Energie-Kommune des Monats: Stadt Ludwigshafen am Rhein

Mai 2024

Mit etwa 175.000 Einwohner*innen ist Ludwigshafen am Rhein die größte Stadt der Pfalz. Im Länderdreieck Rheinland-Pfalz/Baden-Württemberg/Hessen sitzen viele Schwergewichte verschiedenster Wirtschaftsbranchen. Das Ludwigshafener Stadtbild etwa ist geprägt vom Chemie-Riesen BASF. Das vor 160 Jahren als Badische Anilin- & Soda-Fabrik gegründete Unternehmen beschäftigt heute allein am hiesigen, zehn Quadratkilometer großen Standort knapp 40.000 Mitarbeitende und hat eine entsprechende Gewichtung bei der Entwicklung von Stadt und Region – in der Vergangenheit wie auch heute und in Zukunft. Um dieser großen Verantwortung gerecht zu werden und sich auch weiterhin am internationalen Markt behaupten zu können, bedarf es unter anderem einer Transformation des Energiesystems der gesamten Stadt.

Fernheizkraftwerk imit Anschluss an das Gemeinschafts-Müllheizkraftwerk Ludwigshafen (Foto: TWL AG)Als Großstadt muss Ludwigshafen bis Mitte des Jahres 2026 einen kommunalen Wärmeplan erstellen. Die Verwaltung begann damit bereits mehrere Monate vor dem Gesetzesbeschluss, der dies zur Pflicht macht. Dabei arbeitet die Stadt wie bei so vielen Projekten mit ihrer Tochtergesellschaft, den Technischen Werken Ludwigshafen (TWL), zusammen. Als Stadtwerke können die TWL wichtige Daten zu Energieformen, -bedarf und -potenzialen bereitstellen und auch das künftige lokale Energiesystem prognostizieren. Fernwärme soll beispielsweise bis 2045 die Hälfte der Haushalte im Stadtgebiet mit klimafreundlicher Ab-, Erd- und Umweltwärme versorgen. Aktuell erreicht das unter anderem aus Müllverbrennung, Abwärme und Biogas gespeiste Netz nur jedes fünfte Haus. Konventionelle und kalte Nahwärme könnten dabei Teil der Ludwigshafener Energieinfrastruktur werden. Hierfür prüfen die TWL zurzeit weitere Abwärme- und zusätzlich geothermische Potenziale sowie den Einsatz von Großwärmepumpen, um diese effizient heben zu können. Erklärtes Ziel der Stadtverwaltung in diesem Prozess ist eine transparente Information der Bürger*innen und ansässigen Unternehmen sowie die Möglichkeit des Dialogs, um Bedarfe möglichst genau darstellen zu können.

Seit 2022 koordiniert die neu eingerichtete Stabsstelle Klimaschutz die Klimaschutzmaßnahmen der Stadt, zu denen auch der kommunale Wärmeplan zählt. Um den Treibhausgasausstoß der Stadt Stück für Stück zu reduzieren, arbeitet das Rathaus zudem an der Steigerung der Energieeffizienz öffentlicher Bestandsgebäude sowie entsprechenden Planungen für Sanierungen und Neubauten. Die Stadtverwaltung erstellte beispielsweise eine Richtlinie zur klimaneutralen oder sogar klimapositiven Gestaltung kommunaler Gebäude, etwa durch den Einsatz von Photovoltaik (PV) und thermischen Solaranlagen. PV-Anlagen auf Dächern und Freiflächen öffentlicher Liegenschaften speisen heute schon rund 3.700 Megawattstunden (MWh) pro Jahr ins Netz ein und werden unter anderem für die Straßen- und Hallenbeleuchtung genutzt. Private Haushalte eingerechnet potenziert sich dieser Wert um das Zehnfache, ausgehend von einer Gesamtbruttoleistung von rund 38 Megawatt-Peak (MWp).

Ein Masterplan soll die Verkehrswende einleiten

Foto: Stadt Ludwigshafen am RheinAuch über die Stadtgrenzen hinaus gibt es zukunftsweisende Projekte und Konzepte. Hier ist besonders der Masterplan Green City von 2018 zu nennen, der gemeinsam von den drei benachbarten Städten Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg erarbeitet wurde. Diese bilden als einzige Großstädte gleichzeitig auch geografisch das Zentrum der Metropolregion Rhein-Neckar und haben im Verbund daher eine besondere Strahlkraft. Der Masterplan umfasst die „Handlungsschwerpunkte Digitalisierung, Elektrifizierung des Verkehrs, intelligente Vernetzung des ÖPNV, die Förderung des Radverkehrs sowie die Weiterentwicklung der urbanen Logistik“. Dazu zählen die Beschaffung emissionsarmer Busse, die Steigerung der Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel als Alternative zum motorisierten Individualverkehr, der Ausbau der Fahrradinfrastruktur mit dem langfristigen Ziel eines Radverkehrsanteils von 20 Prozent sowie Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität.

