Energie-Kommune des Monats: Rittersdorf
November 2015
Das Dorf Rittersdorf liegt in der Randlage des Thüringer Beckens. Heute leben hier rund 250 Menschen. Viele von ihnen setzen sich für den Ausbau Erneuerbarer Energien in der Region ein. 2013 gründeten 17 engagierte Bürger*innen aus Rittersdorf und Umgebung die Energiegenossenschaft Rittersdorf eG. Heute hat die Genossenschaft knapp 50 Mitglieder*innen. Die Mitglieder*innen haben auf der ehemaligen Mülldeponie Rittersdorf einen Bürger*innensolarpark errichtet. 17.100 Module mit einer Leistung von insgesamt 1,5 Megawatt liefern seitdem Strom.
Matthias Golle, Vorstand der Rittersdorfer Energiegenossenschaft, erinnert sich an die Planungsphase: Zu Beginn der Planung der Anlage fand ein Treffen mit dem ehrenamtlich eingesetzten Bürgermeister des Dorfes, Johannes Rokosch, statt. Er begrüßte die Idee eines Bürger*innenenergieparks sehr und setzte sich dafür ein, dass die Rittersdorfer die Möglichkeit erhielten, sich finanziell beteiligen zu können. Außerdem riet er, die Betreibergesellschaft vor Ort anzusiedeln. „Der Bürgermeister war ein wichtiger Multiplikator und Ideengeber für die Energiewende in Rittersdorf“, so Golle.
Regionalstromtarif ermöglicht regionalen Verbrauch des vor Ort erzeugten Stroms
Das Besondere an der Energiewende in Rittersdorf: Im Dorf gibt es schon Erfahrungen, den vor Ort produzierten Strom auch vor Ort zu verbrauchen. Diese Erfahrungen sind deutschlandweit im Jahr 2015 noch selten. Meist speisen Erneuerbare-Energien-Anlagen ins öffentliche Netz ein und erhalten dafür eine Vergütung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Ihr Strom wird an der Strombörse gehandelt und damit Teil des bundesweiten Strommixes, der so im Jahr 2015 schon zu über 30 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt.
In Rittersdorf können Stromkunden aus dem Dorf, aus dem Weimarer Land und seiner Umgebung noch bis Ende des Jahres 2015 den in Rittersdorf produzierten Solarstrom direkt beziehen und so den Ausbau der Erneuerbaren Energien vor Ort fördern. Möglich ist das durch einen Regionaltarif, den der Ökostromanbieter mit der Energiegenossenschaft Rittersdorf eG entwickelt hat. Der Stromhändler integriert seit Dezember 2013 in seinen Regionalstromtarif 25 Prozent Sonnenstrom aus Rittersdorf. Der Solarstrom wird über den Regionaltarif „Mittelthüringen“ direkt vermarktet und regional geliefert.
Das Prinzip funktioniert über den im EEG festgelegten Sondertatbestand der sonstigen Direktvermarktung. Für den Regionaltarif verkauft die Genossenschaft in Rittersdorf ein bis fünf Prozent ihrer Stromerzeugung an den Ökostromanbieter die Genossenschaft erhält also für diesen Teil ihrer Strommenge keine EEG-Vergütung. Der Ökostromanbieter erhält mit dem Ankauf des Stroms aus der Rittersdorfer Anlage einen Herkunftsnachweis für den Sonnenstrom aus Rittersdorf. Dieser macht 25 Prozent des regionalen Ökostromtarifs aus. Die restlichen 75 Prozent kommen – wie bei vielen anderen Ökostromtarifen anderer Anbieter auch – aus europäischer Wasserkraft. Die Kooperation mit dem Ökostromanbieter läuft bis Ende 2015 aus.
Thüringer Landstrom
Mit den eigenen Erfahrungen wollen die Rittersdorfer Energiegenossenschaftsmitglieder aber weiterhin dranbleiben, ihren Strom nicht nur zu produzieren, sondern auch vor Ort zu verbrauchen. Schon seit der Gründung sind sie zu diesem Thema mit anderen Genossenschaften der Region im Austausch. Aus dem gemeinsamen Netzwerk sind ein thüringenweiter Dachverband und eine Dachgenossenschaft entstanden. Die Vernetzung der in Thüringen aktiven Energiegenossenschaften soll einen Beitrag dazu leisten, das vorhandene Wissen allen zugänglich zu machen und noch mehr Menschen zu ermuntern, sich vor Ort genossenschaftlich für die Energiewende zu engagieren. Die 2014 gegründete Bürger*innen Energie Thüringen Sachsen eG bietet als Energieversorger einen regionalen Ökostromtarif an. Ziel ist es, ein regionales Stromprodukt aus Thüringer Erneuerbaren Energieanlagen zu etablieren, das zukünftig unabhängig von politischen Entscheidungen um die EEG-Einspeisetarife und anderen Förderinstrumenten sein soll. Zukünftig will die Genossenschaft Strom vermarkten, der zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt und in Thüringen produziert wird. Bisher verpflichten sich die Stromerzeuger, die ihren selbst produzierten Strom mit diesem regionalen Ökostromtarif vermarkten wollen, dazu, pro Tarifkunde jährlich mindestens 50 Euro in neue regenerative Erzeugungsanlagen in Thüringen zu investieren. Das bedeutet: Jeder Thüringer, der den regionalen Ökostromtarif bezieht, trägt damit zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien in Thüringen bei.
Der Strom aus dem Ritterdorfer Solarpark soll ab 2016 über den regionalen Ökostromtarif vertrieben werden. Unter welchen Bedingungen klärt sich in den nächsten Monaten. „Leider stehen der regionalen Vermarktung von Ökostrom unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen viele Hürden entgegen“, erklärt Golle. Erst im Oktober 2015 zeichnete sich ab, dass das von einigen Ökostromanbietern konzipierte Grünstrommarktmodell von der Bundespolitik nicht verfolgt werden wird. „Dabei braucht es dringend ein geeignetes Konzept“, kritisiert Golle. Schon seit August 2014 gibt es im novellierten EEG keine Möglichkeit mehr, EEG-geförderten Strom als Grünstrom an Endkunden zu verkaufen. Der Strom der Ökostromtarife kommt - vor allem bei Tarifen ohne Grüner-Strom-Label oder ok-Power-Label - fast ausschließlich aus lange bestehenden norwegischen oder österreichischen Wasserkraftwerken. Der Endkunde hat also keine Möglichkeit mehr, durch die Wahl des Lieferanten aktiv die Erzeugungsstruktur zu beeinflussen. „Bürgerenergie würde von einem einfachen gesetzlichen Herkunftsnachweis sehr profitieren“, ist Golle überzeugt. Denn: Immer mehr Stromkunden wollen wissen, woher der von ihnen bezogene Strom kommt und sind interessiert am regionalen Bezug und der Wertschöpfung in der Region.
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