• Newsletter April

    Finden Sie in dieser Ausgabe

    • ein spannendes Interview mit Nora Wolter, der Klimaschutzbeauftragte beim Bezirksamt Mitte (Berlin)
    • die Energie-Kommune des Monats: Fulda
    • eine neue Animation zum Biokraftstoff B10
    • interessante anstehende Termine der Branche


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  • Second Life: Ein zweites Leben für E-Auto-Batterien als stationäre Speicher

    Unsere Animation veranschaulicht den Weg ausgedienter E-Auto-Batterien, die als integraler Bestandteil stationärer Energiespeicher wiederverwendet werden. Diese innovative Nutzung ermöglicht es den Batterien, die nicht mehr für den Fahrzeugantrieb tauglich sind, einen bedeutenden Beitrag zur Integration erneuerbarer Energien und zur Netzstabilisierung zu leisten.

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  • Biogas - flexibel | vielseitig | nachhaltig

    Biogas garantiert nicht nur eine klimafreundliche und sichere Versorgung mit Strom, Wärme und Kraftstoff, sondern hilft dabei, auch unsere Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Dabei wird immer stärker im Einklang mit den umgebenden landwirtschaftlichen Prozessen sowie dem Natur- und Umweltschutz gewirtschaftet.

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  • Wie stark stehen die Bürger*innen hinter dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, welche Technologien würden sie selber nutzen oder tun dies bereits? Wo wünschen Sie sich mehr Entscheidungshilfen?


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  • Stellenangebote

    In unserer neuen Rubrik gibt es ein vielfältiges Angebot aktueller Stellenanzeigen aus der Branche der Erneuerbaren Energien. Jetzt eine von etwa 387.700 Personen werden, die deutschlandweit durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschäftigt ist.

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"Beim Klimaschutz geht es nicht darum, eine Bank aufzustellen"

Liebe Frau Wolter, Sie sind die Klimaschutzbeauftragte von Berlin Mitte. Wie stark unterscheidet sich Ihre Arbeit von der Arbeit einer Klimaschutzbeauftragten in einer Kommune mit beispielsweise 60.000 Einwohner*innen?

Nora Wolter: Ich glaube tatsächlich ziemlich stark. Ich bin Teil verschiedener Netzwerke und kenne natürlich einige Klimaschutzmanager*innen aus kleineren Städten und Gemeinden und deren Herausforderungen. Eine ist beispielsweise die häufig relativ schlechte bis nicht vorhandene Datengrundlage, wohingegen es in Berlin die Stadtklimaanalyse oder auch den großen Umweltatlas gibt. Allerdings haben diese vielen verschiedenen Daten zu Berlin die Problematik, dass die Ableitungen, die sich daraus für die Flächen ergeben, teilweise schon mehrfach verplant sind. Kleinere Gemeinden haben hingegen keine solch massive Flächenkonkurrenz wie Berlin.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Fülle an Aufgaben, die zu tun sind. Der Bezirk Mitte wirkt wie eine Großstadt in einer Großstadt. Deswegen müssen wir im Klimaschutzkonzept einen anderen Maßstab ansetzen. Wir können nicht sagen, der Radweg kommt dieses Jahr und dann nächstes Jahr der zweite. Bei uns geht es schnell um viele Radwegeabschnitte in verschiedenen Planungsphasen – gleichzeitig. Und das notwendigerweise in Abstimmung mit vielen Infrastrukturakteuren, Senat, etc. Berlin ist außerdem durch die verschiedenen Zuständigkeiten bei Bezirk, Senat und Land extrem herausfordernd, wenn es für uns in Mitte darum geht, in quasi jedem Einzelfall wieder abzugrenzen: Was dürfen wir eigentlich machen und was dürfen wir nicht machen? Genau das war eine massive Herausforderung bei der Erarbeitung unseres Klimakonzeptes.

Allerdings akkumuliert sich dafür in Berlin super viel Wissen. Klimaschutzmanager*innen in kleinen Städten und Gemeinden müssen oft weit fahren, um an Konferenzen teilzunehmen und sich austauschen zu können. Ich kann einfach nach Feierabend bei einer Konferenz vorbeigehen, weil sie um die Ecke stattfindet. Die Dichte an Beratungsstrukturen ist ebenfalls ein Vorteil, den ich gern nutze. Wir haben eine Regenwasseragentur, ein Bauberatungszentrum etc.

Wie kamen Sie zu Ihrer Aufgabe im Bezirk Berlin?

