Nachhaltigkeit im Mobilfunk
Der Mobilfunk in Deutschland verursacht ungefähr so viele Emissionen wie der gesamte innerdeutsche Flugverkehr. Im Interview erklärt Alma Spribille, Geschäftsführerin von WEtell, was ihr Unternehmen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit anders macht und wie alternativer Mobilfunk funktionieren kann.
Frau Spribille, bei einem Ihrer Auftritte als Speakerin sprechen Sie vom Unternehmertum als ultimativer Form des Aktivismus. Sehen Sie sich mit Blick auf Ihre bisherige berufliche Erfahrung als Wissenschaftlerin, Aktivistin, Unternehmerin oder Kapitalistin?
Ich würde sagen, ich trage alles in mir. Allen voran die Aktivistin. Schon als Kind wusste ich, dass ich alles dafür tun will, um unseren wunderschönen Planeten zu bewahren. Als Wissenschaftlerin bin ich dann der Frage nachgegangen, wie ich dies tun kann. Und als Unternehmerin habe ich einen Weg für mich gefunden, dies auch noch mit größtmöglicher Wirkung zu tun. Die Kapitalistin ist wohl der geringste Teil in mir. Ich bin nicht getrieben vom Streben nach immer mehr Wachstum und Profit. Aber der Kapitalismus ist nun mal das wirtschaftliche System, in dem auch ich mich bewege. Und den ich mit meinem Unternehmen verändern möchte.
Darüber hinaus sind Sie auch Vorstandsmitglied im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft und Mitglied des Mittelstandsbeirat des BMWK – welchen Stellenwert haben diese Mitgliedschaften gegenüber Ihrer Rolle als Geschäftsführerin des Mobilfunkanbieters WEtell?
Für mich ergeben sich aus diesen Rollen vor allem Synergien. Sowohl im BNW als auch im Mittelstandsbeirat agiere ich in meiner Rolle als Geschäftsführerin von WEtell. Meinen beiden Co-Geschäftsführenden und mir ist es extrem wichtig, dass wir uns mit WEtell über unser Kerngeschäft hinaus engagieren. Dazu gehört auch der „Lobbyismus in gut“, wie wir es nennen, also: Verbands-, Netzwerk- und politische Arbeit, um Klimaschutz und Gemeinwohl aus der Wirtschaft heraus voranzutreiben.
WEtell ist ein Mobilfunkunternehmen. Wieso ist Klimaschutz hier relevant?
Vielen ist gar nicht klar, wie viele Emissionen der Mobilfunk verursacht – in Deutschland ungefähr so viel wie der gesamte innerdeutsche Flugverkehr. Durch die Digitalisierung nimmt der mobile Datenverkehr rasant zu. Nicht nur für die persönliche Handynutzung, auch smarte Lösungen, in denen Maschinen miteinander kommunizieren, funktionieren zunehmend über Mobilfunk. Hier liegt ein großer Hebel, um die Digitalisierung klimafreundlich zu gestalten.
WEtell wirbt damit, 100 Prozent klimaneutral zu wirtschaften. Wie erreichen Sie diese Klimaneutralität?
Zuallererst vermeiden wir das Entstehen von Emissionen, wo immer wir können, und setzen in unserem Arbeitsalltag auf nachhaltige Alternativen: Büro im Co-Working-Space, Bezug von Ökostrom, Dienstreisen per Bahn, gebrauchte Computer usw.
Da wir im Mobilfunk bisher keinen Einfluss auf die Netzinfrastruktur haben, sind wir auf Kompensation angewiesen. Wir errechnen sorgfältig die Emissionen, die durch die Mobilfunknutzung unserer Kund*innen entstehen (inklusive Scope 3), und gleichen diese mit Hilfe unseres Partner carbonfuture vollständig durch Pflanzenkohle-Projekte aus. In diesen Projekten wird innerhalb Europas aus Forstreststoffen Pflanzenkohle gewonnen. Dabei wird der in den Pflanzen enthaltene Kohlenstoff (das C aus CO2), welches beim Verrotten in die Atmosphäre gelangen würde, dauerhaft gebunden. Hier gleichen wir also unmittelbar aus. Die Kohle eignet sich zudem hervorragend als Düngezusatz und sorgt damit für bessere Bodenqualität und mehr Biodiversität.
Wie verhindern Sie, dass Ihre Maßnahmen eben kein „Greenwashing“ sind?
Zum einen sind wir innerhalb unseres Arbeitsalltags sehr konsequent und geben transparent Auskunft darüber, was wir alles tun und wo wir noch Verbesserungsbedarf haben. In unserem rund 100 Seiten starken Gemeinwohl-Bericht kann sich jede*r detailliert informieren.
Zudem ist uns bewusst, dass CO2-Kompensation eine durchaus umstrittene Methode ist, da hier viel unsaubere Geschichten laufen. Daher haben wir uns hier vorab sehr ausführlich damit beschäftigt, auf welche Weise wir wirklich sinnvoll ausgleichen können, sprich: Welche Methode unmittelbar und möglichst regional CO2 in der Atmosphäre reduziert und nicht zu Doppelanrechnungen führt. Zugleich ist dies für uns keine ausreichende Lösung, daher investieren wir zusätzlich noch in den Ausbau erneuerbarer Energien, so dass wir de facto sogar regenerativ wirtschaften.
