Energie-Kommune des Monats: Wörrstadt

September 2015

Der Verbandsgemeinde Wörrstadt im Landkreis Alzey-Worms in Rheinland-Pfalz gehören die Stadt Wörrstadt sowie zwölf eigenständige Ortsgemeinden an. Hier leben insgesamt 28.000 Bürger*innen. Sie verbrauchen im Jahr 84,8 Millionen Kilowattstunden Strom und 150 Millionen Kilowattstunden Wärme. Dieser Energiebedarf für Privathaushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen soll bis 2017 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien innerhalb der Verbandsgemeinde erzeugt werden. Das ist das ehrgeizige Ziel, dass der Verbandsgemeinderat im Oktober 2012 vorgegeben hat.

Zur Erreichung dieses Ziels setzt die Verbandsgemeinde Wörrstadt auf eine Vielzahl an Instrumenten, wie die Erarbeitung und Umsetzung eines Klimaschutzkonzeptes oder die Einbindung lokaler Akteure. Mithilfe eines vielfältigen Instrumentenmixes stellt die Verbandsgemeinde die eigene Energieversorgung auf Erneuerbare Energien um.

2012 erarbeitete die Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Transferstelle Bingen ein Integriertes Klimaschutzkonzept, dessen Erstellung mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unterstützt wurde. Es soll den Akteuren vor Ort - insbesondere den politischen Gremien und der Verwaltung - helfen, auf dem Weg hin zu einer klimafreundlichen Energieversorgung weitere richtungweisende Entscheidungen zu treffen und Projekte anzugehen. Im Jahr der Fertigstellung des Konzeptes war klar, dass die vor Ort installierten Erneuerbare-Energien-Anlagen bereits ausreichten, um den Strombedarf der Gemeinde bilanziell zu 100 Prozent zu decken. Der Gemeinderat leitet daraus das Ziel ab, die Energieversorgung bis 2017 vollständig auf Erneuerbare umzustellen. Dafür kommen in Wörrstadt viele Instrumente zum Einsatz, die seit 2015 von einer Klimaschutzmanagerin koordiniert werden.

„Kommunen sind zentrale Akteure bei der Umsetzung der Energiewende in Deutschland. Indem wir unser lokales Klimaschutzkonzept umsetzen, gestalten wir die Energiewende vor Ort“, so die Klimaschutzmanagerin der Verbandsgemeinde, Daria Paluch. „Um unserer Vorbildfunktion gerecht zu werden, setzt die Verbandsgemeinde zum Beispiel auf ein energieeffizientes Energiemanagement in unseren eigenen Liegenschaften. Hierzu wurde speziell ein Klimaschutzteilkonzept erarbeitet. Derzeit arbeiten mehrere Mitarbeiter*innen an der Etablierung dieses Energiemanagements.“

Stromerzeugung aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien

Zu dem Instrumentenmix der Verbandsgemeinde Wörrstadt gehört auch der Mix unterschiedlicher Erneuerbarer Energien. Vor Ort kommen Windenergie, Solarenergie und Biomasse zum Einsatz, um Strom und Wärme klimafreundlich zu erzeugen.

Konstante Wassertemperatur im Freibad dank Solarthermie

Während die Wassertemperatur für die Freibadsaison eine bedeutsame Rolle spielt, sind Erneuerbare Energien ein wichtiger Baustein für die nachhaltige Bewirtschaftung von städtischen Freibädern. Auf dem Dach des Betriebsgebäudes des Wörrstadter Freibades ist eine Solarthermieanlage installiert. Sie nutzt die Kraft der Sonne, um das Beckenwasser zu erwärmen und angenehme Wassertemperaturen zu erreichen. Die Anlage läuft nicht nur am Anfang und am Ende der Saison. Jeden Tag werden dem Schwimmbecken 20 bis 30 Kubikmeter Wasser neu zugeführt. Weil das neuzuzuführende Wasser eine Ausgangstemperatur von neun bis zehn 10 Grad Celsius hat, wird es je nach Außentemperatur erwärmt, um die Beckentemperatur konstant zu halten. Ohne Solarthermieanlage müsste dafür eine herkömmliche Heizung zum Einsatz kommen. Die Solaranlage existiert schon seit 1988/89, wurde aber in der Wintersaison 2009/2010 generalüberholt. Ihre 600 Quadratmeter große Absorberflächen erzeugen im Jahr rund 133.000 Kilowattstunden Wärme. Würde für dafür eine Ölheizung eingesetzt werden, läge die Ölrechnung der Gemeinde in der Saison 2015 um 8.900 Euro höher.

