Mythos #8: Sind Kernfusion und Mini-Reaktoren die Zukunft?
Nein! Fakt ist: Neue Atomkraftwerke bringen neue Risiken mit sich. Seit Jahrzehnten fließt viel Geld in die Atomforschung, ohne konkrete Lösungen zur Sicherheit und Endlagerung.
Weltweit, auch in Deutschland, wird weiterhin intensiv im Bereich der Atomenergie geforscht. Die Mitgliedstaaten der Internationalen Energieagentur IEA steckten von 1974 bis 2019 fast 300 Milliarden US-Dollar in die Kernenergieforschung, während die staatlichen Forschungsausgaben für Erneuerbare Energien lediglich 80 Milliarden US-Dollar betrugen. Zwar ist der Anteil der F&E-Ausgaben für die Atomenergie an der gesamten Energieforschung im Lauf der Zeit gesunken, lag jedoch im Jahr 2019 immer noch bei 21 Prozent und damit sechs Prozentpunkte höher als die Forschungsausgaben für Erneuerbare Energien. Das Missverhältnis der Ausgaben zeigt sich besonders an der installierten Kraftwerksleistung. Seit 1974 gingen jährlich im Mittel 4,7 Gigawatt Atomkraft an den Start, während allein im Jahr 2019 rund 184 Gigawatt und im Jahr 2021 sogar 314,5 Gigawatt Erneuerbare-Energie-Kapazität neu installiert wurde.
In Europa erfolgt eine Zusammenarbeit und Koordinierung der Atomforschung im Rahmen von Euratom, der Europäischen Atomgemeinschaft. Euratom wurde 1957 gegründet und hat die Aufgabe, die zivile Atomwirtschaft in der EU zu kontrollieren und die Kernforschung und -technik zu fördern. Der Euratom-Vertrag soll die Forschungsprogramme der Staaten für die Nutzung der Kernenergie koordinieren und dazu beitragen, dass Wissen und Infrastrukturen gemeinsam genutzt werden. Er verpflichtet die Mitgliedsstaaten auch, die entsprechenden Finanzmittel bereitzustellen. Angesichts der Risiken der Atomenergie stehen vor allem Sicherheitsfragen bzw. der Gesundheitsschutz im Fokus. In Deutschland konzentriert sich die Nuklearforschung heute auf die Gebiete Reaktorsicherheit, Zwischenlagerung und Behandlung hochradioaktiver Abfälle, Endlagerung sowie Querschnittsfragen. Von den insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro, die die Bundesregierung im Jahr 2021 für die Energieforschung ausweist, entfallen rund 52 Millionen Euro auf Forschungsprojekte im Bereich Reaktorsicherheit sowie 70 Millionen Euro auf institutionelle Förderung in den Bereichen nukleare Entsorgung, Sicherheit und Strahlenforschung sowie Kernfusion.
Der Traum von der unendlich verfügbaren, klimaneutralen Energiequelle befeuert die Forschung zur Kernfusion schon seit etwa 50 Jahren. In Europa gibt es zwei Projekte, JET in England und ITER in Südfrankreich. Der Fusionsreaktor ITER ist schon seit über 30 Jahren in Planung, seit 2008 im Bau und soll 2035 in den Demonstrationsbetrieb gehen. Ein kommerzieller Betrieb von Kernfusionsreaktoren ist also mindestens in weiter Ferne, wenn es überhaupt gelingt. So schildert es auch Jörg Müller, Vorstandsvorsitzender der ENERTRAG SE, in unserem Video-Interview.
Das Konzept der kleinen modularen Reaktoren (Small Modular Reactors, SMR) ist nicht wirklich neu. In der Vergangenheit hat man sich aus Sicherheitsgründen dafür entschieden, lieber auf eine geringere Anzahl großer Atomkraftwerke zu setzen. Der Physiker Harald Lesch schildert anschaulich Vor- und Nachteile der SMR und kommt zu dem Schluss: „Diese Form von Rettung gegen den Klimawandel läuft Gefahr, vom Klimawandel überholt zu werden”.
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