim diesjährigen Genfer Autosalon sehen. Waren die Elektroautos vergangener Messen noch ferne Visionen oder elitäre Luxusmodelle für die besorgte Elite, kämen die Genfer Showcars in wenigen Monaten auf den Markt, schreibt RP Online. „Und nicht nur das: Sie richten sich mit moderateren Preisen dabei an eine breitere Masse.“
Auch in Sachen Ladeinfrastruktur ist einiges in Bewegung geraten. „In Hamburg gibt es 785 öffentliche Ladestationen für Elektroautos“, so die Hamburger Morgenpost. Das sei mehr als in allen anderen deutschen Städten. In Berlin gäbe es immerhin 743 Ladesäulen, in München 392 und in Stuttgart 382, schreibt die Zeitung mit Verweis auf den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Bundesweit gibt es mittlerweile 13.500 öffentliche und 6700 teils öffentliche Ladepunkte, das sind 25 Prozent mehr als noch im letzten Jahr.“ In Berlin kümmert sich ein Start-up deshalb nun um die Laternen der Stadt. „Unser Mobile-Charging-System ermöglicht das Laden im Prinzip überall dort, wo Strom verfügbar ist“, zitiert der Tagesspiegel Ubitricity-Geschäftsführer Pawlitschek. In London hätten sie bereits hunderte Ladepunkte geschaffen, in Berlin sollen es im Rahmen des Projektes „Neue Berliner Luft“ bis zu 1.600 Ladepunkten – vor allem an Laternen – werden. Der Vorteil: Bei Laternen seien nicht unbedingt Erdarbeiten notwendig und es fallen kaum laufende Kosten an. Fürs Abrechnen habe das Berliner Start-up einen mobilen Stromzähler entwickelt, der entweder in das Ladekabel oder direkt in das Fahrzeug eingebaut werde, so der Tagesspiegel. Der Nutzer müsse lediglich noch einen Mobilstromvertrag mit seinem Anbieter abschließen.
Die Entwicklungen der letzten Monate zeigen, dass in Sachen Elektromobilität einiges ins Rollen gekommen ist. Entwicklungen, die die Kritikpunkte der Autofahrer verringern und das Potenzial haben, die Beliebtheit der Elektroautos zu steigern. Um den Verkehr zu dekarbonisieren, ist dies zwingend, aber eben auch nur ein wichtiger Baustein von mehreren. Bis die Elektroautos ihren Durchbruch erfahren haben und auch noch darüber hinaus werden weiter vor allem Biokraftstoffe dazu beitragen, die Emissionen im Verkehrsbereich zu senken.
Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.
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