Erneuerbare Kraftstoffe gewinnen an Fahrt

Während die Treibhausgas-Emissionen 2017 in Deutschland insgesamt um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken sind, sind sie im Verkehrssektor erneut gestiegen, wie die neuesten Zahlen des Umwelt Bundesamts zeigen. Deutschland ist ein Land der Autofahrer. 2016 lag die Zahl der privaten PKW in Deutschland bei über 45 Millionen. Um die Treibhausgas-Emissionen nachhaltig, auch mit Blick auf die Klimaziele der Bundesregierung, zu senken, bedarf es einer beschleunigten Energiewende im Verkehrssektor. Die grundsätzliche Akzeptanz in der Bevölkerung ist vorhanden: 73 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wünschen sich genau in diesem Bereich einen stärkeren Einsatz der Bundesregierung, wie die aktuelle AEE-Akzeptanzumfrage zeigt.

Bild_EW-auf-Strasse-Nov18Die schiere Masse der privaten PKW in Deutschland und die bisher für viele noch als zu teuer empfundenen Elektroautos verdeutlichen, dass im Verkehrssektor einer Mischung aus erneuerbaren Kraftstoffen vonnöten ist. Während die Zahl der verkauften bzw. zugelassenen Elektrofahrzeuge in China zwischen Januar und September 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 398.000 auf 718.000 sprang, waren es in Deutschland im selben Zeitraum lediglich 50.141 (2017: 36.849), heißt es in der Analyse des Center of Automotive Management (CAM) der FH Bergisch Gladbach. Elektromobilität wird im Verkehrssektor allein nicht genügen - Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe werden ebenfalls eine tragende Rolle spielen müssen.

Der RBB berichtete Mitte Oktober von einem Berliner Unternehmen, das Schmutzwasser, wie es bei Produktionsprozessen in Biogas-, Klär- oder Industrieanlagen anfällt, mit Erneuerbarem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff spaltet. Unter Beimischung von Biogas entsteht ein E-Gas, das sowohl für Erdgasfahrzeuge als auch als Brennstoff in Blockheiz- und Gaskraftwerken genutzt werden kann. „Sich auf eine einzige Technologie wie den Elektroantrieb zu fokussieren, ist dabei nicht zielführend“, sagte Dr. Jens Hanke, Gründer von Graforce. Es bedürfe der Vielfalt und eines gesunden Wettbewerbs innovativer Ansätze, um eine erfolgreiche Verkehrswende herbeizuführen. „E-Gas kann hierzu einen maßgeblichen Beitrag leisten.“

Ähnlich sieht es bei den Biokraftstoffen aus. Daher müsse es „im Interesse der Politik sein, dass die Landwirtschaft ihr nachhaltiges Biomassepotential möglichst effizient mobilisiert“, zitiert top agrar online den Vorsitzenden der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP), Wolfgang Vogel. Dies könne aber nur über eine rasche Anhebung der Treibhausgasquote geschehen, und zwar möglichst schon im kommenden Jahr, betonte der UFOP-Vorsitzende.

Evonik Industries setzt ebenfalls auf Biodiesel und Reduzierung der CO2-Belastung. Das Unternehmen für Spezialchemie ist neben dem Fraunhofer-Institut und die Max-Planck-Gesellschaft Partner der Thyssenkrupp bei deren Projekt „Carbon2Chem“. Ziel ist es, am Stahlstandort Duisburg Hüttengase aus der Stahlproduktion in Wertstoffe umzuwandeln, berichtete die WAZ. „Ziel sei die Produktion von Methanol, das unter anderem als Kraftstoff geeignet ist.“ Durch die neue Technologie solle sich die CO2-Belastung aus der Stahlerzeugung deutlich verringern. „Bislang werden die Hüttengase lediglich verbrannt, um Strom und Wärme herzustellen.“ 

Vom Plan zur Rettung des Motors spricht Daniel Wetzel von der Welt hinsichtlich einer Veranstaltung des Weltenergierates in Berlin: Thema des Treffens war unter anderem die in Auftrag gegebene Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft und der Frontier Economics Ltd. zum Thema „Synthetische Energieträger – Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel“. Vertreter der deutschen Politik, Wissenschaft und Energiewirtschaft präsentierten „den Ländern der Welt eine Art Einkaufsliste“, schreibt Wetzel zum Ablauf der Veranstaltung des Weltenergierates. „Wer klimaneutrale Kraftstoffe produzieren und liefern könne, hieß es sinngemäß auf dem ‚Energietag 2018‘, würde in Deutschland einen dankbaren Abnehmer finden.“ Tatsächlich zeigt die Studie, dass der Import synthetischer Kraft- und Brennstoffe notwendig sei, um die Energiewendeziele in Deutschland und Europa zu erreichen. Doch die im Ausland entstehenden Anlagen werden wiederum auf deutsches Knowhow zurückgreifen. Schließlich ist Deutschland beispielsweise der aktuell größte Exporteur von Elektrolyseanlagen weltweit, heißt es in der Studie. Mehr synthetische Kraftstoffe würden aber vor allem der Autolobby entgegenkommen, schreibt Wenzel: „Damit würde der Zwang entfallen, gegen die Kundenwünsche auf Teufel komm raus Elektroautos in den Markt zu drücken“. „Klima gerettet, Autoindustrie gerettet es könnte alles so schön sein.“ Nur habe der Plan einen Haken: „Um genug synthetische Kraft- und Brennstoffe für den Verkehr, für Heizungen und industrielle Prozesse herzustellen, brauche man gigantische Mengen Ökostrom - und eine ganze Industrie, die damit Elektrolyse-Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff betreibt.“ Dies hat wiederum auch außerordentlich positive Effekte auf die deutsche Wirtschaft. „Deutschland bieten sich als Technologielieferant in einem wachsenden Weltmarkt für PtX (Power to X) bei Wertschöpfung und Beschäftigung Chancen“ so die Studie. Denn „unter Annahme der heutigen Beschäftigungsintensität würden insgesamt bis zu 470.800 Beschäftigungsverhältnisse in der deutschen Wirtschaft auf diese Weise zusätzlich hinzukommen. Etwa 175.000 Stellen würden auf direkte Beschäftigungseffekte entfallen, der Rest auf indirekte Effekte“

Um neue Technologien für alternative Antriebe und die Relevanz biogener Kraftstoffe beim Durchbruch der Erneuerbaren Energien im Verkehrssektor dreht sich auch die Konferenz „Die Energiewende auf die Straße bringen“ am 12. November in Berlin. Hochkarätige Gäste wie Dr. Simone Peter (Vorstandsvorsitzende der AEE und Präsidentin des Bundesverbands), Steffen Bilger (Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur), Florian Pronold (Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt) und Dr. Marie-Luise Wolff (BDEW-Präsidentin und Vorstandsvorsitzende ENTEGA AG) werden mit spannenden Vorträgen und einer Podiumsdiskussion durch die Veranstaltung führen. Der Eintritt ist kostenlos.

Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht.