Wie kann die Psychologie zur Bewältigung der Klimakrise beitragen?
Prof. Dr. Matthies, Professorin für Umweltpsychologie und Lehrstuhlleiterin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erklärt, warum Vertrauen in andere und gesellschaftliche Institutionen essenziell ist, welche psychologischen Ansätze nachhaltiges Verhalten fördern können und wie Emotionen die Diskussion über Klimaschutz prägen. Sie betont: Optimismus und realistische Strategien sind entscheidend für eine erfolgreiche Transformation.
Frau Prof. Dr. Matthies, 2024 haben Sie mit einigen anderen Kollegen in der Psychologischen Rundschau eine Studie zum Thema „Wie kann die Psychologie zur Bewältigung der Klimakrise beitragen?“ veröffentlicht. Welchen Beitrag kann die Psychologie zur Lösung der Umwelt- und Klimakrise leisten?
Prof. Dr. Matthies: Auf mehrfache Weise: Einerseits, weil Psychologie viel über Verhaltensänderung weiß, welche Rahmenbedingungen helfen, damit Menschen auf nachhaltige Mobilität umsteigen, aber Psychologie weiß auch viel über Politikakzeptanz und das mangelnde Vertrauen mancher Stakeholder in die Politikunterstützung.
Was genau meinen Sie damit?
Die Bereitschaft der anderen, etwas zum Klimaschutz zu tun und Transformationspolitiken zu unterstützen, wird fast überall stark unterschätzt. Vertrauen in die Anderen und in die gesellschaftlichen Institutionen sind wichtig.
Welche psychologischen Ansätze sind am wichtigsten, um Menschen zu nachhaltigem, umweltfreundlichem Verhalten zu bewegen? Welche Rolle spielt unser soziales Umfeld dabei?
Das soziale Umfeld ist wichtig, aber auch Verhaltensmöglichkeiten und Anreize, denn da werden Menschen derzeit für ökologisches Verhalten eher bestraft als belohnt. Und da ist die Politik in der Pflicht, zum Beispiel mit einem guten ÖPNV-Angebot und Anreizen zum Kauf eines E-Autos statt eines Benziners oder gar Diesels.
Welche Rolle spielen Emotionen in Diskussionen und bei individuellen Entscheidungen im Kontext umweltfreundlichen Verhaltens?
Emotionen sind da relevant, wo Menschen sich
auseinandersetzen, also in der politischen Debatte und im Alltag, wenn anderen
Menschen Motive unterstellt werden, etwa gegenüber den so genannten Eliten
beziehungsweise bei einem generellen Misstrauen gegenüber technischen Lösungen.
Das führt zu motivierter Kognition: Menschen sind weniger offen für
Argumente oder Informationen, werden unbeweglicher.
Der Mensch beeinflusst maßgeblich seine Umwelt. Welchen
Einfluss kann die Umwelt, insbesondere die Klimakrise, auf Menschen haben?
Vielfältige, leider negative: So fordern zum Beispiel Hitzewellen sowie Überschwemmungen weltweit und auch in Deutschland Menschenleben. Durch das Erleben der Klimakrise können sich Menschen auch demoralisiert fühlen, Schuldgefühle entwickeln etcetera. Es kann jedoch auch zum Klimaschutz motivieren, vor allem dann, wenn Menschen auch Handlungsmöglichkeiten sehen.
Warum besteht oft ein großer Unterschied zwischen dem, was Menschen wissen, und wie sie sich verhalten?
Das ist einfach, weil Menschen im Leben stehen und in der
aktuellen Situation immer viele Motive und Gewohnheiten ins Handeln
reinspielen. Mental, bei unseren abstrakten Zielen, sind fast alle Menschen meist
mutiger, optimistischer und ambitionierter in ihren Zielen als im konkreten
Handeln.
Wie werden die Ergebnisse Ihrer Forschung und anderer
Forscher*innen im Feld praktisch umgesetzt?
Die Politik hat großes Interesse an der Expertise der
Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Psycholog*innen werden in Beiräte
berufen, in Ministerien gehört – allerdings bedeutet das nicht, dass unsere
Vorschläge sich durchsetzen, der Rest ist eben Politik, nicht Vernunft.
Stoßen Sie auf persönlichen Widerstand, wenn Sie von Ihrer
Arbeit berichten? Haben Sie negative Erfahrungen im Kontext Ihrer Arbeit
gemacht, beispielsweise mit „Klimaleugnern“?
Kontroverse gehört zum Diskurs. Selbstverständlich stoße ich auch auf gegensätzliche Meinungen und auf die Infragestellung meiner Erkenntnisse, meist politisch motiviert. Persönliche Angriffe sind aber sehr selten und kamen bisher ausschließlich aus dem AfD-Umfeld und nur, wenn es um politische Implikationen geht. Einem Klimaleugner bin ich bisher nicht begegnet. Der Prozentsatz der Klimaleugner ist im Übrigen mit unter 10 Prozent in Deutschland sehr, sehr gering.
Lassen sich Werte und Einstellungen durch gut kommunizierte Informationen und Politik verändern?
Werte sind überdauernd. Einstellungen hingegen lassen sich durch
gute Argumente und glaubwürdige Kommunikator*innen ändern. Allerdings muss ein
Bedürfnis nach Information, eine Offenheit vorliegen.
Wie blicken Sie als Umweltpsychologin in die Zukunft? Sind
Sie optimistisch bezüglich der Entwicklung unserer Gesellschaft und der
Klimakrise?
Als Psychologin weiß ich, dass Pessimismus in jedem Fall dysfunktional ist. Realistisch sein, was Probleme angeht, und im Zweifelsfall mehr Zutrauen in andere haben, ist eine gesunde und durchaus kluge Strategie.
Pressekontakt:
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.
Anika Schwalbe
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