Niederlande: Zäsur bei Erdgasförderung

Die Niederlande ziehen die Notbremse und schließen eines der weltweit größten Erdgasfelder. Grund dafür ist das verstärkte Auftreten von Erdbeben in der Region Groningen. Ein ganzes Land debattiert über die drastischen Konsequenzen des Ausstiegs zum Jahr 2030.  

Text_gas-82982_1280_pixabay_PublicDomainPictures„Wir haben vor allen Dingen Sicherheit gewählt“, erklärte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, als er die Entscheidung über das Ende der Erdgasförderung in der Region Groningen verkündet. Ausschlaggebend für die Entscheidung, die Förderung bis zum Jahr 2030 zu beenden, war das Erdbeben am 8. Januar in Zeerijp, 40 Kilometer entfernt von der deutschen Grenze. Das Beben der Stärke 3,4 auf der Richterskala war das stärkste seit fünf Jahren in der Region. Verletzt wurde dabei niemand. Da durch die Erdgasförderung der Druck in der Sandsteinschicht nachlässt, werden die Gesteinsschichten zusammengequetscht, was letztlich zu den Erdbeben führt. Seit 1986 gab es in der Region mehr als 1.000 Beben.

Die Stimmen der einheimischen Bevölkerung, die Erdgasförderung in der Region Groningen zu beenden, fanden nach Jahren des Protests Gehör. Nicht zuletzt, da die Bergaufsicht Warnstufe Rot ausrief und „eine erhebliche Produktionsreduktion“ empfahl. Aufgrund dessen entschied sich die niederländische Regierung aus der Gasförderung auszusteigen, denn „Groningen muss Groningen bleiben“, wie Wirtschaftsminister Eric Wiebes erklärte.  

Bis spätestens 2022 soll die Förderung in der Region annähernd halbiert werden. Ein sofortiger Ausstieg ist nicht möglich, da die niederländische Regierung langfristige Lieferverträge mit Deutschland, Frankreich und Belgien abgeschlossen hat. Laut Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums bezog Deutschland im Jahr 2016 fast ein Drittel seines Erdgases aus der Region Groningen. Rund 5 Millionen deutsche Haushalte sind von dem niederländischen L-Gas (Low calorific gas) abhängig, das über einen geringeren Methangehalt als H-Gas (High calorific gas) verfügt.

In den Niederlanden selbst heizen 90 Prozent aller Haushalte mit dem Erdgas.  Da zahlreiche Heizungen nur mit L-Gas funktionieren, stehen kostspielige Umrüstungen an. Auch der Bau einer Stickstoffanlage für eine halbe Milliarde Euro wird diskutiert, die importiertes H-Gas für einen problemlosen Gebrauch in L-Gasheizungen umwandeln kann. Aufgrund der hohen Kosten und der Fertigstellung der Anlage bis 2022 steht der Plan in der Kritik, so wäre die Anlage aufgrund der Energiewende möglicherweise nur wenige Jahre im Einsatz. Alternativ wird derzeit auch über die Möglichkeit diskutiert, ausschließlich vorhandene Stickstoffanlagen zu nutzen. So seien diese bisher nur zu zwei Dritteln ausgelastet.  

Eines ist durch die angekündigte Stilllegung bis 2030 sicher; Der niederländische Staat verliert eine bedeutende Einnahmequelle. So nahm er seit den 1960er Jahren fast 300 Milliarden Euro ein. Mit dem Geld wurde überwiegend der Ausbau des Sozialstaats finanziert. Das Erdgasfeld in der Region Groningen wurde im Jahr 1959 entdeckt. Es gilt aufgrund seiner gefundenen Reserven von 2,8 Billionen Kubikmetern (900 Quadratkilometer groß und bis zu 300 Meter dick) als eines der größten der Welt. Im vergangenen Jahr wurden 23,6 Milliarden Kubikmeter gefördert. Die Niederlande sind innerhalb der Europäischen Union der größte Erdgasproduzent und -exporteur.   

Vor fünf Jahren erwogen die Niederlande in der Grenzregion zu Deutschland Fracking-Bohrungen durchzuführen. Beim Fracking wird in drei Kilometern Tiefe ein Gemisch aus Chemikalien, Wasser
und Sand mit Hochdruck in Schiefer-, Ton, Mergel- oder Kohleflözgestein gepresst. Durch diesen Vorgang wird Gestein aufgespalten, das darin enthaltene Erdgas kann gefördert werden. Die niederländische Regierung nahm Abstand von dem Plan, da es unter anderem Proteste der Landesregierungen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens gab. Das Fracking-Verfahren steht aufgrund seiner Umweltfolgen in der Kritik. Anfang Mai wurde bekannt, dass Niedersachsen Fracking-Bohrungen auf eigenem Gebiet nicht mehr ausschließt. Der Vorstoß von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) ist nicht nur beim Koalitionspartner SPD umstritten, sondern auch innerhalb seiner eigenen Fraktion.

Bildquelle Gas: Pixabay, 82982

- Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht. -