Das war eine gehörige Portion Zufall. Ich bin aus privaten Gründen nach Berlin gezogen und habe mich umgeschaut, was es so gibt, und irgendwie hat das Timing gut gepasst. Zuvor war ich bei einer Art Beratungsunternehmen für Städte und Gemeinden tätig und war viel in Niedersachsen unterwegs. Ich bin froh, diesen Schritt gemacht zu haben. Vieles, was hier passiert, ist direkt auch ein neuartiges Pilotprojekt. Das finde ich sehr spannend. Nach drei Jahren ist so fast jeder Tag irgendwie anders.

Ihr Klimaschutzkonzept spricht von einem gesamten Endenergieverbrauch des Bezirks Berlin Mitte im Bilanzjahr 2019 in Höhe von 8.699.581 Megawattstunden. Daraus hervor geht ein Gesamtausstoß an Treibhausgasemissionen von 2.527.646 Tonnen CO2-Äquivalenten (tCO2-eq). Was ist Ihrer Meinung nach aktuell das drängendste klimabetreffende Handlungsfeld in Mitte?

Klimaanpassungsmaßnahmen sind wichtig und geschehen oft auch zwischendurch. Wichtiger sind sie aber auch für die Umsetzung des Klimaschutzes und diesbezüglich spielen vor allem die großen Baumaßnahmen eine wichtige Rolle. Es geht eben nicht nur darum, eine Bank aufzustellen, sondern wirklich um die Neugestaltung von Flächen, die Neugestaltung von Plätzen. Klimafreundliche Mobilität muss attraktiv sein, dazu brauchen wir angenehme Fuß- und Radwegeverbindungen. Es geht um viel Geld und gleichzeitig die Verabschiedung von der Vorstellung, dass Berlin eine steinerne Stadt sein muss.  

Welche Erfolge konnten Sie mit Ihrer Arbeit bereits erzielen?

Ein wichtiger Meilenstein war für mich das Klimakonzept. Es war anstrengend und intensiv, aber ich bin stolz darauf, auch weil wir der erste Bezirk in Berlin sind, der das in dieser Form gemacht hat. Deswegen ist mein Kollege gerade auch dabei, Wissenstransfer in die anderen Bezirke zu leisten.
Ich hoffe, dass es eine gute Grundlage ist, um die Arbeit strategisch strukturell aufzuziehen.

Wie wollen Sie den Bezirk zukünftig in Sachen Erneuerbare Energien aufstellen?

Der Anteil, zu welchem wir unseren Strombedarf selbst decken können, ist aktuell in Mitte noch gering. Aber als verdichteter Bezirk kämen natürlich vor allem PV, Solarthermie und Geothermie infrage. Es ist eben wichtig, dass wir schnellstmöglich unser PV-Potenzial ausschöpfen. Wir haben ja Dächer und oft ist auch nichts anderes drauf. Wir haben Platz, der im Prinzip tot ist, wo keine andere Nutzung möglich wäre. Und zu sagen, die Erneuerbaren für Berlin sollten alle aus Brandenburg kommen, ist etwas zu bequem. Denn die Flächen, die wir hier auf den Dächern haben und nicht nutzen, führen durch den Import aus Brandenburg dazu, dass dort die Flächen verloren gehen. Die mögliche Nutzung als Gründach geht übrigens auch sehr gut in Kombination mit PV.

Wie groß ist denn das PV-Potenzial in Mitte?

Allein auf den öffentlichen Gebäuden in Mitte liegen Erzeugungspotenziale von 275.745.843 Kilowattstunden, womit elf Prozent des Strombedarfes des Bezirks gedeckt werden könnten. Weitergefasst auf auch die Gebäude in privater Hand würde ich es zusammenfassen als: sehr hoch.

Berlin Mitte ist ziemlich zentral gelegen. Wieso dominieren Ihrer Meinung nach Pkw den Verkehrssektor? Welche Konzepte gibt es hier zur Vermeidung der Emissionen?

Fahrräder und zu Fuß Gehende verursachen keine direkten Emissionen und der ÖPNV nur sehr geringe, entsprechend ist es logisch, dass der Anteil des Verkehrsträgers Pkw an den Treibhausgasen hier am höchsten liegt. Auch wenn in Mitte nur ein Fünftel der Wege überhaupt mit dem Pkw zurückgelegt werden und der Pkw-pro-Kopf-Anteil bei 182 pro 1.000 Einwohner liegt.

Die zentrale Lage des Bezirks führt außerdem zu einem hohen Durchgangsverkehr, an dem wir aufgrund der Zuständigkeitsaufteilung zwischen Bezirken und Senat nur bedingt etwas machen können, da der Senat für das Hauptstraßennetz die Federführung innehat. Wir versuchen überall jenseits der Hauptstraßen, beispielsweise in den Wohngebieten etc. durch Einrichtung von Schulstraßen, Errichtung von Fahrradständern, Aufstellen von Bänken, Fahrradstraßen und Kiezblocks das Fahrrad und zu Fuß gehen, auch zu Fuß zum Bus gehen, attraktiver zu machen, gerade auf für die Einwohner*innen hier, und im Umkehrschluss das Autofahren als Alternative hierzu unattraktiver zu machen.

