Die Bioenergie als Problemlöser

Bioenergie ist ein oft unterschätzter Baustein der Energiewende – doch wie kann sie ihr Potenzial in einer klimaneutralen Energieversorgung voll entfalten? Im Interview spricht die Bioenergie-Expertin Sandra Rostek über die politische Aufklärung rund um Vorurteile, die Schlüsselrolle der Bioenergie in Zeiten fluktuierender erneuerbarer Energien und die notwendigen Weichenstellungen für ihre Zukunft.  Sandra Rostek ist Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB), der Politik beim Bundesverband für Erneuerbare Energie (BEE) und leitet auch das Berliner Büro des Fachverbands Biogas (FVB).

Foto: BEE

Frau Rostek, Sie arbeiten in drei Verbänden, die sich der Energiewende verschrieben haben. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Fürsprecherin der Bioenergiebranche aktuell? Was motiviert Sie dabei am meisten?

Die Bioenergie ist leider politisch ein notorisch unterbelichtetes Thema. Man begegnet ihr allzu oft mit Vorurteilen oder traut sich nicht so recht an die Komplexität heran. Dadurch, dass wir im BEE die wichtige Rolle im Konzert gerade auch mit den anderen Erneuerbaren Energien aufzeigen und uns auch als „Bioenergieverbände“ im Hauptstadtbüro zusammengeschlossen haben, konnten wir in den letzten Jahren in vielen Themen ein Umdenken erreichen. Die wichtige Funktion der Bioenergie als Problemlöser im Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereich wird immer mehr erkannt. Meine Mission dabei ist es, politischen Entscheidungsträgern mögliche Berührungsängste zu nehmen, indem ich als Ansprechpartnerin für all die vielfältigen Bioenergie-Themen zur Verfügung stehe.  

Welche Vorteile bietet die Bioenergie im Vergleich zu anderen Erneuerbaren Energien, insbesondere in Bezug auf Versorgungssicherheit und Flexibilität?


Bioenergie stellt gesicherte Leistung aus regenerativen Quellen bereit und ergänzt damit wunderbar die fluktuierenden Erneuerbaren wie Photovoltaik und Windenergie. Das kann sie schneller, günstiger und klimafreundlicher als fossile Gaskraftwerke, wie sie aktuell in der Kraftwerksstrategie diskutiert werden. Eingebettet in regionale Kreisläufe liefert sie zusätzliche Umweltdienstleistungen und Wertschöpfung für den ländlichen Raum.  

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, mit denen die Branche derzeit konfrontiert ist, und wie können diese überwunden werden?


Für Biogas ist es sehr wichtig, dass eine Perspektive für den Weiterbetrieb der tausenden Anlagen geschaffen wird, deren erster EEG-Vergütungszeitraum bald abläuft. Wir brauchen einen Transformationspfad, damit die Anlagen auf flexible Fahrweise umrüsten und so ihre wahre Stärke zeigen können. Für das Holz ist es wichtig, dass endlich wieder Fakten die Debatte bestimmen statt pauschaler Vorurteile, die jeglicher Grundlage entbehren. Im Kraftstoffbereich muss es einen Neustart des Marktes geben, der in den letzten Jahren massiv unter verschiedenen Betrugsaktivitäten gelitten hat. Der gemeinsame Schlüssel für all diese Themen ist meiner Meinung nach Kommunikation.  

Den Neustart bei den Biokraftstoffen soll ja die Initiative „Klimabetrug stoppen“ beschleunigen. Können Sie uns mehr darüber erzählen? Welche Ziele verfolgt sie, und welche Maßnahmen setzen Sie ein, um diese zu erreichen?

Die „Initiative Klimabetrug Stoppen“ ist ein Zusammenschluss von 120 Unternehmen und Verbänden. Sie hat sich gegründet, um wirksam den andauernden Betrug zu verhindern, der den THG-Quotenmarkt im Kraftstoffsektor unterwandert hat. Statt Biomethan, Biokraftstoffen und Elektromobilität kommen dort leider seit längerem vermehrt gepanschtes Palmöl und gefälschte Klimazertifikate zum Einsatz, zumeist aus China. Weil die Politik und die Behörden hier aus unserer Sicht allzu lange tatenlos zusahen, hat die Initiative die Aufklärung selbst in die Hand genommen. Und wir arbeiten mit der Politik gemeinsam an Lösungen zur Betrugsprävention und Marktbereinigung.  

Abschließend: Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der Bioenergie in einer klimaneutralen Energieversorgung, und welche Weichen müssten jetzt gestellt werden, damit die Bioenergie ein wichtiger Baustein der Energiewende bleibt?

Der wahre Mehrwert der Bioenergie beginnt dann, wenn andere Klimaschutzlösungen an ihre Grenzen stoßen: also zum Beispiel alle Bereiche, die nicht oder nur sehr schwer elektrifizierbar sind. Perspektivisch wird sich der Einsatz also innerhalb der Sektoren verschieben. Zunehmend wird es zudem eine wichtige Rolle für die Bioenergie bei der Bereitstellung von Negativemissionen geben. Unvermeidbare Restemissionen bei Industrieprozessen müssen ausgeglichen werden – die Bioenergie ist hierfür das Mittel der Wahl. Hier sind wir uns erfreulicherweise schon heute mit weiten Teilen der Politik einig.  

Vielen Dank, Frau Rostek, für Ihre Einblicke und Ihre Zeit!