Welche Rolle spielen erneuerbare Energien in Ihrer Gesamtstrategie?
Für uns ist der Ausbau und die Nutzung Erneuerbarer Energien der Schlüssel für den Klimaschutz. Deswegen investieren wir in diesem Bereich und haben bereits 2020 gemeinsam mit Ecosia 570kW Solaranlagen gebaut. Gerade investieren wir in weitere Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Alle Gewinne aus diesen Investitionen werden ausschließlich dazu genutzt, mehr Erneuerbare Energien Anlagen zu bauen, so dass sich unser Impact mit der Zeit potenziert.
Laut eigener Aussage ist WEtell ein „Purpose Unternehmen“. Was ist das und wie funktioniert das?
Wir sind ein Purpose-Unternehmen, da sich WEtell mit Unterstützung der Purpose-Stiftung in Verantwortungseigentum befindet. Das bedeutet, dass sämtliche Gewinne zurück in das Unternehmen fließen und sich niemand privat daran bereichern kann. Auch kann WEtell weder verkauft, noch verschenkt oder vererbt werden und ist so davor geschützt, zum Spekulationsobjekt zu werden. Gleichzeitig dürfen Entscheidungen über das Unternehmen nur noch von Menschen getroffen werden, die bei WEtell arbeiten. So sind wir auch vom Einfluss von Externen wie bspw. Investor*innen geschützt. Die Purpose-Stiftung sorgt dafür, dass wir diesen Prinzipien treu bleiben. Und das für immer, denn es lässt sich nicht rückgängig machen. Auf diese Weise schützen wir unser Unternehmen und sichern unser wertebasiertes Arbeiten langfristig.
Ihr habt Euch von der GWÖ (Gemeinwohl Ökonomie) bewerten lassen: Menschenwürde – Solidarität und Gerechtigkeit – Ökologische Nachhaltigkeit – Transparenz und Mitentscheidung. Wie hängen z. B. ökologische Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zusammen?
Tatsächlich hängen all diese Aspekte miteinander zusammen. Ökologische Nachhaltigkeit kann nicht funktionieren, solange sie ein Luxus ist, an dem nicht alle teilhaben können. Daher braucht es soziale Gerechtigkeit, um nachhaltige Produkte und Dienstleistungen für alle Menschen erschwinglich zu machen. Wir haben dafür bspw. den „FAIRstärker“ ins Leben gerufen: Kund*innen können freiwillig monatlich etwas mehr bezahlen, damit andere Menschen ihren Mobilfunktarif günstiger erhalten. Und das funktioniert richtig gut! Außerdem macht das Klima nicht an Landesgrenzen halt: Solange wir Menschen in anderen Ländern ausbeuten, können wir nicht für globalen Klimaschutz sorgen.
Was hat ein Mobilfunkanbieter mit Menschenwürde zu tun?
Menschenwürde im Mobilfunk hat für uns zwei Aspekte: Einmal in unserer Rolle als Arbeitgeberin und einmal als Dienstleister.
Neben all den nachhaltigen Zielen ist es meinen Mitgründern und mir extrem wichtig, Menschen einen Arbeitsplatz zu bieten, in dem sie sich in all ihrer Diversität wohlfühlen und entfalten können. Daher setzen wir intern auf Vertrauen und Transparenz statt auf Kontrolle und Hierarchie.
Auch unseren Kund*innen gegenüber ist uns ein fairer, transparenter Umgang auf Augenhöhe wichtig. Die Mobilfunkbranche genießt in Sachen Service und Fairness ja eher einen sehr zweifelhaften Ruf. Bei uns wird niemand in eine Vertragsfalle gelockt, unser Service ist wirklich für die Menschen da und nimmt sich Zeit für die individuellen Anliegen. Und wir lassen Kund*innen nicht auf veralteten Tarifkonditionen sitzen, sondern geben Verbesserungen aktiv in den Bestand weiter.
Welche langfristigen Ziele haben Sie mit WEtell im Hinblick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit?
Zum einen möchten wir fleißig wachsen und damit den Mobilfunk nachhaltiger machen. Zugleich möchten wir als Beispielunternehmen auch andere Mobilfunkanbieter dazu ermutigen, konsequent nachhaltig zu arbeiten und damit die gesamte Branche verbessern. Sollten wir irgendwann insolvent gehen, weil die großen Mobilfunkanbieter genauso konsequent und engagiert das Klima schützen wie wir, haben wir unser Ziel erreicht.
Zudem überlegen wir bereits, in weitere Bereiche der digitalen Kommunikation einzusteigen, um auch dort die Nachhaltigkeit voranzutreiben. Im Bereich Festnetz / DSL gibt es bspw. noch keine wirklich nachhaltige Alternative und wir werden oft gefragt, ob wir nicht auch dort etwas anbieten können.
Pressekontakt:
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.
Anika Schwalbe
Pressesprecherin
Tel: 030 200535 52
Mail: a.schwalbe@unendlich-viel-energie.de
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