Energie-Kommune des Monats: Stadt Salzgitter
September 2022
Das im nördlichen Harzvorland gelegene Salzgitter ist Niedersachsens drittgrößter Industriestandort und von Ansiedlungen großer Unternehmen geprägt. Um auch in der Zukunft die Wertschöpfung in der Regiopolregion im Südosten des Landes zu halten, stößt die Stadt in Zusammenarbeit mit den Unternehmen der Region zahlreiche Projekte an. Gebündelt wird das Know-how der Industriestadt im Wasserstoff Campus Salzgitter, der seit 2021 Projekte zur Entwicklung neuer Wasserstofftechnologien realisiert. Partner aus Wissenschaft, Industrie und Politik arbeiten zusammen, um ökonomische mit ökologischen Aspekten zu verbinden und die Dekarbonisierung großindustrieller Anlagen voranzutreiben. Vor dem Hintergrund aktueller energetischer Unsicherheiten zeigt sich, dass eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft nicht nur das Klima schützt, sondern unmittelbar auch den Wohlstand der Region sichert. Gleichzeitig investiert die Stadt in die Energie- und Wärmewende sowie in die Klimabildung.
Stadt fördert Klimaschutz und Klimabildung
2014 fiel mit der Verabschiedung des Klimaschutzkonzeptes der Startschuss für einen Strauß an Maßnahmen, die unter der Leitung von Jan Holzenbecher, dem städtischen Klimaschutzmanager, umgesetzt werden. Seit 2015 koordiniert er Maßnahmen wie den Ausbau des Fernwärmenetzes, das mit circa 50 Kilometer Länge über 6.000 Wohnungen, Schulen und andere Gebäudekomplexe mit industrieller Abwärme versorgt.
Im Neubau und Bestand geht die Stadt als Vorbild voran. So werden neu zu errichtende Gebäude ohne die Nutzung fossiler Energieträger bewirtschaftet: Aktuell wird im Stadtgebiet der Neubau von zwei Schulen und drei Kitas geplant. Alle fünf Gebäude werden von Beginn an mit Wärmepumpen sowie Photovoltaikanlagen ausgerüstet. Für alle bereits existierenden städtischen Gebäude wurden Sanierungsfahrpläne erstellt, die jetzt sukzessive umgesetzt werden. Die Verwaltung nutzt so die Energie- und Wärmewende als Chance, vorhandene Infrastruktur wie bei der Dekarbonisierung städtischer Gebäude oder der Umstellung des städtischen Fuhrparks auf klimaneutrale Antriebe zu erneuern. Für letzteres wird gerade ein Konzept mit einem Fokus auf nachhaltiger Mobilität erstellt. Gleichzeitig wird im nächsten Jahr das mittlerweile fast zehn Jahre alte Klimaschutzkonzept fortgeschrieben und den aktuellen Entwicklungen angepasst.
Genauso entscheidend für ein Gelingen der energetischen Transformation sind die Bürger*innen der Stadt. Deshalb werden Privathaushalte mittels zahlreicher Angebote über ihre eigenen Möglichkeiten im Rahmen an der Energiewende informiert. Die Stadt spricht zudem direkt das Handwerk an. Seit 2013 werden die Energietage Salzgitter alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer organisiert. Mit Schulungs- sowie Weiterbildungsmöglichkeiten und der Chance zur Vernetzung werden die Handwerker*innen dort fit für die Zukunft gemacht. Mit Maßnahmen wie dem ‚Planspiel Plenergy‘ werden Schüler*innen motiviert, die Energiewende aktiv mitzugestalten. Das Projekt der Klimaschutzagentur Region Hannover besucht Salzgitter noch in diesem Jahr. An den drei Projekttagen werden teilnehmende Schulklassen spielerisch für die Herausforderungen des Klimawandels sensibilisiert und lernen im Planspiel, wie Klimaschutz kommunal umgesetzt werden kann. Anfang November 2022 können sich die Schüler*innen des Gymnasiums Salzgitter-Bad an der Gestaltung eigener Klimapolitik versuchen.
