"Pumpspeicherkraftwerke haben ein enormes Potenzial als wichtige Säule in der Energiewende."
Frau Gellert, Sie verantworten seit Jahren die politische Kommunikation bei Statkraft. Statkraft ist der größte Erzeuger Erneuerbarer Energien in Europa. Vor Ihrem Wechsel waren Sie hauptberuflich in zwei Verbänden tätig. Was reizt Sie an Ihrer jetzigen Position?
Mich fasziniert das Unternehmen Statkraft einerseits als Traditionsunternehmen mit einer 125-jährigen Geschichte in der Entwicklung erneuerbarer Energien. Andererseits ist Statkraft hoch innovativ und unter anderem in den Geschäftsbereichen Wasserstoff und Elektromobilitäts-Lösungen aktiv. Es ist spannend, Teil dieser dynamischen Entwicklung in einem so international ausgerichteten Unternehmen zu sein. Wir sind in 19 Ländern vertreten und es ist sehr interessant, die Entwicklung der Energiesysteme im grenzübergreifenden Zusammenhang zu betrachten. Oft gibt es vergleichbare Themen mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Märkten und viele Möglichkeiten, voneinander zu lernen. Dann wiederum bin ich auf Bundesebene und auch auf sehr lokaler Ebene mit energiepolitischen Fragestellungen der Bundesländer beschäftigt – als Unternehmensvertreterin, aber auch in meiner Funktion für den LEE. Diese Abwechslung macht meine Arbeit immer wieder spannend.
Sie sind, wie Sie gerade auch sagten, stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW). Was können sich andere Bundesländer von NRW abschauen?
Nordrhein-Westfalen steht als Industrie- und Energieland vor ganz besonderen Herausforderungen beim Umbau der Energieversorgung. Die Landesregierung befindet sich im kontinuierlichen Dialog mit den Marktteilnehmern und verschiedenen Interessengruppen und bezieht diese in ihre strategischen Überlegungen mit ein. Die vielfältigen Anregungen und Wünsche werden gehört. Auch wenn nicht immer allen Forderungen nachgekommen wird, ist dieser Prozess wirklich zu begrüßen.
Wo gibt es noch Handlungsbedarf?
Ganz klar beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Auf Länderebene in NRW sollte beispielsweise die Nutzung der Windenergie im Forst aktiv unterstützt werden. Gleiches gilt beim Thema Photovoltaik. Auch hier könnte deutlich mehr Potenzial ausgeschöpft werden. Dass die Bedingungen für den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien verbessert werden müssen, ist natürlich keine reine NRW-Thematik, sondern gilt für alle Bundesländer. Mit dem Entwurf zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dennoch mahnt die aktuelle politische Situation dazu, schnellstmöglich weitere Verbesserungen für den Ausbau der Erneuerbaren auf den Weg zu bringen.
Sind die Ziele der neuen Bundesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien ambitioniert genug? Welche Rahmenbedingungen sollte die Politik setzen?
Wir sehen deutlich, dass die Bundesregierung hier mehr Tempo machen möchte. Höhere Ausschreibungsvolumen und die Öffnung der Flächen für Onshore-Wind- und Solar-Anlagen sind auf jeden Fall ein Fortschritt. Hier muss jedoch sichergestellt werden, dass die Bundesländer mitziehen. Aber auch bei weiteren Themen muss zeitnah gehandelt werden. Das betrifft die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für erneuerbare Anlagen, die Vereinfachung von Repowering-Vorhaben, die Schaffung eines bundeseinheitlichen Arten- und Naturschutzes oder auch die Anpassung des Erbschaftssteuerrechts. Gerade letzteres erleben wir in der Praxis als großes Hindernis beim Ausbau von PV-Freiflächenanlagen.
Vor vier Jahren fürchteten Sie, dass die Pumpspeicherkraftwerke zu den größten Verlierern der Energiewende werden könnten, hat sich daran etwas geändert?
Die Rahmenbedingungen haben sich nicht wesentlich verbessert. Dabei haben Pumpspeicherkraftwerke ein enormes Potenzial als wichtige Säule in der Energiewende. Dank ihrer Flexibilität leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Integration der erneuerbaren Energien in das Stromsystem und sind im Schwarzfall in der Lage, das Netz wieder aufzurichten. Auf absehbare Zeit bleiben Pumpspeicherkraftwerke zudem die einzige praxistaugliche Möglichkeit, große Energiemengen zu speichern. Dennoch spielen sie in den Plänen der Regierung kaum eine Rolle.
Mehr noch: Die Politik stuft Pumpspeicherkraftwerke nicht als Speicher, sondern als Erzeuger und Letztverbraucher ein. Deshalb müssen im Grundsatz alle Abgaben, Umlagen, Steuern und Netzentgelte für Letztverbraucher entrichtet werden. Ihre Wirtschaftlichkeit und damit der nachhaltige Weiterbetrieb werden dadurch ernsthaft infrage gestellt. Zwar existieren Entlastungen, diese sind jedoch unvollständig, zeitlich begrenzt und zudem mit erheblichen Einschränkungen im Betrieb verbunden. Das Thema ist seit Jahren auf der politischen Agenda. Und als Statkraft bleiben wir hier bei unseren Forderungen: Pumpspeicherkraftwerke sollten als Stromspeicher betrachtet und als Baustein für eine erfolgreiche Energiewende wirtschaftlich genutzt werden.
Sie sind bereits seit vielen Jahren in der EE-Branche tätig. Gibt es für Sie in Ihrem Arbeitsalltag noch Herausforderungen?
Absolut! Auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene werden zu jedem Zeitpunkt diverse regulatorische Änderungen diskutiert. Da gilt es, viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Aktuell ergeben sich aus der Ukraine-Krise viele neue Fragen zur Energieversorgung in Deutschland. Eine grundsätzliche Herausforderung liegt darin, dass man manchmal einen sehr langen Atem braucht, wenn man etwas in der Energiepolitik bewirken möchte. Nicht immer finden die für die Branche richtigen und wichtigen Positionen im ersten Anlauf ausreichend Berücksichtigung. Man darf nicht müde werden, bei jeder Novelle für diese erneut zu werben.
Was motiviert Sie?
Als Vertreterin des Landesverbandes Erneuerbare Energien in NRW und als Mitarbeiterin eines Unternehmens, das erneuerbare Energien entwickelt und Grünstromlösungen für Gewerbe- und Industriekunden ermöglicht, kann ich meinen Teil dazu beitragen, die dringend erforderliche Energiewende voranzutreiben. Denn erneuerbare Energien sind nicht Teil der Lösung, sie sind die Lösung, um den weltweiten Energiebedarf klimaneutral zu decken.
Das Interview führte Lisa Hottes
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