Energiewende im Verkehr: EU-Parlament setzt Autoindustrie unter Druck
Lange haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat über die Anhebung der CO₂-Grenzwerte debattiert. Während das Parlament sich für eine straffere Reduktion einsetzte, wollte der Ministerrat diese geringer ausfallen lassen. Nun muss die Automobilbranche schneller als gewollt umsatteln. Doch Elektromobilität und Hybrid-Technologie werden nicht reichen. Biokraftstoffe können beim Wandel helfen.
Die Einigung über schärfere CO2-Ziele sind mit Blick auf die Erkenntnisse zum Klimawandel notwendig, wirtschaftlich aber für die Autobranche ein herber Rückschlag. Das EU-Parlament forderte eine Reduzierung der Emissionen um 40 Prozent, die EU-Länder traten im Europäischen Rat mit 35 Prozent in den Verhandlungen auf. Damit sind die nun beschlossenen minus 37,5 Prozent im Zeitraum von 2021 bis 2030 ein eindeutiger Erfolg für das Parlament.„Während Spanien und Frankreich die Forderung des EU-Parlaments stützten, traten Deutschland und mehrere osteuropäische Länder auf die Bremse“, aus Angst um Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, so die Deutsche Welle.
Entsprechend kritisch fiel auch die Reaktion von Seitender deutschen Automobilindustrie aus. „Diese Regulierung fordert zu viel und fördert zu wenig“, erklärte Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Niemand wisse heute, wie die beschlossenen Grenzwerte in der vorgegebenen Zeit erreicht werden können. „In keinem anderen Teil der Welt gibt es vergleichbar scharfe CO2-Ziele. Damit wird die europäische Automobilindustrie im internationalen Wettbewerb stark belastet“, so Mattes. Ähnlich skeptisch bewertet auch der Automobil-Experte Stefan Bratzel die Entscheidung. „Es ist schon aus meiner Sicht eine herkulische Aufgabe für die Autoindustrie, diese Reduktion zu erreichen“, sagte er im Deutschlandfunk. Er sei sich nicht „so richtig sicher, ob man die Konsequenzen, die das hat, wirklich im Blick hatte in der EU und gegebenenfalls auch in Deutschland“.
Um die Vorgaben zu erfüllen, bräuchten die Hersteller einen gewissen Elektroauto-Anteil in den Flotten, warnte Elmar Degenhart, Chef des Autozulieferers Continental im Handelsblatt. Dem stünden aber die technologischen Möglichkeiten entgegen. „Diese erlauben es der Automobilindustrie auf absehbare Zeit noch nicht, Elektromobilität millionenfach zu attraktiven Preisen auf die Straße zu bringen“, so Degenhart: „Ohne erschwingliche Lösungen fehlen aber die Käufer. Die erhofften Umweltschutzwirkungen bleiben unerfüllt.“ Die Gefahr sei virulent, dass eine der wichtigsten Branchen in Deutschland unter die Räder kommt, kommentiert Jens Koenen im Handelsblatt die Ereignisse. „Doch zur Wahrheit gehört auch: Die strengen Vorgaben und der kurze Zeitrahmen, um diese zu erfüllen, sind ohne Alternative.“ Die Zeit für Klagen sei abgelaufen, es sei die Zeit des Handelns.
Welche Schwierigkeiten die europäische Automobilindustrie bei der Einhaltung der Ziele haben wird, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung PA Consulting. „Unserer neuesten Analyse zufolge haben einige Autohersteller die richtige Strategie eingeschlagen und werden ihre Ziele leicht erreichen“, heißt es in der Studie. Aber andere seien zu spät aufgewacht und werden zu kämpfen haben. „Zwar haben viele dieser Spätaufsteher zumindest Pläne für Modelle mit niedrigeren Emissionswerten, aber es wird sehr schwer für sie, ihre Pläne schnell genug umzusetzen“, um eine wirkliche Verbesserung zu erreichen. „Denn schon das für 2021 festgelegte Ziel, von dem aus dann noch einmal 37,5 Prozent heruntergerechnet werden müssen, wird wahrscheinlich von acht der 13 europäischen Autokonzerne gerissen“, berichtet die Welt. Darunter befinden sich der Studie zufolge auch BMW, Daimler und VW, die ihre Werte zwar verbessert und näher an ihre Zielvorgaben gelangt seien, aber diese aktuellen Schätzungen zufolge dennoch nicht bis 2021 erreichen werden.VW beispielsweise müsse schon mächtig strecken, um die EU-Ziele zu erreichen und Milliardenstrafen abzuwenden, berichtet das Handelsblatt. „Im Jahr 2017 lag der Flottenschnitt immer noch bei 122 Gramm CO2 – und damit deutlich über dem Ziel von 97,7 Gramm, die VW bis 2021 erfüllen muss. Im vergangenen Jahr stieg der Ausstoß sogar wieder an.“ So müsste VW nach Schätzungen der Unternehmensberater von PA Consulting schon ab 2019 400.000 Elektroautos in Europa verkaufen.
Dass es überhaupt eine Einigung auf neue CO2-Grenzwerte gegeben habe, sei überraschend gewesen. „Zu verdanken ist das dem Willen der österreichischen Ratspräsidentschaft, die unbedingt vor Ende ihrer Amtszeit noch ein Ergebnis aushandeln wollte“, so die Deutsche Welle. Die deutsche Regierung ist mit dem Ergebnis zumindest nicht zufrieden: „Um unsere Klimaziele zu erreichen, brauchen wir den schrittweisen Wandel hin zu einer emissionsfreien Mobilität. Der Kompromiss zu den CO2-Grenzwerten geht dabei an die Grenze dessen, was technisch und wirtschaftlich möglich ist“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier dem Handelsblatt. Daher sei es gut, dass Plug-in-Hybride als wichtige Brückentechnologie zur rein batterie-elektrischen Mobilität über eine Bonusregelung gestärkt werden.
„Biokraftstoffe der zweiten Generation können eine wichtige Rolle bei der Verringerung des CO2-Ausstosses im Bereich Verkehr spielen, bestätigte das Parlament. Bis 2030 müssen mindestens 14 % des Kraftstoffs für Verkehrszwecke aus erneuerbaren Quellen stammen“, so top agrar online. Allerdings hatte die EU hier zuletzt selbst Einschränkungen beim Einsatz von Bioenergie vorangetrieben. So dürfen die EU-Staaten ab 2030 nur noch Biokraftstoffe der zweiten Generation bei der CO2-Minderung anrechnen: Also nicht aus Feldfrüchten, sondern aus der vollständigen Pflanze, aus Pflanzenresten oder anderen organischen Abfällen hergestellt.
Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.
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