Energie-Kommune des Monats: Hürup
In der Gemeinde wird das Nahwärmenetz nach und nach erweitert. Über das Netz werden immer mehr Hüruper Gebäude klimafreundlich mit Wärme auf Basis Erneuerbarer Energien versorgt. Das Besondere am Hüruper Energiekonzept ist das Ziel, alle in der Region zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energiequellen zu nutzen und nach einem flexiblen Baukastenprinzip schrittweise zu kombinieren.
Die Gemeinde Hürup liegt, auf plattdeutsch gesagt, „boben op“ – also „oben auf“, ganz weit im Norden der Republik, im Kreis Schleswig-Flensburg, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt Flensburg. Hier wohnen rund 1.200 Menschen. Viele der Einwohner vereint ein Leitsatz: Während Klimaschutz ein globales Ziel ist, muss die Umsetzung doch auf lokaler Ebene erfolgen. Daher gilt es den Hürupern, in kleinen Schritten die Energiewende selbst in die Hand zu nehmen. Denn sie wollen, dass das eigene Dorf auch noch 2050 „boben op“ in Schleswig-Holstein zu finden ist.
Energiewendestammtisch als Ideenschmiede
Ideenschmiede für die lokale Energiewende ist der Energiestammtisch, der seit rund fünf Jahren immer am letzten Donnerstag eines Monats zusammenkommt. Dabei finden sich 10 bis 20 Bürger zusammen und überlegen, welche Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden können, um bis zum Jahr 2050 CO2-Neutralität zu erreichen. Dieses Ziel ergibt sich aus dem Klimapakt der Region Flensburg, dem sich auch die sieben Gemeinden des Amtes Hürup angeschlossen haben. Zu den bisherigen Erfolgsgeschichten auf diesem Pfad gehören die Errichtung eines Bürgersolarparks, einer Initiative zum Carsharing und eine Einkaufsgemeinschaft für Ökostrom. Die Einkaufsgemeinschaft gibt es seit vier Jahren. Sie hat einen Stromanbieter gefunden, der ihr einen eigenen Stromtarif anbietet, der den hiesigen Vorstellungen von konzernunabhängiger, klimafreundlicher, regionaler Erzeugung entspricht. Mittlerweile wurden schon über 170 Verträge geschlossen für den Bezug von Ökostrom, der sich aus 80 Prozent Windstrom und 20 Prozent deutscher Wasserkraft zusammensetzt.
Um die am Stammtisch besprochenen Ideen auch konkret umsetzen zu können, wurde 2015 der Verein „Boben Op Klima- und Energiewende e.V.“ gegründet. Er fungiert als Dachorganisation für konkrete Projekte und soll die gemeinsamen Anstrengungen für die Region stärker bündeln. Der Verein hat nun die Gründung der Energiegenossenschaft „Boben Op – Nahwärme und Kommunikation eG“ angestoßen, die Anfang 2016 vollzogen wurde. Die Genossenschaft wird im ersten Schritt im Neubaugebiet Norderlück die Nahwärmeversorgung übernehmen. Denn derzeit geht es der Gemeinde darum, die Nahwärmeversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien weiter auszubauen. Langfristiges Ziel ist es, eine Infrastruktur für die Nahwärmeversorgung in möglichst vielen Gebieten des Amtes Hürup aufzubauen.
Mit dem Nahwärmenetz auf Basis Erneuerbarer Energien die Wertschöpfung vor Ort halten
Für Hürup wurde ein Energiekonzept erstellt, das eine Kombination aller derzeit zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energiequellen und die Nutzung der jeweils effizientesten zum gegebenen Zeitpunkt für die zukünftige (Nah-)Wärmeversorgung anstrebt. Ziel ist ein interkommunales regeneratives Nahwärmeversorgungsnetz auf Basis verschiedener regenerativer Quellen wie Solarthermie und Biomasse in Kombination mit saisonalen Erd-Wärmespeichern. Auch an eine Biogas-Tankstelle wird gedacht. „Langfristig wollen wir fossile Energien vollständig ersetzen“, erklärt Christian Janout von der Gemeindevertretung die Vision der Hüruper. Das ambitionierte Konzept bzw. die Umsetzung der Maßnahmen wird durch das Amt, die Universität Flensburg und durch das ausgeprägte Engagement der Bewohner unterstützt.
