Sektorenkopplung im Wärmesektor

Die Versorgung von Gebäuden mit Raumwärme und Warmwasser sowie die Bereitstellung von Prozesswärme für die Industrie machten 2017 rund 49,6 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland aus. Somit muss der Dekarbonisierung dieses Sektors eine bedeutende Rolle zugeschrieben werden. Der hohe Anteil der Wärme an der Endenergiebilanz liegt nicht zuletzt an häufigen Defiziten bei der Gebäudedämmung sowie dem verbreiteten Einsatz veralteter, ineffizienter Heizungsanlagen. Im Wärmesektor setzt sich die Bundesregierung das Ziel, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2020 auf 14 Prozent zu erhöhen, während der Anteil derzeit bei rund 11,5 Prozent stagniert.

Waermeversorgung_der_Zukunft_Stadt_Okt16_72dpiEine schnelle Entwicklung hin zu erneuerbaren Wärmetechnologien ist insofern äußerst wichtig, da Heizungsanlagen langlebig sind und eine Entscheidung für fossile Energieträger 20-30 Jahre nachhält. Die Umstellung auf eine hundertprozentige erneuerbare Versorgung kann neben Maßnahmen zur Senkung des Wärmebedarfs auch durch die Nutzung von erneuerbarem Strom gelingen. Wenn künftig immer öfter ein Überangebot an Strom aus Solar- und Windenergie herrscht, kann dieser in klimafreundliche Wärme umgewandelt werden. Die AEE-Metaanalyse „Flexibilität durch Kopplung von Strom, Wärme und Verkehr“ vergleicht Szenarien zum Stromverbrauch für Wärmeanwendungen in Deutschland: Viele Studien rechnen mit einer deutlichen Zunahme der Nutzung von Strom für Wärmezwecke, im Jahr 2050 sogar bis knapp über 300 Mrd. kWh.

  • Kraft-Wärme-Kopplung

    Bei der Stromerzeugung durch Verbrennung eines Energieträgers in thermischen Kraftwerken entsteht immer auch Wärme. Bei herkömmlichen Kraftwerken wird diese Abwärme ungenutzt über Kühltürme an die Umwelt abgegeben, wohingegen sie bei der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ausgekoppelt und über ein Wärmenetz als Nah- oder Fernwärme nutzbar gemacht werden kann. Das steigert den Wirkungsgrad und bedeutet somit eine wesentlich höhere Energieeffizienz. KWK-Anlagen stellen eine wichtige und effiziente Verknüpfung zwischen Strom- und Wärmemarkt dar und müssen im Rahmen der Systemtransformation auf Bioenergie oder auf Erneuerbare Gase umgestellt werden. Es gilt zudem, die bisher oft wärmegeführten Anlagen zu flexibilisieren und künftig mithilfe von Wärmespeichern den Strom nach Bedarf einzuspeisen.

  • Wärmepumpen

    Die Wärmepumpe ist eine wichtige Technologie im Rahmen der Sektorenkopplung, insbesondere bei der Integration von erneuerbarem Strom im Niedertemperaturbereich von Wohngebäuden. Wärmepumpen nutzen erneuerbare Energiequellen wie oberflächennahe Geothermie, die natürliche Umweltwärme der Außenluft oder die Abwärme und übertragen diese auf einen Wärmeträger. Die entstehende Wärme kann dann zum Heizen und für die Warmwasserbereitung genutzt werden.
    Wärmepumpen arbeiten effizienter als Heizstäbe und Elektrodenkessel, da sie mittels einer Kilowattstunde Strom gleich mehrere Kilowattstunden Wärme generieren. Eine Wärmepumpe kann für die Wärmebereitstellung für Privathäuser als Einzelheizung sowie für Wärmenetze bis zu einem Temperaturniveau von 100 Grad Celsius eingesetzt werden. Im Vergleich zu Power-to-Gas Technologien sind Wärmepumpen mit dem aktuellen Strommix derzeit effizienter.

