"Unsere Erfahrung reduziert das Risiko und erhöht die Chancen"
Herr Nowak: Im thüringischen Mohlis hat die juwi-Gruppe jüngst ihr 1.000stes Windrad gebaut. Wie aufwendig war denn der Kauf der Anlage?
Beim Kauf der insgesamt vier Anlagen für den Windpark Mohlis konnten wir sehr gut auf unsere jahrelangen Erfahrungen beim Einkauf von Windturbinen zurückgreifen. Insbesondere mit etablierten Herstellern wie Vestas, General Electric oder auch Enercon haben wir über die Jahre hinweg sehr gute und klare Rahmenbedingungen vereinbart, auf die wir dann im jeweils konkreten Fall aufbauen und projektspezifische Anforderungen ergänzend regeln können. In Mohlis war es daher eher die Logistik, die herausfordernd war.
Inwiefern? Und was hat das mit dem Einkauf zu tun?
Aufgrund der relativ komplexen Zuwegungssituation mussten beispielsweise die Rotorblätter mit einem sogenannten Selbstfahrer einzeln über mehrere Kilometer bis zum Kranstellplatz gefahren werden. Dafür ist eine aufwendige Transport- und Logistikplanung notwendig – verbunden mit der Frage: Wer zahlt was, wenn was nicht passt? Mehraufwand, Verzögerungen etc. Das alles sollte idealerweise im Kaufvertrag geregelt werden. Deshalb haben heutige Kaufverträge auch einen Umfang von über 40 Seiten, zuzüglich mehrerer Anhänge zu Garantiefragen und Spezifikationen der Anlagenkomponenten, etc. Es sollte möglichst alles so detailliert geregelt und beschrieben sein, dass jeder am Projekt Beteiligte den Kaufvertrag auch lesen und damit arbeiten kann.
Gibt es denn wirklich so viel zu regeln?
Ja, in der Tat. Deshalb ist der Kaufvertrag heute auch viel umfangreicher als vor 20 Jahren. Sicher gab es auch früher schon deutlich mehr Papier als nur die berühmt berüchtigten „Bierdeckelvereinbarungen“ zwischen den Chefs der Projektentwickler und der Anlagenhersteller. Doch viele Themen gab es Mitte und Ende der Neunzigerjahre noch gar nicht. Bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung ist zum Beispiel etwas, mit dem wir uns in der Einkaufsabteilung derzeit intensiv beschäftigen müssen. Früher hatten die Anlagen in der Regel gar keine Nachtkennzeichnung oder vielleicht mal eine rote Lampe auf dem Gondeldeckel, wenn erforderlich. Heute kommen dazu dann noch zahlreiche weitere Anforderungen aus den Auflagen der Bau- und Betriebsgenehmigung, die wir zwingend einhalten müssen. Alle damit verbundenen Risiken verarbeiten wir natürlich in den Kaufverträgen.
Welche Anforderungen wären das?
Zum einen Dinge, die es in ähnlicher Form auch früher schon gab: der Einbau von Abschalteinrichtungen bei Schattenwurf oder Eisansatz sowie Software-Algorithmen bei Fledermausvorkommen oder für den schalloptimierten Betrieb. Aber heute kommen eben immer weitere Anforderungen dazu, zum Beispiel der Umgang mit den Betriebsdaten zur Bestimmung des tatsächlichen Ertrags und der damit ggf. verbundenen Korrektur der Vergütungshöhe im Referenzertragsmodell des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Es gibt mittlerweile einfach eine Reihe technischer Details, die geklärt sein müssen. Und das gilt im Übrigen nicht nur für die Turbine selbst, sondern auch für das Fundament, die Zuwegung, den Netzanschluss und ggf. das Umspannwerk.
Sehen Sie denn bei den Herstellern eine große Bereitschaft, alles im Sinne des Käufers zu regeln?
Grundsätzlich ja, denn Klarheit in einer Vereinbarung ist ja für beide Seiten in der Regel von Vorteil. Beide Seiten haben über die Jahre mit jedem Kaufvertrag dazugelernt, außerdem pflegen wir langfristige Partnerschaften mit den von uns ausgewählten Herstellern. Wir planen das sehr strategisch, konzentrieren uns auf einige Hersteller und können so auch frühzeitig im Wettbewerb von technischen Weiterentwicklungen profitieren. Das kommt am Ende des Tages auch dem Investor, der die Anlagen ja später möglichst sorgenfrei betreiben will, zu Gute. Unsere Erfahrung führt in diesem Punkt zu einer Risikominimierung, denn wir haben einfach schon vieles durchdacht und entsprechend auch in den Verträgen abgebildet.
Ist der deutsche Markt noch immer der Technologietreiber?
Nur noch eingeschränkt. Es gab sicher Zeiten, da haben die Hersteller nahezu alles für ihre Kunden in Deutschland getan – einfach, weil der deutsche Markt der mit Abstand größte Markt der Welt war. Insbesondere für windschwächere Standorte wurden Anlagen mit großen Rotordurchmesser und hohen Nabenhöhen entwickelt. Heute spielt die Musik weltweit woanders, vor allem außerhalb Europas, zum Beispiel in den USA. Das mag vielleicht nur temporär so sein, aber da verschiebt sich dann natürlich auch die Aufmerksamkeit des Verkäufers ein wenig.
Hinzu kommt, dass die Anlagenplattformen heute auch keine speziellen Entwicklungen für den deutschen Markt mehr sind. Die Hersteller haben in den letzten Jahren ihre Plattformen für den Einsatz in den verschiedensten Märkten optimiert, sodass es zu einer Konkurrenz zwischen den Weltmärkten bei der Allokation von Anlagen kommen kann. Doch wir sind dank der jahrelangen Geschäftsbeziehungen immer noch in der Lage, auch für Projekte in Deutschland gute Konditionen im Hinblick auf Preis und Lieferbedingungen zu erzielen.
Maximilian Nowak, Jahrgang 1978, Dipl.-Ing. Raum- und Umweltplanung,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Universität Kaiserslautern; seit 2008 bei juwi, unter anderem als Projektleiter Windenergie; Regionalleiter Bayern/Baden-Württemberg; Bereichsleiter Bayern/Sachsen/Thüringen; Bereichsleiter Corporate Supply Chain
Anlagendimensionen gestern und heute
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1999 |
2019 |
Faktor |
Typische Anlagenleistung |
1,0 Megawatt |
4,0 Megawatt |
4 |
Typische Nabenhöhe |
80 Meter |
160 Meter |
2 |
Typischer Rotordurchmesser |
50 Meter |
150 Meter |
3 |
Typischer Ertrag |
2 Mio. kWh |
12 Mio. kWh |
6
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