Sachsen: Wo Zukunftsmobilität und Realität aufeinanderprallen

Diesen Sonntag finden in Sachsen die Landtagswahlen statt. Auch das Thema Klima spielt eine Rolle, doch eher um sich von anderen Parteien zu distanzieren. Dabei könnte Sachsen beispielsweise in Sachen Mobilität zu einem Dreh- und Angelpunkt in der deutschen Verkehrswende werden. Die regionale Wirtschaft hat aber die Zeichen der Zeit erkannt.

„In der lebendigen Natur geschieht nichts, was nicht in der Verbindung mit dem Ganzen steht“, selten erlebten diese Worte Goethes so viel Aktualität wie dieser Tage. Der sonst in Europa kaum beachtete Amazonas steht dieser Tage im Fokus. Er steht symbolisch und real für den Klimawandel. Doch wir müssen nicht weit gehen, um diese Dialektik auch vor der eigenen Haustür zu finden, schließlich spielt sie sich auf Bundesebene wie auch auf Landesebene in ähnlicher Weise ab. Das zeigt sich derzeit sehr schön an Sachsen. Das Bundesland wählt an diesem Sonntag und alle schauen auf den Ausgang der Wahl. Sie schauen vor allem aus Angst vor einem Erstarken der AfD, aber auch um zu schauen, ob sich die Talfahrt der SPD fortsetzt und den Grünen vielleicht eine erneute Überraschung gelingt.

Wirtschaftlich ist das Bundesland gut aufgestellt. Maschinen- und Anlagenbau, Mikroelektronik sowie Umwelt- und Energietechnik sind die wichtigsten Branchen. Seit jeher spielt aber vor allem die Autoindustrie eine bedeutende Rolle. Im Mai 1904 gründete August Horch die Firma A. Horch & Cie. Motorenwagen-Werke Aktiengesellschaft in Zwickau. Mittlerweile finden sich Volkswagen, BMW, Porsche sowie rund 780 Zuliefererfirmen in Sachsen. Etwa 95.000 Beschäftigte arbeiten in der Branche. Die Automobilunternehmen setzen hier vor allem auf die Weiterentwicklung der Elektromobilität. In Leipzig findet man beispielsweise das Elektromobilitäts-Kompetenzzentrum von BMW und zwei der größten Leichtbau-Forschungszentren Europas haben ihren Sitz in Sachsen.

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V.l.n.r: Franziska Müller-Langer (DBFZ), Stephan Kühn (Die Grünen), Claus Sauter (Verbio) und Elmar Baumann (VDB) bei dem Pressegespräch der AEE in Dresden. Foto: AEE

„Sachsen hat die Chance, sich zur Spitzenregion für Elektromobilität in Europa zu entwickeln“, sagte Stephan Kühn (Mitglied des fraktionsübergreifenden Arbeitskreises Elektromobilität, Bündnis 90/Die Grünen) bei dem Pressegespräch „Verkehrswende in Sachsen: Auf den Weg in eine klimafreundliche Zukunft oder Sackgasse?“, Anfang August in Dresden. Aber anders als viele andere Bundesländer habe Sachsen keine eigene Förderstrategie. „13 von 16 Bundesländern haben Förderprogramme für Elektromobilität, Sachsen hat eine halbe Million Euro im Landeshaushalt nächstes Jahr eingestellt, es gibt Zuschuss über die SAB in Höhe von 400 Euro, wenn Sie sich eine private Ladeinfrastruktur aufbauen.“ Doch Elektroautos allein reichen nicht für eine Verkehrswende. In Sachsen dominiert noch immer der Kohlestrom im Netz. Ohne erneuerbaren Strom im Auto ist die Verkehrswende nicht umsetzbar. Umso wichtiger ist es, dass die Politik nicht die Technologie, sondern lediglich die Ziele vorgibt, sagte Claus Sauter, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Verbio, einem Hersteller und Anbieter von Biokraftstoffen.

So sieht es auch Kühn: „Wir werden in Zukunft alles brauchen, Elektromobilität und Biokraftstoffe, damit die Verkehrswende gelingt.“ Eine eigene Landesagentur für neue Mobilität könnte Akteur*innen, Kommunen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen beraten und unterstützen und so das komplexe Feld der Verkehrswende vorantreiben. Sachsen könnte in Sachen Verkehrswende tatsächlich zu einer Vorreiterregion in Deutschland und Europa werden: mit Elektromobilität und Biokraftstoffen. Beide seien natürliche Partner, so Elmar Baumann, Geschäftsführer vom Verband Deutscher Biokraftstoffindustrie (VDB), bei dem Pressegespräch in Dresden.

Aber auch auf Bundesebene müsste hier derselbe Weg eingeschlagen werden. „Schon 2010 war klar, dass man, um die Klimaschutzziele vor 2020 zu erreichen, mehr Biokraftstoffe bräuchte.“ 2019 gab es im Vergleich zu 2010 12 Prozent mehr PKW, 30 Prozent mehr LKW und acht Prozent mehr Emissionen, so Franziska Müller-Langer (Leiterin des Forschungsschwerpunkts „Biobasierte Produkte und Kraftstoffe“ im Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ)). „Wir brauchen bis 2030 eine Emissionsminderung von 80 Millionen Tonnen.“

„Wir hatten im Jahr 2006 einen 15-prozentigen Anteil am Bio-Diesel“, erläutert Sauter. „Derzeit liegt der Anteil jedoch nur mehr bei sieben Prozent.“ Die Vorgehensweise beschreibt Baumann klar und deutlich: „Wir sollten jetzt zwar die Voraussetzungen schaffen, dass Power-to-Gas und Power-to-Liquid nach 2030 wirklich Fahrt aufnehmen. Darüber hinaus sollten wir aber auch das, was heute schon verfügbar ist, nämlich Biokraftstoffmengen, verstärkt einsetzen, etwa durch eine Nachsteuerung der Treibhausgasquote.“ Das könne man innerhalb wenigen Jahrestranchen erreichen. Dass dies notwendig ist, um die landeseigenen Klimaschutzziele überhaupt ansatzweise erreichen zu können, zeigten zuletzt auch die „Untersuchungen zur Ausgestaltung der Biokraftstoffgesetzgebung in Deutschland – Arbeitspapier“, des DBFZ in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ.

„Werden nur die Mindestanforderungen der RED II erfüllt, was einer THG-Quote von lediglich 5,3 % entspräche (weniger als bereits für 2020 f. mit 6 % festgelegt), so wird das deutsche Klimaschutzziel ohne weitere Maßnahmen deutlich verfehlt. Für die Erreichung des Klimaschutzziels bedarf es unter den untersuchten Bedingungen nicht nur einer deutlichen Reduzierung des Endenergieverbrauchs im Verkehr, sondern auch einer sehr hohen THG-Quote von ca. 32,5 %. Die Erfüllung dieser Quote erfordert einen hohen Anteil Erneuerbarer von ca. 40% im Verkehr, der nur unter Nutzung nahezu aller betrachteten Kraftstoffoptionen erzielt werden kann. Auch ist der Aufbau von Produktionsanlagen fortschrittlicher (Bio)Kraftstoffe inkl. BTL/PTL spätestens ab 2021 notwendig.“

Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.

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