Windenergie

Die Windparks in den Ortsgemeinden Gabsheim, Schornsheim, Spiesheim, Udenheim und Wörrstadt verfügen insgesamt über 28 Windräder mit einer Gesamtleistung von 59 Megawatt. Sie erzeugen so viel klimafreundlichen Strom, wie 43.300 Haushalte in einem Jahr verbrauchen. Eine der Anlagen, die 2012 vom hiesigen Projektierer juwi errichtet wurde, hat die Verbandsgemeinde für die Versorgung kommunaler Liegenschaften erworben. Sie wird über einen Kommunalkredit mit einer Laufzeit von 20 Jahren finanziert. Vom Projektierer wurde der Gemeinde ein fester Stromertragskorridor garantiert. „Mit einem Windrad im Besitz der Gemeinde bleiben nicht nur Pacht und Steuern, sondern auch die Erträge in der Kommune“, so Bürgermeister Markus Conrad.

Photovoltaik

Die Kraft der Sonne nutzen die Wörrstädter seit 2007, um Strom zu erzeugen. Die vor Ort installierte Gesamtleistung beträgt im Sommer 2015 rund 391 Kilowatt. Mit dieser Leistung können jährlich rund 391.000 Kilowattstunden Strom erzeugt und knapp 213.000 Kilogramm Kohlendioxid eingespart werden.

Im Rahmen der im Jahr 2000 initiierten Lokalen Agenda 21 entstand die Idee, auf Dächern von gemeindeeigenen Liegenschaften Photovoltaikanlagen als Bürgergemeinschaftsanlagen zu betreiben. Die erste ging im März 2007 in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und damit vollständig im Besitz von Bürger*innen in Betreib.

Die Verbandsgemeinde hat die Dächer ihrer öffentlichen Liegenschaften für die Bebauung mit Photovoltaikanlagen freigegeben. So kommt es, dass die Dächer von unterschiedlichen Akteuren genutzt werden: Auf dem Dach der Feuerwehr Wörrstadt, der Kläranlage Saulheim, des Dorfgemeinschaftshauses Armsheim und des Bürgerhauses Saulheim sind es Anlagen der Gemeinde, auf den Dächern der Kulturhalle Sulzheim, der Grundschule Partenheim und der Verbandsgemeindeverwaltung werden die Anlagen von einer Beteiligungsgesellschaft aus mehreren Bürger*innen betrieben. Die Photovoltaikmodule auf den Dächern der Grundschule Wörrstadt, der Schulsporthalle Saulheim, der Wiesbachtalhalle Armsheim sowie der Sportanlagen Partenheim und Saulheim sind private Anlagen.

Die Gemeinde profitiert so von den Einspeisevergütungen für eigene PV-Anlagen und von der Verpachtung von Dachflächen für PV-Anlagen.

Energie aus Bürgerhand

Die guten Erfahrungen der ersten Bürgersolaranlage im Jahr 2007 führten dazu, dass engagierte Bürger*innen eine Energiegenossenschaft gründeten. Ziel der Genossenschaft ist es, jeder Bürgerin und jedem Bürger eine Beteiligung an der Errichtung und dem Betreib von Erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Die Genossenschaftsmitglieder haben sich 2013 am Repowering des rheinhessischen Windparks in Framersheim beteiligt. An einem bewährten Wind-Standort wurden drei alte Anlagen von 1998 mit je 1 Megawatt gegen zwei neue Anlagen mit je 3,4 Megawatt Leistung ausgetauscht. Seit 2015 wird ein weiteres Bürgerwindrad geplant. Wenn genügend Bürger*innen Interesse haben, hier Eigenkapital zu investieren, soll eine 3,8-Megawatt-Anlage errichtet werden.

Klärwerk erzeugt Strom und Wärme

Die Verbandsgemeinde Wörrstadt betreibt zur Reinigung des kommunalen Abwassers der Ortsgemeinden Saulheim und Udenheim sowie der Stadt Wörrstadt die mechanisch-biologische Kläranlage in Saulheim. Sie ist für 30.000 Einwohner ausgelegt.

