Erneuerbare Energien als Hilfe beim Denkmalschutz: Der Windpark Ellerode bei Schloss Berlepsch
Auf den Anhöhen des Werratals im Norden der Grimm-Heimat Nordhessen erhebt sich seit 1369 das Schloss Berlepsch.
Umgeben von der reichhaltigen Natur der Berlepscher Wälder wird das Kleinod seit Anbeginn von der gleichnamigen Familie des Besitzers Sittich Graf von Berlepsch bis heute in der 19. Generation erhalten. Was sich zunächst sehr romantisch anhört – Leben in einem Schloss – hat auch seine Schattenseiten. Die Pflege historischer Gebäude ist aufwändig und kostet sehr viel Geld – einmal abgesehen von verpflichtenden Denkmalschutzauflagen.
Und hier kommen die Erneuerbaren Energien ins Spiel: Sie können beim Erhalt denkmalgeschützter Objekte eine Hilfe sein. Zur Finanzierung der laufenden Kosten des mehr als 650 Jahre alten Gemäuers trägt auch der Erlös aus dem benachbarten Windpark Ellerode bei, den die Familie vor einigen Jahren auf Ihrem eigenen Grund hat errichten lassen. Der fünf Anlagen zählende Windpark deckt ein Drittel des Strombedarfs des rund 15.000 Einwohner zählenden Städtchens Witzenhausen ab. Ein Schloss – unterstützt mit Hilfe des Windes. So simpel die Idee zum Beitrag des Erhalts eines denkmalgeschützten Gebäudes klingt, so kompliziert war der Weg bis zur Genehmigung. Ein Standardrezept gibt es hier sicherlich nicht; im Falle dieses Windpark-Projekts war aber die transparente und faire Vorgehensweise des Initiators rund um den Antrag, die Genehmigung und den Bau des Windparks ein wesentlicher Baustein beim Gelingen.
Bereits im Jahr 2006 hat die Stadt Witzehausen versucht, Flächen für einen Windpark auszuweisen – jedoch vergeblich. 2010 machte Fabian v. Berlepsch also einen neuen Versuch, das Projekt wieder aufzunehmen, im Sinne eines Genehmigungsverfahrens nach BImSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz) als privilegiertes Bauvorhaben. Nach einer eigens von Fabian v. Berlepsch initiierten Bürgerversammlung im Jahr 2012 wurde ein Jahr darauf der Genehmigungsantrag gestellt. Für von Berlepsch hatte dieser Termin VOR der Antragsstellung für die schlussendliche Akzeptanz des Windparks große Bedeutung: Eingeladen waren zu dieser Veranstaltung Bürger*innen aus Berlepsch-Ellerode, der Kirschenstadt Witzenhausen und umliegenden Dörfern, in deren Sichtachse der Windpark errichtet würde. Die Einladung richtete sich auch an Politik und Behörden sowie Experten aus verschiedenen Bereichen.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde zunächst das Vorhaben en détail vorgestellt; anschließend wurde von den Anwesenden eine pro/contra-Liste zum Projekt erstellt. Von Berlepsch betont, dass es absichtsvoll keine Ordnung in diesem Prozess gab – frei und ohne Wertung wurden Argumente für und Bedenken gegen das Projekt vorgetragen und gehört. Alle Argumente wurden transparent auf einer Tafel in eine Pro-/Kontraliste eingetragen und in der folgenden Pause auf neun Experten aus verschiedenen Bereichen wie Denkmalschutz, Immobilienwirtschaft, Naturschutz, Anlagentechnik, öffentliches Recht sowie Ingenieuren für Schall, Simulation und Landschaftsplanung, Investoren und Betreibern von Windparks aufgeteilt. Jeder Experte hatte seine Expertise zum jeweiligen Problemfeld unabhängig vorgetragen, und sich anschließend den Fragen der Bürger gestellt. Nach diesem Prinzip wurde verfahren, bis alle Fragen erläutert waren. Zielführend sei auch, so v. Berlepsch, eine Veranstaltung dieser Art nicht von einem externen Moderator durchführen zu lassen, sondern lediglich von Personen, die auch tatsächlich am Projekt beteiligt oder dafür verantwortlich seien, sodass die Anwohner nicht den Eindruck bekommen, mit einer Marionette zu sprechen und die Gesprächspartner auch befähigt sind, Zugeständnisse tatsächlich einzuhalten. Er stellt auch klar, dass man als Initiator natürlich nicht objektiv sein könne, dass es aber im Sinne der Glaubwürdigkeit von Belang sei, ob man sich persönlich um sein Ziel bemühe und sich Vorwürfen aussetze oder dies über einen Mittelsmann organisieren lasse. Herr von Berlepsch stand bis zum Schluss für alle Fragen persönlich zur Verfügung und räumte den Bewohner*innen der betroffenen Gemeinden die Gelegenheit zu weiteren Gesprächen untereinander ein. Letztendlich stand die zentrale Abwägung im Raum: Ist man bereit, einen Windpark in unmittelbarer Nähe zu akzeptieren, dessen Erlös zum Erhalt von Schloss Berlepsch beitragen könne.
