Dr. Kati Görsch

Foto: DBFZDr. Kati Görsch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig und leitet die Arbeitsgruppe „Erneuerbare Kraftstoffe im Verkehr“. Die Themen der Arbeitsgruppe umfassen die Analyse von Technologien und Märkten für erneuerbare Kraftstoffe, die Identifikation geeigneter Anwendungsfelder sowie die Bewertung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der techno-ökonomischen Bewertung verschiedener Kraftstoffoptionen – insbesondere im Hinblick auf ihre Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Verkehrsträgern. Ergebnisse und Einschätzungen veröffentlicht das Team regelmäßig im Monitoringbericht „Erneuerbare Energien im Verkehr“, in Stellungnahmen und Hintergrundpapieren. So werden zum Beispiel im aktuellsten Hintergrundpapier verschiedene Szenarien zur THG-Quote vorgestellt, die im Zusammenhang mit dem neuen Referentenentwurf zur RED II betrachtet und mit den Klimazielen der Bundesregierung verglichen werden.

Ein zentrales Praxisprojekt des DBFZ ist die neue Pilotanlage für erneuerbares Methan, das als Kraftstoff im Schwerlast- und Schiffsverkehr eingesetzt werden kann. Die Pilotanlage, die vom Bundesverkehrsministerium gefördert wurde, dient nicht der industriellen Produktion, sondern der Demonstration und Weiterentwicklung technologischer Prozesse. Die modulare Anlage erlaubt es, unterschiedliche Prozesskombinationen zu erproben und Skalierungspotenziale zu bewerten. Für das Projektteam ist das Projekt ein wichtiger Baustein, um die Lücke zwischen Forschung, Praxis und Markteinführung zu schließen.

Der Fokus von Görsch liegt auf erneuerbaren Kraftstoffen für den Verkehrssektor – insbesondere Biokraftstoffen, die sie als einen wichtigen Baustein der Verkehrswende sieht. Vor allem im Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr. Gleichzeitig betont sie die Bedeutung klarer politischer Rahmenbedingungen, verlässlicher Datengrundlagen und wirksamer Kontrollmechanismen, um Fehlentwicklungen wie falsch deklarierte Importe zu verhindern.

Ihr Appell: Biokraftstoffe sollten gezielt dort eingesetzt werden, wo die Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt. Dafür brauche es Planungssicherheit, technologische Offenheit und die Bereitschaft, konkrete Lösungen zu fördern.

Im Gespräch mit der Agentur für Erneuerbare Energien ging Dr. Görsch auch auf zentrale Herausforderungen der Biokraftstoffpolitik ein:


Generell liegt der Anteil erneuerbarer Kraftstoffe im Verkehrssektor derzeit bei etwa sieben Prozent. Welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten fünf Jahren?   

Die Entwicklung bis 2030 hängt zum einen vom Markt ab, vor allem aber von den politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Für Biokraftstoffe ist dabei die überarbeitete Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) entscheidend, die 2023 verabschiedet wurde und Ziele bis 2030 vorgibt. Diese Vorgaben müssen allerdings noch in nationales Recht umgesetzt werden, das ist in Deutschland bislang nicht geschehen. Verzögerungen gab es unter anderem durch die vorzeitige Auflösung der Bundesregierung. 

Wir müssen abwarten, wie Deutschland die Vorgaben konkret umsetzt. Der Referentenentwurf, der Mitte Juni veröffentlicht wurde, wird derzeit gesichtet und kommentiert. Grundsätzlich stärkt die neue Richtlinie die Rolle erneuerbarer Energien, aber entscheidend ist, wie das hierzulande ausgestaltet wird.