Die ersten Pläne dazu gab es bereits 2012. Durch das bürgerschaftliche Engagement hat sich der Fortschritt schnell eingestellt. Am Energiestammtisch wurden alle Bedenken diskutiert und Pläne geschmiedet. Es gab Vorträge und Exkursionen, um allen Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich über das Vorhaben zu informieren. „Gut ist, dass wir im Dorf Menschen haben, die immer wieder etwas anpacken und umsetzen“, sagt Bürgermeister Jan-Nils Klindt, „an diesen vielen Mutmachern orientieren sich die Bürger.“ Da es bereits Erfahrung mit der genossenschaftlich organisierten Wasserversorgung gab, war die Bevölkerung der neuen Wärmeversorgung gegenüber aufgeschlossen. Schon 2014 wurde dann die erste Leitung eines Wärmenetzes im Zuge einer anstehenden Kanal- und Straßensanierung verlegt, um Synergieeffekte bei den Tiefbauarbeiten zu nutzen und Kosten zu vermeiden .Das Amtsgebäude und die Paul-Jensen-Sporthalle haben jeweils bereits ein Biomethan-BHKW erhalten, welche nun im Zuge des Wärmenetzbaus verbunden werden sollen, um deren Betrieb zu optimieren.
Im April 2016 beginnt die Erschließung des Neubaugebietes Norderlück in Hürup, das auch an das Nahwärmenetz angeschlossen wird. Hier werden ab August 14 Haushalte in Einfamilien- oder Doppelhäusern errichtet. Vorher stehen Straßen - und Kanalisationsarbeiten an, in deren Zuge Rohre für das Wärmenetz verlegt werden. Für die Versorgung des Neubaugebietes sowie weiterer Bestandgebäude entlang einer etwa einen Kilometer langen Trasse mit regenerativer Nahwärme werden 2016 zusätzliche Wärmeerzeuger , z.B. Pelletkessel, Biomethan-BHKWs oder eine Hackschnitzelheizanlage mit einer kombinierten Leistung von 400 bis 500 Kilowatt errichtet werden. Ein Ziel ist die Nutzung vorhandener Holzabfälle aus der hiesigen Landschaftspflege, welche so direkt vor Ort verwendet werden können. Dem Gesamtkonzept entsprechend sollen 2016 auf zwei Dächern von Altbauten im Dorf zwei Solarthermieanlagen mit einer Fläche von je 100 bis 150 Quadratmeter gebaut werden. Sie sollen durch einen Wärmespeicher mit rund 100 Kubikmetern ergänzt werden. „Wir wollen das nutzen, was sinnvoll ist“, sagt Christian Janout von der Gemeindevertretung. „Es gibt hier genug Energie, um uns selbst versorgen zu können.“ Drei Millionen Euro geben die Bürger der Gemeinde jährlich für Energie und Treibstoffe aus, aber nun wolle man anfangen, diese Gelder größtenteils in der Region zu behalten. „Auf diese Weise stärken wir unser Dorf“, erklärt Bürgermeister Klindt.
Für die Zukunft ist geplant, dass auf einer Konversionsfläche, einer alten Marinefunkstelle, ein zentraler Erzeugungsstandort aufgebaut wird. Sobald die Fläche an die Gemeinde übergegangen ist, will die Genossenschaft hier Solarkollektoren errichten, die dann Sonnenwärme für das Wärmenetz bereitstellen. Die Konversionsfläche ist rund 14 Hektar groß und befindet sich genau zwischen den Gemeinden Hürup, Husby und Maasbüll. Eine Entwicklung in Richtung der Nachbargemeinden wäre in Zukunft also möglich, wenn auch die Bewohner der Nachbargemeinden Gefallen an der erneuerbaren Wärme finden.
Finanziert wird das Nahwärmenetz über die Genossenschaftsmitglieder. Mitglied in der Genossenschaft können alle Bürger des Amtes Hürup bzw. Personen werden, die im Amt Hürup bebaute und anschlussfähige Grundstücke besitzen. Ein Geschäftsanteil beträgt 100 Euro. Jedes Mitglied muss mindestens einen Geschäftsanteil zeichnen. Mitglieder, die sich an die Nahwärme anschließen, müssen 10 Anteile zeichnen und einen Baukostenzuschuss leisten.
Erfolgreiche Projekte: Hüruper Solarpark und Strompool
Auch die Idee zum Solarpark Hürup hat der Energiestammtisch diskutiert – schließlich wurde sie 2011 als eine lokale Initiative von Bürgern der Gemeinde Hürup umgesetzt. Die 2,8 MW-Anlage erzeugt im Jahr rund 2,66 Gigawattstunden Strom. Die Anlage trägt zu den Zielen der Betreiber bei, langfristig unabhängig von der Energieerzeugung durch Großkonzerne zu werden und Wertschöpfung vor Ort durch Erneuerbare Energien zu erzeugen.
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