Foto: Stadt Ludwigshafen / Martin HartmannIm Bereich E-Mobilität zeigt die Stadtverwaltung selbst, wie es gehen kann: Die Umrüstung des kommunalen Fuhrparks auf E-Pkw, E-Lastenfahrräder und Pedelecs sowie die Installation eigener Ladepunkte in Zusammenarbeit mit den TWL waren nur der Auftakt für den schrittweisen Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur, um die Mobilität in der Stadt umweltfreundlicher und emissionsärmer zu gestalten. In Ludwigshafen verkehrt zudem ein Müllfahrzeug mit Wasserstoffantrieb.

Erneuerbare Energien für die Chemieproduktion

Die Chemieindustrie hatte im Jahr 2022 einen Anteil von etwa acht Prozent am gesamtdeutschen Energieverbrauch. Dass hier bisher vor allem fossile Energieträger genutzt werden, liegt allerdings auch daran, dass diese einerseits als Brennstoffe, andererseits aber ebenso als Rohmaterial verschiedenster Produkte zum Einsatz kommen. Der Umstieg auf Erneuerbare Energien stellt die energieintensive Branche also vor eine große Herausforderung, bietet gleichzeitig aber auch ein hohes Einsparpotenzial. Um diesen Kraftakt zu bewältigen, müssen in Ludwigshafen die Stadtverwaltung, Stadtwerke der Region, BASF und Partnerunternehmen Hand in Hand arbeiten. Dadurch ergeben sich auch Synergien.

Foto: Stadt Ludwigshafen / Martin Hartmann

BASF selbst strebt die Klimaneutralität bis 2050 an. Um den Treibhausgasausstoß zu reduzieren, setzen die Verantwortlichen vor allem auf die Elektrifizierung der Produktion und den Einsatz erneuerbarer Energiequellen. Das gilt beispielsweise für das sogenannte Steamcracking, bei dem auf mehrere 100 Grad Celsius erhitzter Wasserdampf langkettige in kurzkettige Kohlenwasserstoffe spaltet, um Basischemikalien herzustellen. Wenn künftig Wärme aus Strom diesen Prozess ermöglicht, steigt entsprechend auch der Strombedarf stark an, nach aktuellen Berechnungen auf etwa 300 bis 400 Prozent des heutigen Verbrauchs. Auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit dieser Pläne stellt BASF eine Fläche von 100 Hektar nördlich des Werksgeländes für den Bau eines Solarparks zur Verfügung. Eine Erweiterung um 20 Hektar wäre zudem möglich. Das Potenzial dieser Anlage beträgt insgesamt bis zu 130 MWp, das entspricht einer möglichen Stromerzeugung von 140.000 MWh pro Jahr. Der klimafreundliche Strom soll zusätzlich für die Wärmeversorgung der Region genutzt werden. Dieses Vorhaben bedarf allerdings noch städtischer Genehmigungen und Änderungen am Flächennutzungs- und Bebauungsplan. Ein Baubeginn wäre 2026 möglich. Zusätzlich zur Planung der eigenen Anlage schließt das Unternehmen Verträge mit Energieversorgern, um große Strommengen direkt aus einem Offshore-Windpark in der Nordsee sowie einem spanischen Windpark für die eigenen Standorte zu beziehen. Eigens dafür wurde 2022 die BASF Renewable Energy GmbH gegründet.

Neben der geplanten Energieproduktion ist auch die Nutzung bisher verlorengehender Wärme aus der werkseigenen Kläranlage ein Ansatz für die Zusammenarbeit der lokalen Akteure. Mit rund 300.000 Litern Ausfluss pro Tag handelt es sich bei der BASF-Kläranlage um eine der größten Anlagen Europas. Die anfallenden Abwässer bieten ein nicht zu vernachlässigendes Wärmepotenzial und könnten mittels Großwärmepumpe und Fernwärmeleitung etwa 18.000 Haushalte mit einer Gesamtleistung von etwa 50 MW versorgen. Das Projekt steht allerdings noch am Anfang.

