Verantwortung im Wandel: Wie ein Landwirt die Energiezukunft gestaltet
Heinrich Gärtner, Mitgründer von GP Joule, hat schon früh erkannt, wie sehr sich Landwirtschaft und Klimaschutz ergänzen können. Im Gespräch erzählt er, warum Extremwetter ihn dazu bewegte, seinen Hof in einen „Energiehof“ zu verwandeln, wie er Bürger*innen für die Energiewende begeistert und welche politischen Veränderungen er sich für eine nachhaltige Zukunft wünscht. Ein inspirierender Einblick in die Verknüpfung von Tradition und Innovation.
Herr Gärtner, Sie sind Landwirt im bayerischen Buttenwiesen, wo Sie auf Ihrem Maierhof schon sehr früh auf Erneuerbare Energien gesetzt haben. Was hat Sie damals bewegt, etwas anderes zu machen als die Generationen vor Ihnen?
Heinrich Gärtner: Im Jahr 2002 habe ich nach meinem Agraringenieur-Studium die heimische Landwirtschaft in vierter Generation übernommen. Das war eines der nassesten Jahre, 2003 folgte eines der trockensten. Diese Extremereignisse haben mich animiert, mir noch einmal genau anzusehen, ob bei diesen klimatischen Veränderungen die Landwirtschaft meine Familie noch tragen kann. Mir wurde klar, dass wir etwas ändern müssen. Landwirtinnen und Landwirte arbeiten mit den Flächen und haben daher die besten Voraussetzungen, um mitzuhelfen, die Energieversorgung auf erneuerbar umzustellen. Mein Entschluss stand damit fest: Der Maierhof soll nach und nach zu einem Energiehof werden.
Welchen Stellenwert haben die Erneuerbaren Energien heute für Sie?
Die Erneuerbaren Energien sind die Basis unseres künftigen Energiesystems. Sie machen eine bezahlbare, sichere und unabhängige Energieversorgung möglich. Wir sind derzeit mitten in der Umstellungsphase und es gibt noch einiges zu tun. Aber wir sind auf einem guten Weg. Die Technik ist entwickelt und erprobt, sie muss nur noch an den richtigen Stellen eingesetzt werden, nämlich vor Ort. Das hält die Transportwege kurz, die Kosten niedrig und die Wertschöpfung in der Region.
Bereits 2009 gründeten Sie mit Ove Petersen das Unternehmen GP Joule. Es gibt keine Form der nachhaltigen Energiegewinnung, die Ihr Unternehmen nicht anbietet, hinzu kommen diverse Dienstleistungen rund um die Erneuerbaren. Wieso dieser umfassende Ansatz?
Das erneuerbare Energiesystem funktioniert besonders gut über die Verbindung der Sektoren. Während im traditionellen System die einzelnen Energiebereiche für sich stehen, können die Erneuerbaren ihre Vorteile voll ausspielen, wenn sie zusammenwirken. Erzeugung, Speicherung und Verbrauch müssen Hand in Hand gehen. GP Joule steht als Energieversorger 4.0 für die gesamte Energie-Wertschöpfungskette. Mit unseren Projekten haben wir früh gezeigt, dass die Transformation über die Sektorkopplung funktioniert und vor allem, dass wir den Menschen so lokal produzierte günstige Energie zur Verfügung stellen können. Dieser Mehrwert ist entscheidend für die Akzeptanz der Erneuerbaren.
Welche Rolle spielt die lokale Gemeinschaft bei Ihren Projekten?
Die Menschen mitzunehmen, ist ein äußerst wichtiger Aspekt, den wir von Anfang an in den Mittelpunkt unseres Handelns gestellt haben. Unsere Mission ist es, die Energiewende gemeinsam mit den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern umzusetzen und sie direkt davon profitieren zu lassen. Das geht am besten durch günstige Energie, also niedrige und langfristig stabile Wärmepreise sowie einen Strompreis, der Unternehmen konkurrenzfähig bleiben lässt.
Gibt es ein Land oder eine Region, in der Sie besonders gerne ein Projekt umsetzen würden?
Ein großes Windprojekt in Bayern wäre schön, da in Bayern mit seinem schon guten Anteil an Solarstrom die zusätzliche Windenergie ganz besonders wertvoll ist. Sie kommt genau dann, wenn Solarstrom eher weniger zur Verfügung steht.
Was war das ehrgeizigste Ziel, das Sie sich jemals gesetzt haben, und haben Sie es erreicht?