Als Fazit und Konsequenz dieses Austauschs wurde der Windpark kleiner, als ursprünglich geplant. V. Berlepsch war es ein Anliegen, „den Bewohnern auch nach der Genehmigung des Parks von offizieller Seite noch in die Augen blicken zu können“, so war es für ihn von tragender Bedeutung, Bedenken, Anregungen und Hinweise der unmittelbaren Nachbarn aufzunehmen und bei der Planung zu berücksichtigen. Waren zunächst acht Anlagen geplant, einigte man sich am Ende auf fünf Anlagen. 2013 wurde der Genehmigungsantrag gestellt, dessen Genehmigung das Kassler Regierungspräsidium 2015 erteilte. Klagen gegen den Windpark verursachten einen Aufschub von einem Jahr, bis 2016 endlich mit dem Bau begonnen werden konnte.
Als weitere Akzeptanz stiftende Maßnahme gab es auch nach der Genehmigung eine Veranstaltung für Bürger*innen, die das Ziel verfolgte, das Vorhaben möglichst detailliert darzustellen, die technischen Aspekte hinreichend zu erklären, Fragestellungen zu Infraschall und Schattenwurf zu beantworten sowie Auskunft zum Ertrag des Parks sowie Ausgleichsmaßnahmen zu geben. Auch wurde allen Bewohner*innen der Gemeinden angeboten, sich finanziell an den Anlagen zu beteiligen. Das Interesse war aber gering. Durch ein möglichst transparentes Verfahren, in dessen Verlauf auch viele kontroverse Meinungen gehört und diskutiert wurden, konnte eine überwiegende Akzeptanz sowie eine Befriedung erreicht werden. Zudem setzte sich Herr von Berlepsch mit erklärten Gegnern des Projekts ins Benehmen. Er besuchte die Protestveranstaltungen persönlich, begegnete so den Gegnern des Projektes, kommunizierte mit ihnen und honorierte ihr Engagement.
Befragt nach dem Geheimnis des Erfolges in Sachen Akzeptanz betont von Berlepsch, dass es hilfreich gewesen sei, rechtzeitig die Politik mit einzubinden und zwar von der Basis nach ganz oben und dies nicht nur hinsichtlich der Genehmigung, sondern auch in Bezug auf Probleme. Selbiges gilt seiner Ansicht nach auch für Ämter (z.B. die Denkmalschutz- und Naturschutzbehörden): Früh genug müssen sie konsultiert werden (bevor es an die Öffentlichkeit geht) und das durch alle Ebenen hinweg. Auch eine gelungene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit könne hilfreich sein, allerdings räumt von Berlepsch ein, dass sie sowohl Fluch als auch Segen sein könne und nicht entscheidend sei für das Gelingen des Projekts. Zweimal ermöglichte der Windpark-Initiator die Begehung der Baustelle, um die Menschen aus der Region direkt in das Geschehen zu involvieren – getreu dem Motto: Was man kennt, ist leichter zu akzeptieren als Fremdes. Und wenngleich eine Baustellenbegehung keine große Sache scheint: Schutzhelme und Warnwesten sowie Sicherheitsschuhe mussten für alle Interessenten bereitgestellt werden – ein Aufwand, der sich aber bezüglich der Erhöhung der Akzeptanz sicher gelohnt hat.
Viel Lob hat von Berlepsch für den Anlagenbauer- und Windparkbetreiber Enercon Invest. Nachdem das Unternehmen bereits viel Geld in den ersten, nicht genehmigten Windpark investiert und verloren hatte, war es ein großer Vertrauensbeweis, es an gleicher Stelle noch einmal zu versuchen. Die Vorzeichen waren beim zweiten Versuch freilich anders. Von Berlepsch hat darauf gedrungen, das Projekt wie auch die Verantwortung in seine Hände zu geben – mit dem Argument, dass er aus der Region komme und er gegenüber einem fremden Planer einen „Heimvorteil“ durch Akzeptanz bei der Bevölkerung hätte. Zu jeder Zeit fühlte er sich gut beraten, finanziell und mit der nötigen Expertise unterstützt. Positiv fand er auch, dass er es während des gesamten Zeitraums mit handlungsbefugten Ansprechpartnern zu tun hatte, die das Projekt zu jeder Zeit „auf Augenhöhe“ mit ihm umgesetzt hätten, er hat die Firma als extrem dynamisch und kraftvoll erlebt, wie er sagt und fügt an: „Enercon hat mich empowert, umgekehrt habe ich mich für Enercon eingesetzt“,
Am Ende alles gut? Letztendlich wurde der Windpark in Kauf genommen, denn im Vergleich zum Alter des Schlosses scheint die etwa 30-jährige Lebenszeit eines Windparks relativ gering. Vom Erhalt des Tourismusmagneten Schloss Berlepsch profitiert aber nicht nur die Familie v. Berlepsch, sondern auch die umliegenden Gemeinden, weshalb es ein Anliegen aller Beteiligten sein sollte, es zu erhalten. Familie von Berlepsch hat ihr Anwesen für Besucher geöffnet: So kann man auf Schloss Berlepsch fürstlich speisen im Angesicht alter Ritterrüstungen, feudal nächtigen und romantisch heiraten in neugotischem Ambiente oder Betriebsfeiern veranstalten – rustikal im Schlossgewölbe oder feiner im getäfelten Speisesaal. Warum das jetzt noch erwähnt werden musste? Fabian von Berlepsch liefert hier den Nachweis, dass die Beliebtheit eines alten Schlosses bei Touristen nicht geschmälert wird durch die Anwesenheit eines modernen Windparks – im Gegenteil. Neben Führungen durch die alten Säle seines Besitzes sind für die Zukunft auch Exkursionen durch den Elleroder Windpark geplant.
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