  • Power-to-Heat

    Mit Hilfe von Power-to-Heat-Technologien (PtH) wird der erzeugte regenerative Strom über eine einfache elektrische Heizung (Heizstab, Elektrodenkessel) in Wärme umgewandelt und diese in einem großen Wassertank gespeichert. Bei Bedarf wird die Wärme dann beispielsweise für Brauchwasser und Heizungen in einer Wohnsiedlung genutzt. Neben der Nutzung in Wärmnetzen ist auch eine Ergänzung von Einzelheizungen durch diese Technologie machbar. Durch die Kombination mit Wärmespeichern werden die Flexibilitäten der Wärmeerzeugung mittels erneuerbarem Strom und damit auch die Möglichkeiten zum Ausgleich weiter erhöht.
    Mithilfe von Elektroheizstäben kann elektrischer Strom fast vollständig in Wärme umgewandelt werden. Sie erhitzen sich und somit das Speichermedium Wasser bei Stromdurchfluss. Elektroheizstäbe lassen sich leicht dem Wärmebedarf anpassen und können in Wärmespeichern günstig nachgerüstet werden. In kleinen und mittleren Anwendungen erwärmen die Elektroheizstäbe Wasser, um damit beispielsweise einzelne Gebäude oder Schwimmbäder zu beheizen.
    Im Gegensatz zu Heizstäben fließt der elektrische Strom in Elektrodenkesseln direkt durch das Wasser. Es können deutlich höhere Spannungen angelegt und eine höhere Leistung erreicht werden, wodurch sie effizienter als Heizstäbe sind. Durch Elektrodenkessel sind hohe Temperaturen von mehreren Hundert Grad und auch die Herstellung von Wasserdampf möglich. Der Elektrodenkessel dient der zentralen Dekarbonisierung von Fernwärme durch die Umwandlung von überschüssigem erneuerbarem Strom in erneuerbare Wärme und der Einspeisung ins Wärmenetz.

  • Power-to-Gas

    Die Grafik "Wie funktioniert Power-to-Gas" finden Sie hier.

    Power-to-Gas (PtG) ist die Umwandlung von häufig vorkommenden chemischen Stoffen in synthetische Energieträger wie Wasserstoff oder Methan unter der Verwendung von erneuerbarem Strom. Dabei wird zunächst Strom für die Gewinnung von Wasserstoff per Elektrolyse eingesetzt, wo Wasser mit elektrischer Energie in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Auf diese Weise wird ein Teil der elektrischen Energie chemisch im Wasserstoffgas gespeichert. Der Wasserstoff kann direkt verwendet werden, beispielsweise für Anwendungen in der chemischen Industrie oder in BHKWs für den Wärmesektor oder bis zu einem Anteil von fünf Prozent direkt in das Erdgasnetz eingespeist werden. Methan kann in den bestehenden Gasinfrastrukturen gespeichert und transportiert werden und ist damit einfacher handhabbar als Wasserstoff: Die Methanisierung soll in Zukunft die mittel- und langfristige Speicherung von Energie ermöglichen. Für dieses synthetische Gas kann nämlich die Transport- und Speicherkapazität des Erdgasnetzes genutzt werden. Einerseits kann das Methan BHKWs zur Strom- und Wärmeerzeugung antreiben. Andererseits könnten diese klimaneutral erzeugten Energieträger auch im Wärme- und Mobilitätssektor eingesetzt werden, wo die direkte Stromnutzung nicht möglich ist - etwa zur Produktion von Hochtemperatur-Prozesswärme.

    Gerade für Stadt- und Gemeindewerke, die nicht nur Strom aus Erneuerbaren Energien bereitstellen, sondern auch Gas- und Wärmenetze betreiben, könnte die Speicherung von Strom als Gas eine wirtschaftlich attraktive Option für eine sichere, flexible und dabei klimafreundliche Energieversorgung sein.

Praxisbeispiel

Stadtwerk Haßfurt Gasübergabestation GDRM-AnlageDas fränkische Haßfurt setzt auf Sektorenkopplung: Eine containergroße Power-to-Gas-Anlage steht seit Oktober 2016 auf dem Gelände des Haßfurter Mainhafens. Die Anlage, für die es keine Förderung gab, hat circa zwei Millionen Euro gekostet. Mittels Elektrolyse wird in Zeiten großen Stromangebots aus Erneuerbaren Energien Wasserstoff erzeugt. Der für den Wasserstoff benötigte Strom stammt aus einem nahegelegenen Bürgerwindpark und weiteren Windenergie- sowie Photovoltaikanlagen. In 1,5 Jahren konnte so eine Millionen kWh Wasserstoff erzeugt werden. Mittels firmeneigenem BHKW nutzen sie das Gas, um damit Strom und Wärme für den Mälzvorgang von Getreide zu erzeugen.Foerderlogo_BMEL_400x300

Foto: © Stadtwerk Haßfurt

Dieser Text wurde im RENEWES SPEZIAL NR. 86 / Januar 2019 veröffentlicht.