Engagierte Erzgegner zu Befürwortern eines Erneuerbaren-Energien-Projektes zu machen. Das ist gelungen, dadurch dass wir Betroffene zu Beteiligten machen konnten, die Vorteile aus dem Projekt ziehen.
Wie haben Ihre landwirtschaftlichen Wurzeln Ihre Herangehensweise an Erneuerbare Energien beeinflusst?
Landwirtinnen und Landwirte sind das Fundament der Versorgung unserer Gesellschaft, sie nehmen einen wesentlichen Teil des Versorgungsauftrages wahr. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft auf eine intakte Natur und ein verträgliches, stabiles Klima angewiesen. Die Landwirtschaft hat zum einen die Schlüssel in der Hand, um eine langfristig nachhaltige Versorgung zu ermöglichen, gleichzeitig kann sie mit ungeeignetem Handeln große Schäden durch Ausstoß von Treibhausgasen oder Reduktion von Biodiversität anrichten. Deswegen tragen wir Landwirte eine große Verantwortung - gegenüber uns, wie auch für künftige Generationen. Unser Tun funktioniert nur, wenn es mit vernünftigen Vorgaben in das Gesamtsystem integriert ist. Zu diesem Gesamtsystem gehört auch die Energieerzeugung, denn der Hunger nach Energie ist weltweit beinahe so groß wie der nach Nahrung.
Die Politik spricht von einer notwendigen Transformation der Landwirtschaft. Welche politischen Konzepte diesbezüglich sind Ihrer Meinung nach tatsächlich umsetzbar?
In Bezug auf die Klimapolitik gilt es, noch mehr in Richtung CO2-Einsparung zu gehen. Zum Beispiel sind die Moorschutzprogramme, wie sie einige Bundesländer vorantreiben, sehr wichtig, denn unsere Moore sind Klima-, Hochwasser- und Artenschutz zugleich. Sie sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher aller Landlebensräume. Ähnliches gilt für die Holzwirtschaft. Auch hier ist das Potenzial zur Einsparung von CO2 riesig. Hier müssen die Anreize so gesetzt werden, dass das Binden von CO2 in Form von Bauholz oder Biokohle sich besser rechnet, als CO2 weiter in die Atmosphäre zu bringen.
Und wo geht die Realität an der Politik vorbei?
Den besten Zugang zur Politik haben oftmals die alten, etablierten Unternehmen. Die vertreten dabei meist die Ideen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben, jedoch ganz oft uns nicht unbedingt in die Zukunft bringen können. Genau deshalb ist es für die Politik auch schwer, mit schnellen Entwicklungen und Veränderungen Schritt zu halten - sie hört ja andauernd die Geschichten der Vergangenheit! Deshalb denken heute noch einige, es wäre gut, Zeit und Geld für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren aufzuwenden, während Tesla und chinesische Autohersteller den Automarkt mit Elektroautos in Windeseile besetzen und damit unsere Hersteller in die Bedeutungslosigkeit schicken. In der Energiewelt ist es ebenso. Wir erleben einen Systemwechsel, der nicht aufzuhalten ist. Man kann ihn aber mitgestalten. Dazu will ich auffordern und Beispiele geben.
Gibt es etwas, das Sie sich konkret mit Blick auf eine potenziell neue Regierung wünschen würden?
Gerade in Anbetracht der außenpolitischen Lage ist es wichtig, dass Deutschland jetzt weiterhin Verantwortung übernimmt und auf dem eingeschlagenen Weg bleibt. Die Bürgerinnen und Bürger, vor allem aber unsere Unternehmen in Deutschland, brauchen Sicherheit und Verlässlichkeit. Stabilität, langfristige Planbarkeit - da Planung lange dauert - und dauernder Wechsel macht Projekte teurer oder verhindert sie. Wenn wir jetzt konsequent auf die Erneuerbaren setzen, haben unsere Unternehmen die Chance, sich stark für die Zukunft aufzustellen und dank günstiger Energiepreise konkurrenzfähig zu bleiben.
Politisch umgehend, also noch vor der Neuwahl Anfang nächsten Jahres, priorisiert werden muss die ausreichende Sicherung der Förderprogramme, insbesondere des BEG und des BEW im Bereich der Wärmenetze und die Förderung von grünen Wasserstoffprojekten durch das KsNI (Bundesamt für Logistik und Mobilität). Und in der Bundesverwaltung ist drängender Bedarf, Zertifizierungssysteme für grünen Wasserstoff einzurichten.
Pressekontakt:
Agentur für Erneuerbare Energien e. V.
Anika Schwalbe
Tel: 030 200535 52
a.schwalbe@unendlich-viel-energie.de
X: @RenewsTweet
Social Media