Anmerkung der Redaktion:
Seit 2023 werden in Deutschland und der EU verstärkt sogenannte fortschrittliche Biokraftstoffe eingesetzt, um die gesetzlichen Quoten für Erneuerbare Energien im Verkehr zu erfüllen. Dabei kommt es bei Importen verstärkt zur Umdeklarierung von Biodiesel aus Palmöl als „fortschrittlicher" Biokraftstoff. Die Folge: Die gesetzlichen Biokraftstoffquoten werden übererfüllt mit fragwürdigen Rohstoffen, während gleichzeitig in Deutschland produzierte Biokraftstoffe vom Markt verdrängt werden.
Quelle: Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB)


Wie schätzen Sie den Bedarf an erneuerbaren Kraftstoffen im Straßen- und Schiffsverkehr nach 2030 ein? 

Für die Zeit nach 2030 ist klar: Bestandsfahrzeuge im Straßenverkehr wird es weiterhin geben, und diese brauchen erneuerbare Kraftstoffe wie Biokraftstoffe. Ohne sie lassen sich diese Fahrzeuge nicht klimafreundlich weiterbetreiben. Für Neufahrzeuge sollte der Fokus eindeutig auf der Elektrifizierung liegen – sowohl aus Gründen der Energieeffizienz als auch des Klimaschutzes. Dafür ist aber auch der flächendeckende Ausbau der Ladeinfrastruktur entscheidend. Nur, wenn beides Hand in Hand geht, wird das funktionieren. 

Anders sieht es beim Schiffsverkehr aus: Dort wird es auf absehbare Zeit nicht ohne erneuerbare Kraftstoffe gehen. Für kleinere Anwendungen – wie Fähren oder Binnenschiffe – ist eine Elektrifizierung in Einzelfällen schon möglich. Aber für große Hochseeschiffe bleibt der Weg über flüssige oder gasförmige Energieträger die realistische Option. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hat sich inzwischen ehrgeizige Klimaziele gesetzt, was zu begrüßen ist. Jetzt müssen aber auch die Kraftstoffe in der benötigten Menge verfügbar sein. Aktuell sehen wir vor allem Biodiesel als Beimischung, perspektivisch spielen auch erneuerbares Methanol, Bio-LNG und synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) eine Rolle. Ammoniak wird ebenfalls diskutiert, aber da ist noch offen, wie sich das technologisch und sicherheitstechnisch weiterentwickelt.

Fortschrittliche Biokraftstoffe werden in Deutschland besonders gefördert. Seit 2023 gibt es jedoch wachsenden Druck durch mutmaßlich falsch deklarierte oder gepanschte Importe – vor allem aus China. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? 

Ja, das ist aktuell ein ernstes Thema. Anfangs waren das nur Verdachtsfälle, inzwischen haben sich viele davon deutlich erhärtet. Das betrifft zum einen die Quotenregelung für fortschrittliche Biokraftstoffe, zum anderen auch das Thema Upstream Emission Reductions (UER) – also Emissionseinsparungen, die vor der eigentlichen Kraftstoffproduktion stattfinden. Dazu gibt es inzwischen auch eine fundierte Stellungnahme aus dem DBFZ, die das aufarbeitet. 

Was lässt sich daraus ableiten? Es zeigt sich ganz klar: Wenn Quoten eingeführt werden, braucht es auch robuste Kontrollmechanismen. Sonst steigt das Risiko für Missbrauch. Und genau das haben wir in den letzten zwei Jahren gesehen. Die aktuellen Fälle machen deutlich, dass Zertifizierungssysteme nur dann funktionieren, wenn:

•    die Prüfinstanzen gut aufgestellt sind,
•    sie verlässlich arbeiten dürfen,
•    und auch behördlicher Zugang zu den Produktionsanlagen besteht.

Letzteres ist in manchen Ländern schlicht nicht gegeben. Das untergräbt das Vertrauen in die ganze Regelung. Jetzt geht es darum, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen: bessere Kontrollen, verlässliche Standards und klare politische Regeln. Der Referentenentwurf zur nationalen Umsetzung der revidierten RED II adressiert unter anderem die Verpflichtung von Produzenten, behördliche Kontrollen zu ermöglichen.