Regierung stellt geplanten Netzausbau zur Diskussion

Anfang Februar wurde der erste Entwurf zum neuen Netzentwicklungsplan Strom von den beteiligten Übertragungsnetzbetreibern vorgestellt. Mehrere Szenarien werden hinsichtlich des Netzausbaus durchgespielt. Bis zum 4. März kann sich die Öffentlichkeit selbst mit Kritik und Anregungen dazu äußern und so Einfluss auf den zweiten Entwurf nehmen. Auf seiner dritten Reise zum Netzausbau versucht Bundesminister Altmaier nun, die Bürgerinnen und Bürger für den Netzausbau zu gewinnen. Dabei stößt er nicht nur auf Zustimmung. Die Urteile zum ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom fallen sehr unterschiedlich aus.

Unter dem Hashtag #NetzeJetzt konnte Anfang Februar Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nicht nur via Twitter und Facebook auf seiner Reise durch Hessen begleitet werden. Er habe „den Netzausbau deshalb zur Chefsache gemacht“, heißt es vom Bundesministerium. Um den Ausbau zu beschleunigen, suche der Bundesminister erneut das Gespräch mit Akteurinnen und Akteuren vor Ort und mache sich ein Bild von den Problemen und Hindernissen beim Ausbau neuer Stromtrassen. Die Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern in den vom Netzausbau betroffenen Orten verlief nicht in allen Teilen so, wie es sich Altmaier angesichts des mittlerweile veröffentlichten, ersten Entwurfs zum Netzentwicklungsplan Strom 2030 erhofft hat.

netz_96Dennoch ist der Dialog wichtig, schließlich kann sich die Öffentlichkeit, also Medien, Verbände, Unternehmen, aber auch die Bürgerinnen und Bürger selbst bis zum 4. März mit Kritik und Anregungen zum ersten Entwurf äußern. Viele Verbände haben bereits eine Stellung bezogen. „Der Netzausbau muss engagiert und zugleich angemessen vorangebracht werden, um die nötige Netzinfrastruktur für den Umbau des Stromsektors herzustellen“, kommentierte Dr. Simone Peter (BEE-Präsidentin) den ersten Entwurf. „Insofern ist es gut, dass neben neuen Übertragungsleitungen auch Sektorenkopplungslösungen eingeplant sind und so die Möglichkeit geschaffen wird, besser auf die Netzauslastung reagieren zu können.“ Neue Leitungen seien auch im europäischen Strombinnenmarkt wichtig. Faktisch könne gegenüber dem letzten Netzentwicklungsplan laut Aussage der Übertragungsnetzbetreiber der zusätzliche Netzausbaubedarf durch den angenommenen Einsatz innovativer Elemente in Markt und Netz sowie die geplante Zuschaltung zusätzlicher HGÜ-Verbindungen (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs, Anm. d. Red) insgesamt gesenkt werden, führte Peter weiter aus. „Der Netzentwicklungsplan beinhaltet damit einige gute Vorschläge, wie der Umfang des Netzausbaus auch bei einem Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren Energien im Vergleich zu bisherigen Planungen reduziert werden kann.“

„Der Entwurf des Netzentwicklungsplans verdeutlicht die Dringlichkeit eines zügigen Netzausbaus“, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Die Große Koalition habe das Ziel ausgegeben, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen statt auf 50 Prozent. „Es ist vollkommen klar, dass diese Anhebung zusätzlichen Netzausbau und Netzverstärkungsmaßnahmen erfordern wird.“ Der NEP zeige, so Kapferer weiter, „dass die Netzbetreiber innovative Lösungen nutzen, um den Netzausbau auf das nötige Maß zu begrenzen“.

Alle zwei Jahre müssen die vier Übertragungsnetzbetreiber ÜNB (50 Hertz. Amprion, TenneT und TransetBW) der Bundesnetzagentur (BNetzA) einen gemeinsamen Netzentwicklungsplan Strom (NEP) vorlegen. Nachdem im vergangenen Jahr der Szenariorahmen von der BNetzA genehmigt wurde, hatten die ÜNB an einem ersten Entwurf für den NEP gearbeitet, der am 4. Februar vorgestellt wurde. Im ersten Entwurf zum NEP 2019 legen die ÜNB den Um- und Ausbaubedarf im deutschen Strom-Übertragungsnetz dar.