Die Kläranlage Saulheim versorgt sich zu großen Teilen selbst mit Energie. Möglich ist das durch die im Jahr 2014 in Betrieb genommene Klärschlammfaulungsanlage, die ein Zwischenpumpwerk, ein Vorklärbecken, einen Rohschlammbehälter, einen Co-Subtratbehälter für Weinbauabwässer, zwei Faulbehälter, einen Gasspeicher und ein Technikgebäude für die Pumpanlagen, Heizung, Wärmetauscher und ein Blockheizkraftwerk umfasst. Nun entsteht in der Anlage aus Klärschlamm Faulgas, das mittels eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) in Strom und Wärme umgewandelt wird. Das BHKW erzeugt im Jahr 370.000 Kilowattstunden Strom, also rund 50 Prozent des Energiebedarfs der Kläranlage. Die gewonnen Abwärme des Blockheizkraftwerkes wird zu zwei Dritteln für den Faulungsprozess benötigt. Das restliche Drittel wird als Heizwärme für die Gebäude der Kläranlage verwendet.

Die Investitionskosten beliefen sich auf 3,1 Millionen Euro. Das Land fördere die Maßnahme mit einem zinslosen Darlehen in Höhe von 749.200 Euro.

Eigene Organisationsformen für die lokale Energiewende

Um die Kräfte vor Ort zu bündeln, gründete die Verbandsgemeinde im Jahr 2012 zusammen mit allen Ortsgemeinden (Ausnahme: Stadt Wörrstadt) den Energie- und Servicebetrieb Wörrstadt als eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts. Dieser Energie- und Servicebetrieb Wörrstadt betreibt seitdem die bestehenden Energieerzeugungsanlagen. Außerdem kümmert sie sich um Ausgleichsflächenmanagement und Leitungsnetze. Sie ist auch für die Vergabe der Netz-Konzessionen verantwortlich. Bei der fälligen Neuvergabe der Konzession des Stromnetzes im Jahr 2013 war ein wesentlicher Entscheidungspunkt für die Gemeinden, dass die Bewerber*innen eine Beteiligungsmöglichkeit der Gemeinden am Stromnetz anboten. Die Entscheidung fiel zugunsten des Energieversorgers EWR. Im Rahmen der Konzessionsvergabe haben EWR und der Energie- und Servicebetrieb Wörrstadt eine Stromnetzgesellschaft gegründet. Beide Gründer halten jeweils 50 Prozent der Anteile der Gesellschaft. Die EWR Netz GmbH ist Betriebsführer der Netze und somit Ansprechpartner für alle Stromkunden. Über die Beteiligung an der Netzgesellschaft erhalten die Gemeinden Konzessionsabgaben und, falls erwirtschaftet, die jährlichen Überschüsse aus den Einnahmen durch die Verpachtung der Netze und auch zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen, welche die Gesellschaft in der Verbandsgemeinde zahlt.

Beratungen vor Ort für die individuelle Energiewende

Um das Ziel von 100 Prozent Erneuerbare Energien zu erreichen, ist auch weiterhin das Engagement jedes Einzelnen gefragt. Gerade was die Bereiche Wärme und Verkehr angeht. Aus diesem Grund gibt es für jeden in der Verbandsgemeinde die Möglichkeit, kostenlos an einer Energieberatung teilzunehmen. Jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat beraten Diplomingenieure der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz alle Ratsuchenden in den Räumen der Verbandsgemeindeverwaltung Wörrstadt. Außerdem tagt regelmäßig ein Energietisch, zu dem externe Referentinnen und Referenten geladen werden.

2015 hat die Verbandsgemeinde das erste Klimafest gefeiert und parallel dazu die Aktion „Wer besitzt den ältesten Kühlschrank?“ vorgestellt. Bis Ende 2015 können sich Einwohner der Verbandsgemeinde Wörrstadt, mit Angabe des Baujahrs, um einen neuen Kühlschrank bewerben. Für 2016 plant die Verbandsgemeinde bereits weitere Aktionen, zum Beispiel eine Aktion zu Heizungspumpentausch.