Energie-Kommune des Monats: Wülknitz
Januar 2016
Erstes genossenschaftliches Bürgerwindrad Sachsens ist seit Dezember 2015 in Wülknitz im Kreis Meißen in Betrieb
Die Anlage entstand auf der Fläche des Windparks Streumen-Glaubitz am Rand der 1.700-Einwohner-Gemeinde und ersetzte dort eine alte Windenergieanlage. Mit einer Nabenhöhe von 135 Metern, einem Rotorblattdurchmesser von 100 Metern und einer Leistung von 3,05 Megawatt kann diese Binnenlandanlage einen 8- bis 9-mal höheren Stromertrag als die bisherige Anlage erreichen. In ihrem ersten Monat am Stromnetz hat die Anlage schon 883.000 Kilowattstunden eingespeist – so viel wie die alte Anlage in einem Jahr erzeugte.
Die Idee zum Bürgerwindrad hatte der ehrenamtliche Bürgermeister Hannes Clauß. Denn bisher hatten die Bürger*innen der Gemeinde Wülknitz die Windenergieanlagen des nahen Windparks zwar vor Augen, finanziell allerdings kaum Vorteile. Dennoch war die Akzeptanz des Parks hoch. Mit der Idee des Bürgerwindrades, an dem sich die Bürger*innen auch finanziell beteiligen können, ging Bürgermeister Clauß 2013 auf die im selben Jahr von Dresdnern und Altenbergern gegründete Energiegenossenschaft „Neue Energien Ostsachsen eG“ (egNEOS) zu. Zu diesem Zeitpunkt gab es im hiesigen Park die Möglichkeit, alte Anlagen gegen neue auszutauschen – also eine in Sachsen seltene Gelegenheit, neue Kapazitäten aufzubauen. Denn bis 2014 war der politische Rahmen für Windenergieanlagen sehr restriktiv ausgestaltet, so dass zwischen 2011 und 2015 nie mehr als 15 neue Anlagen pro Jahr errichtet wurden. Da nur 0,2 Prozent der Landesfläche zur Nutzung von Windenergie ausgewiesen sind, ist das sogenannte Repowering, also den Ersatz älterer Anlagen durch Neuanlagen, bisher die einzige Möglichkeit, neue Kapazitäten zu schaffen.
Bürgerneister überzeugt Bürger*innen vom Windenergieprojekt
Im März 2015 stellten Bürgermeister und Genossenschaftsmitglieder*innen gemeinsam die Idee des Bürgerwindrades im Gemeinderat vor und stießen auf das Interesse der Anwesenden. Schließlich kam es zur Verwirklichung des Projektes durch die Energiegenossenschaft. „Mein Ziel war es, mit Hilfe einer Energiegenossenschaft dafür zu sorgen, einen Teil des erwirtschafteten Mehrwerts in der Region zu halten“, sagt Bürgermeister Clauß.
Erbaut wurde das Bürgerwindrad mithilfe regionaler Firmen. Jan Stoye, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft, erinnert sich an die erste Baustellenbegehung mit den Bürgern der Gemeinde. „Damals kamen sehr viele Menschen, um sich die Baustelle anzusehen – die Resonanz war sehr groß.“ Die Bürger*innen hatten zwar schon seit 1999 neben dem Windpark gewohnt, allerdings erst mit dem Bürgerwindrad die Möglichkeit gehabt, ein solches Bauvorhaben aus der Nähe zu betrachten. „So entsteht eine Bindung zwischen den Bürger*innen und dem Projekt“, beschreibt Stoye seine Erfahrung.
Die Baukosten für das Windrad von rund fünf Millionen Euro hat die Energiegenossenschaft über zwei Wege aufgebracht: Zum einen über ein kurzfristiges Bankdarlehen, zum anderen über Anteile, mit denen sich Bürger*innen direkt an der Anlage und der Genossenschaft beteiligen können. „Insbesondere Bürger*innen der Orte, die in der Nachbarschaft des Windrades leben, haben dadurch eine Möglichkeit erhalten, Miteigentümer*innen der Anlage zu werden und somit auch an ihrem Ertrag zu partizipieren“, betont Stoye. Wer sich an dem Windrad beteiligt, erwirbt einen sogenannten Baustein zu 500 oder 1.000 Euro. 20 Prozent des Bausteins dienen dem Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu je 50 Euro. Mit den übrigen 80 Prozent der Summe stellt das neue Mitglied der Genossenschaft ein nachrangiges Darlehen zur Verfügung. Das Darlehen hat entweder eine Laufzeit von 10 oder 20 Jahren und damit eine feste Verzinsung von 2,5 oder 3,5 Prozent. „Durch eine direkte Geldeinlage können sich die Bürger*innen vor Ort aktiv für die Energiewende engagieren“, betont Bürgermeister Clauß. „Weil sie vor Ort die Gelegenheit haben, sich am Windrad zu beteiligen, ist die Akzeptanz für die Anlage hoch.“ Die Anzahl der Mitglieder der Energiegenossenschaft ist mittlerweile auf 112 angestiegen.
Der Plan, die Finanzierung so aufzustellen, entstand durch den Austausch mit anderen Energiegenossenschaften wie der aus Starkenburg, die schon Erfahrungen mit Bürgerwindkraftanlagen in Hessen hatten. „Im Austausch mit anderen haben wir eine große Offenheit kennengelernt und auf unsere Ideen und Fragen schnell konstruktives Feedback bekommen“, erinnert sich Genossenschaftsvorstand Stoye. „Der Austausch mit anderen ist ein großer Vorteil, da in Sachsen selbst kaum Erfahrungen mit Bürgerwindenergie vorhanden sind. Wir sind nun sehr stolz, dass das erste Bürgerwindrad Sachsens errichtet und damit in Zeichen ist dafür, dass Bürgerenergie vor Ort etwas bewegen kann.“
Und obwohl das Windrad jetzt in Betrieb ist, ist es auch noch im Jahr 2016 möglich, sich am Projekt zu beteiligen. Finden sich noch mehr Genossenschaftsmitglieder, kann so schon im Jahr 2016 ein großer Teil des Bankkredites abgelöst werden.
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