Grüner Wasserstoff für Industrie und Mobilität

Im November 2023 erhielt der Chemiekonzern vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Land Rheinland-Pfalz eine Förderzusage für einen 54 MW-Elektrolyseur in Höhe von 124,3 Millionen Euro. Ab der bereits für 2025 geplanten Inbetriebnahme werden im Rahmen des sogenannten Hy4Chem-EI-Projekts (Wasserstoff für eine CO2-emissionsfreie Chemie – Elektrolyse Infrastruktur) jährlich bis zu 8.000 Tonnen grüner Wasserstoff in der Pfalz produziert. Das sind allerdings nur gut drei Prozent der Menge allein am Ludwigshafener Stammwerk. H2 wird hier zum Großteil noch mittels CO2-intensiver Dampfreformierung aus Erdgas und Kohle erzeugt.

Neben der Wasserelektrolyse erprobt das Unternehmen seit 2021 auch die Methanpyrolyse, die Erdgas beziehungsweise Methan (CH4) bei über 1.000 Grad Celsius direkt in seine Bestandteile Wasserstoff und Kohlenstoff spaltet. Der Kohlenstoff könnte künftig zum Beispiel in der metallverarbeitenden Industrie zum Einsatz kommen. Nach dem erfolgreichen Betrieb der Testanlage und dem Bau einer Pilotanlage könnte die Produktion im großen Maßstab ab etwa 2030 realisierbar sein. Dieses Verfahren benötigt weniger als ein Fünftel der Strommenge der Wasserelektrolyse.

Auch die Technischen Werke Ludwigshafen prüfen den Einsatz von grünem Wasserstoff für die Versorgung von Stadt und Region. Die laufenden Untersuchungen und Gespräche mit der ansässigen Industrie sollen in die Beantragung staatlicher Fördergelder münden. BASF kündigte bereits an, H2 für die Verkehrswende in der Metropolregion Rhein-Neckar zur Verfügung stellen zu wollen. Grüner Wasserstoff wird allerdings ein teurer und knapper Rohstoff bleiben und sollte daher vorrangig in Industrie, Kraftwerken und im Schwerlastverkehr zum Einsatz kommen.

Technologiestadt Ludwigshafen

3-Liter-Haus (Foto: BASF Wohnen und Bauen)Technologischer Fortschritt hat Tradition in der Industriestadt am Rhein. Das zeigt sich auch bei der Energiewende. Ludwigshafener Firmen stellen einige der effizientesten Dämmstoffe weltweit her und tragen somit zu einer ökonomischeren Wärmeversorgung auf dem gesamten Globus bei. Auch Pilotprojekte wie das europaweit erste 3-Liter-Haus im Bestand, 1-Liter-Häuser, Null-Liter-Bürogebäude und das Null-Heizkosten-Haus in Ludwigshafen machten bereits vor vielen Jahren Schlagzeilen. Erkenntnisse zum nachhaltigen Bauen waren zudem das Ziel einer Langzeitstudie im energetisch modernisierten Brunckviertel. Hier erhob man nach der Fertigstellung über mehr als zehn Jahre lang Daten zu baulichem Zustand, Energieeinsparung, Ökonomie, Ökologie und Wohnkomfort.

2018 sorgten zudem die Technischen Werke Ludwigshafen bundesweit für Aufsehen. Um natürliche Schwankungen von Wind- und Solarenergie im Verteilnetz auszugleichen und zu einer stabilen Stromversorgung beizutragen, entwickelten die TWL ein Hybridkraftwerk, das einen Batteriespeicher mit 9,6 MW und eine Gasturbine mit 4,5 MW Leistung verbindet. Während der Speicher für eine schnelle Energieverfügbarkeit sorgt, sichert die Turbine eine lange Kapazität. Eine eigens entwickelte Software steuert das Zusammenspiel und damit die Reaktion auf Netzschwankungen. Die Software stellt zudem sicher, dass die Energie möglichst effizient genutzt werden kann, und verschaltet weitere Komponenten des Hybridkraftwerks, unter anderem eine Power-to-Heat-Anlage.


Die Stadt Ludwigshafen am Rhein wurde im Rahmen des Projekts Forum Synergiewende als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier: https://www.unendlich-viel-energie.de/projekte/forum-synergiewende/projekt-forum-synergiewende


Die Auszeichnung zur Energie-Kommune des Monats steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.