Mythos #6: Beschränkt sich die Atomkraft auf die friedliche Nutzung?

Nein! Fakt ist: Nukleartechnik ist stets eng mit militärischen Interessen und Missbrauchsrisiken verbunden. 

IIm Zusammenhang mit der Erzeugung von Atomstrom ist oft von der „zivilen“ oder „friedlichen“ Nutzung der Atomenergie die Rede. Jedoch sind die zivile und die militärische Nutzung der Atomenergie untrennbar miteinander verbunden. Spaltbares URAN-235 wird einerseits für die Herstellung von Brennstäben für Kernkraftwerke genutzt, andererseits aber auch militärisch für Atomwaffen.

Die Gründung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA im Jahr 1957 erfolgte daher nicht nur, um die friedliche Nutzung der Atomenergie weltweit voranzutreiben, sondern vor allem um die Nutzung zu kontrollieren und Missbrauch zu verhindern. Ein Beispiel dafür ist der seit Jahren andauernde Konflikt um das Atomprogramm des Iran. Historisch betrachtet, war das militärische Interesse an Atomwaffen sogar der Ursprung und die zivile Nutzung zur Stromerzeugung eher ein Nebeneffekt. Der Atomausstieg weist somit auch eine friedenspolitische Komponente auf.
Natururan kann nicht direkt zur Stromerzeugung eingesetzt werden, sondern muss vorher aufwändig bearbeitet und angereichert werden. Ein Abfallprodukt der Urananreicherung ist abgereichertes Uran-238, das eigentlich Strahlenmüll ist, aber auch als panzerbrechende Munition verwendet werden kann.

Plutonium, das zum einen bei der Stromerzeugung in Atomkraftwerken entsteht, aber vor allem bei der Wiederaufbereitung gewonnen wird, ist sowohl für bestimmte Reaktortypen, als auch für Waffen geeignet. Kommerzielle Wiederaufbereitungsanlagen gibt es in Großbritannien, Frankreich und Russland sowie Japan. Über militärische Wiederaufbereitungsanlagen verfügen nicht nur die anerkannten Nuklearwaffenstaaten, sondern auch Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea. Die Weiterverbreitung nuklearer Waffen (Proliferation) stellt daher ein ernst zu nehmendes Risiko dar. Die zivile Anwendung der Nukleartechnik ermöglicht stets auch das Gewinnen von Wissen, Material und Technologie für ein militärisches Atomprogramm. Das berichten auch Mika Ohbayashi und Michael Sailer in unserem Videobeitrag.

Heute gibt es weltweit 13 Urananreicherungsanlagen, die den Anteil des spaltbaren Uran-235 erhöhen, 38 Brennelementefabriken stellen Brennstoff für AKW her. In Deutschland befindet sich eine Brennelementefabrik in Lingen (Niedersachsen) und eine Urananreicherungsanlage in Gronau (Nordrhein-Westfalen). Sie produziert auch nach dem Abschalten deutscher Atomkraftwerke noch Brennstoff für die Anlagen im europäischen Ausland. Vollendet ist der Atomausstieg also auch in Deutschland 2025 noch immer nicht. Im Gegenteil: Nach Informationen des NDR hat die Brennelementefabrik in Lingen im Jahr 2024 trotz der sonstigen Wirtschaftssanktionen gegen Russland rund zwei Drittel mehr Uran aus Russland verarbeitet als im Vorjahr und es sei sogar geplant, künftig Brennstoff für russische Reaktortypen zu produzieren. Damit finanziert der Betrieb von Atomkraftwerken letztlich auch den Krieg gegen die Ukraine mit.

Auch die aktuell in der Diskussion befindliche Entwicklung kleinerer, modularer Reaktorkonzepte (Small Modular Reactors”, SMR) würde nichts am Brennstoffbedarf und an der Gefahr des Missbrauchs von waffenfähigem Uran oder Plutonium ändern. Stattdessen würde die „Dezentralisierung” der Atomenergie dazu führen, dass sich die Zahl verschiedener Standorte und damit verbundener Transporte vervielfacht. Eine Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden würde damit umso schwieriger.

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