Der Wasserstoff Campus bringt alle Stakeholder an einen Tisch
Mit seiner Kombination aus Großindustrie, Wissenschaft sowie Politik bietet der Wasserstoff Campus Salzgitter ideale Voraussetzungen für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Der auf dem Gelände der Robert Bosch Elektronik GmbH gelegene Campus wird so zum Inkubator für innovative Projekte. Durch den Aufbau einer leistungsfähigen Produktion und Verarbeitung von Wasserstoff kann sich Salzgitter zur Modellregion für eine erfolgreiche Transformation von Industrie, Mobilität und Gesellschaft zur Klimaneutralität entwickeln. Oberbürgermeister Frank Klingebiel betont: „Gerade die aktuell stark gestiegenen Energiepreise zeigen uns, dass wir als Industriestadt die Transformation hin zu klimaschonenden Produktionsverfahren und Antriebstechniken fördern müssen.“ Nur so könne der Standort Salzgitter für die kommenden Jahrzehnte wirtschaftsfähig aufgestellt, Arbeitsplätze hier gesichert und „unser Teil für den Klimaschutz“ geleistet werden. „Deswegen wollen wir Unternehmen und Start-ups, die in diesem Bereich arbeiten, ermutigen, sich in Salzgitter anzusiedeln.“ Der Campus dient als idealer Ausgangspunkt dafür. Von der Nutzung Erneuerbarer Energien zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, der Entwicklung neuer Speichertechnologien, der Konzipierung CO2-neutraler Fabriken mit grünem Wasserstoff bis hin zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften ist alles dabei. Damit bietet die Stadtverwaltung als Initiatorin des Campus eine Plattform, um Stakeholder*innen aus der Region zusammenzubringen. Die Verwaltung fördert dort insbesondere die Vernetzung zwischen Forschung und Industrie zur Bevölkerung und stellt Kontakte zu wichtigen Genehmigungsbehörden für die Infrastrukturplanungen her. So können neue Ideen schnell konzipiert und wegen des vorhandenen Know-hows zügig umgesetzt werden.
Low Carbon Steelmaking made in Salzgitter – Projekt SALCOS kann CO2-Emissionen um über 95 Prozent senken
Im innovativen Projekt ‚Salzgitter Low CO2 Steelmaking (SALCOS) wird die Vereinbarkeit der industriellen Stahlproduktion mit den Klimazielen durch die geplante Umstellung des Hüttenwerks in Salzgitter demonstriert. Denn obwohl der Standort Salzgitter zu den weltweit effizientesten gehört, fallen allein im Hüttenwerk der Salzgitter AG jährlich acht Millionen Tonnen CO2 an. Durch die im Projekt geplante Umstellung der Produktion auf Direktreduktionsanlagen kann Wasserstoff den bisher zur Stahlherstellung benötigten Kohlenstoff komplett ersetzten und dadurch die CO2-Emissionen um über 95 Prozent senken. Diese Einsparung entspräche etwa einem Prozent der gesamten deutschen jährlichen CO2-Emissionen. Bis 2033 soll das integrierte Hüttenwerk in drei Stufen umgebaut werden und auf eine CO2-arme Rohstahlproduktion umgestellt werden. Dafür wurden zuletzt im Juli vom Aufsichtsrat der Salzgitter AG Eigenmittel in Höhe von 723 Millionen Euro für die erste Ausbaustufe freigeben. Weitere Unterstützung erhält das Projekt vom Bund und vom Land Niedersachsen. Hier wurden bereits entsprechende Förderanträge eingereicht. Deren finale Freigabe steht aber noch aus. Praxisnahe Erfahrungen mit der vor-Ort-Produktion von Wasserstoff und dessen Einbindung in ein integriertes Hüttenwerk werden bereits im Teilprojekt Windwasserstoff Salzgitter – WindH2 – gesammelt. Dafür wurden sieben Windenergieanlagen mit einer Gesamtkapazität von 30 Megawatt sowie eine Elektrolyseanlage im industriellen Maßstab auf dem Konzerngelände errichtet. Drei der Windräder stehen direkt auf dem Areal des Hüttenwerks.
Während öffentliche Projektförderungen noch auf sich warten lassen, stehen die regionalen Entscheider*innen hinter dem Projekt. „Salzgitter ist Niedersachsens drittgrößter Industriestandort“ hebt Oberbürgermeister Klingebiel hervor. Industrie brauche Energie und gerade deswegen spiele die Energie- und Wärmewende eine enorm wichtige Rolle. Er führt weiter aus: „Unser gemeinsames Ziel ist der Aufbau einer Modell- bzw. Leuchtturmregion für die Dekarbonisierung der Industrie mit grünem Wasserstoff, die bundes- und europaweit wahrgenommen wird.“ Nach aktuellem Stand ist Salzgitter auf dem besten Weg dahin.
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