Insgesamt werden dabei fünf Szenarien aufgezeigt: Ein kurzfristiges Szenario B 2025, drei Szenarien ABC bis 2030 und ein längerfristiges Szenario bis 2035. Mit allen Szenarien kann dem Entwurf zufolge der von der Bundesregierung angestrebte Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 65 Prozent bis 2030 erreichen. Die Szenarien unterscheiden sich (abgesehen vom Zielzeitrahmen) vor allem im Umfang der EE-Technologien:

  • „Szenario A 2030 mit dem relativ größten Anteil an Stromerzeugung durch konventionelle Kraftwerke, einem Fokus beim EE-Ausbau auf Wind offshore, einer eher geringen Durchdringung mit innovativen Stromanwendungen und geringer Sektorenkopplung, einem gegenüber 2017 leicht sinkenden Nettostromverbrauch sowie erstmals mit Vorgaben zu maximalen CO₂-Emissionen im Kraftwerkssektor.

  • Szenario B 2025 / B 2030 / B 2035, das mit einer zunehmend flexibilisierten Energiewende einen Mittelweg zwischen den Szenarien A 2030 und C 2030 darstellt, mit Vorgaben zum maximalen CO₂-Ausstoß im Kraftwerkssektor und einem ausgewogenen Ausbau der einzelnen EE-Technologien.

  • Szenario C 2030 mit dem kleinsten konventionellen Kraftwerkspark, mit Vorgaben zum maximalen CO₂Ausstoß im Kraftwerkssektor, einem Anstieg des Stromverbrauchs sowie des damit verbundenen größten EE-Zubaus mit dem Fokus auf dem Ausbau der Photovoltaik (PV), einer starken Durchdringung mit Flexibilitätsoptionen und Speichern sowie einer stärkeren Sektorenkopplung.“

aus: https://www.netzentwicklungsplan.de/sites/default/files/paragraphs-files/NEP_2030_V2019_1_Entwurf_Zahlen-Daten-Fakten.pdf

Leider wird noch immer in allen Szenarien bis 2030 Erneuerbarer Strom abgeregelt (2-4,5 Terrawattstunden). Und während „in Nord- und Ostdeutschland die überwiegend erneuerbare Erzeugung die lokale Nachfrage um mehr als das Doppelte übertrifft, herrscht in Süd- und Westdeutschland ein Erzeugungsdefizit“, so die ÜNB. Zwischen etwa einem Viertel und der Hälfte der jährlichen Stromnachfrage müsste in diesen Bundesländern aus in- und ausländischen Importen gedeckt werden. Gleichzeitig exportiert Deutschland in allen drei Szenarien bis 2030 zwischen 44,6 und 75,7 Terrawattstunden netto pro Jahr.

So sind insgesamt, dem ersten Entwurf des NEP zufolge, bis 2030 etwa 2.900 Kilometer Netzverstärkungen im Bestand und rund 1.600 Kilometer Neubaumaßnahmen erforderlich – zuzüglich zu den Ergebnissen des Bundesbedarfsplans. Bis 2035 kämen noch einmal 1.100 Kilometer hinzu.

Die Empfehlungen der Kohlekommission sind nach eigenen Aussagen der ÜNB in dem Entwurf noch nicht berücksichtigt worden, wenngleich die Szenarien von einer Reduzierung der Kohleverstromung ausgehen.

Zum Thema Stromnetz und der erfolgreichen Transformation Erneuerbaren Stroms bietet die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) am 4. März ein Pressehintergrundgespräch mit dem Titel „Keine Angst vor dem Stromstau – Wie 65 Prozent erneuerbarer Strom ins Netz kommen.“ Neben dem neuen Renews Kompakt zum Stromstau und einer neuen Animation werden Dr. Robert Brandt (Geschäftsführer AEE), Kerstin Maria Rippel (Leiterin Kommunikation und Public Affairs, 50Hertz Transmission GmbH) und Björn Spiegel (Leiter Strategie und Politik, ARGE Netz GmbH & Co. KG) als Referenten zu hören sein.

Wie heute schon der Netzausbaubedarf reduziert werden kann, zeigt das AEE-Projekt www.energie-update.de. Statt Trassen und Kabelkilometer zu zählen, stellen wir heute verfügbare Lösungen vor, die das intelligente Zusammenspiel von erneuerbaren Netznutzern und Speichern erleichtern.

Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.

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