Erneuerbare Energien in Europa: Schneckentempo oder Überholspur?
Die Energiepolitik bewegt sich in der Europäischen Union traditionell in einem Spannungsfeld zwischen Brüsseler und nationalen Ansprüchen. Dies gilt auch für die neue Erneuerbaren-Energien-Richtline der EU (RED II), deren Verabschiedung in Brüssel näher rückt. Während die Mitgliedstaaten verbindliche nationale Erneuerbaren-Ziele bis 2030 mehrheitlich ablehnen, sprach sich das Europaparlament Mitte Januar für eben solche nationalen Quoten aus. Nach dem Votum der Abgeordneten beginnen nun die Verhandlungen der Kammer mit EU-Kommission und Mitgliedstaaten.
Wie bindend Europas Ziele für die einzelnen Staaten sein sollen, ist wichtig, da ohne Verlässlichkeit auch das Gesamtziel ins Rutschen zu kommen droht. Das Europaparlament befürwortete Mitte Januar ein Ausbauziel von 35 Prozent Erneuerbare Energien für 2030. Hingegen hatte die EU-Kommission nur 27 Prozent vorgeschlagen, und die Energieminister hatten sich hinter die Kommission gestellt. Zur Einordnung: Im Jahr 2016 stieg der Anteil der Erneuerbaren Energien am EU-Energieverbrauch auf 17 Prozent, das waren nur 0,3 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr, aber 3,6 Prozentpunkte mehr als 2012. Bei Fortschreibung des durchschnittlichen Ausbautempos der vergangenen vier Jahre würde Europa das 2020er Ziel also erreichen. Das lautet auf 20 Prozent Erneuerbare Energien im EU-Durchschnitt.
Die verbindlichen Vorgaben der EU für Erneuerbare Energien und Klimaschutz haben sich bisher als wirksame Messlatte für die EU-Mitgliedstaaten erwiesen. Für Deutschland gilt im Sinne der Aufgabenteilung zwischen den Mitgliedstaaten die Quote, bis 2020 einen Anteil von 18 Prozent Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch zu erreichen, im EU-Mittel sollen es 20 Prozent sein. Bis 2016 hatte Deutschland aber erst einen Anteil von knapp 15 Prozent erreicht. Bleibt es beim schleppenden Ausbautempo der vergangenen Jahre, verfehlt Deutschland nicht nur sein nationales Klimaziel, sondern auch sein verbindliches EU-Ziel für die Erneuerbaren.
Die Europäische Union erweist sich also als wichtiges Korrektiv für die nationalen Regierungen. Sollte die europäische Einigung wieder stärker in den Fokus der Regierungen rücken, wie es sich Deutschland und Frankreich wünschen mögen, dann würde sich die Energie- und Klimapolitik als ein gemeinsames Projekt aufdrängen. Denn die Unterstützung für die Erneuerbaren Energien in der Europäischen Union ist sehr stark: Laut den Ergebnissen einer großen Umfrage unter knapp 28.000 EU-Bürgern hielten 89 Prozent der Befragten nationale Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien bis 2030 für wichtig. Mehr als die Hälfte, nämlich 51 Prozent betrachten solche Ziele sogar als sehr wichtig. Nach EU-Zielen wurde in der Erhebung allerdings nicht gefragt.
Messen lassen muss sich die EU am Ausspruch von Kommissionspräsident Juncker, der das Ziel ausgegeben hat, die EU müsse die Nummer eins in der Welt bei den Erneuerbaren Energien sein. Es liegt an den Institutionen in Brüssel mit ehrgeizigen Zielen für 2030 zu zeigen, dass sie diesem Anspruch Europas auf einem Zukunftsfeld für Wirtschaft und Verbraucher gerecht werden können.
- Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht. -
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