Die kommunale Wärmeplanung für Berlin liegt in den Händen der Senatsverwaltung. Welche Mitsprachemöglichkeiten haben Sie hier für Ihren Bezirk?

Ja, das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung ist super wichtig und die Umsetzung für Berlin liegt tatsächlich federführend beim Senat. Wir haben also in dem Sinne aktuell bei der Wärmestrategie des Landes Berlin erst einmal kein gestalterisches Mitspracherecht, aber in der Umsetzung dieser Strategie werden die Bezirke stark gefordert und entsprechend schon jetzt eingebunden. Fakt ist, Berlin und insbesondere der Bezirk Mitte sind stark von der Fernwärme geprägt und hier hängt viel von der Dekarbonisierung durch die Wärmeanbieter wie Vattenfall etc. ab. Aber es gibt auch Gebiete ohne Fernwärme. In Mitte wenige, in den Außenbezirken mehr. Hier kommen nachhaltige Nahwärmenetze, die Spree oder Wärme aus Abwasser und der U-Bahn als Ergänzung infrage. Spannend finde ich aber auch das Wärmepotenzial im Boden. Ich bin sehr gespannt, wie es da weitergeht. Viele technische und organisatorisch neue Modelle werden zum Einsatz kommen müssen.

Ein Teil Ihres Klimaschutzkonzeptes bezieht sich auch auf die Verwaltung des Bezirks. Was ist hier vorgesehen?

Ähnliches wie das, was auch für den Rest des Bezirks gilt: Wir wollen PV auf den Dächern der öffentlichen Liegenschaften, wir wollen Wärmepumpen oder einen Anschluss an die Fernwärme und dementsprechend müssen Heizkessel und Ähnliches ausgetauscht werden. Die energetische Sanierung sowie die Sensibilisierung in der Verwaltung für ein generelles Mitdenken des Klimaschutzes in allen Bereichen und Maßnahmen gehören ebenfalls dazu.

Energetische Sanierungen sind meist mit hohen Kosten verbunden. Im Bezirk Mitte sind die Kassen derzeit nicht so gut gefüllt. Wo können Sie hier ansetzen?

Ja, das ist in der Tat sehr herausfordernd, zumal die Thematik des fehlenden Personals dabei auch eine Rolle spielt. Wir müssen als Arbeitgeber einfach attraktiver werden und auf jeden Fall mehr mit Förderungen arbeiten. Hier gilt es, die passenden Förderprogramme auszuwählen, die für uns möglichst wenig zusätzlichen Aufwand bei dem bereits knappen Personal verursachen.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Bewohner*innen aktiv in den Klimaschutz einzubeziehen?

Das erste große Beteiligungsformat war tatsächlich die Klimakonzepterstellung. Im Rahmen von zwei größeren Veranstaltungen konnten sich die Bürger*innen beteiligen. Grundsätzlich finde ich es sinnvoller, die Bürger*innen immer projektbezogen mit einzubeziehen. Und sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, sich vorher zu überlegen, wie diese Beteiligung aussehen und auch mit einfließen kann. Gute Beteiligung ist zeit- und gedankenintensiv. Eine Beteiligung, die sich am Ende wegen vorheriger schlechter Planung gar nicht mit einbeziehen lässt, braucht niemand und ist auch nicht zufriedenstellend. Weder für uns noch für die Beteiligten.

Wie groß war bisher die Beteiligung an Ihren Projekten, waren Sie zufrieden oder wurde es kaum wahrgenommen?

Ich war zufrieden damit, aber auch nicht überrascht. Der Bezirk Mitte ist grundsätzlich sehr beteiligungsfreudig, gerade auch bei dem Thema Klima.

Gilt das auch für ansässige Unternehmen? Wie gestalten Sie den Dialog mit lokalen Unternehmen, um nachhaltige Geschäftspraktiken in Ihrem Stadtteil zu fördern?

Das Bezirksamt kann hier nur ein Angebot machen, aber wir können keine Gesetze vorgeben oder Förderprogramme auflegen. Die Wirtschaft handelt wirtschaftlich, das ist deren Aufgabe. Dementsprechend ist unser Hebel, passende und unterstützende Angebote zu machen: Vernetzungstreffen, Informationsangebote, Planspiele, Hinweise zu bestehenden Förderprogrammen etc.

Unser Fokus liegt hier auf den klassischen kleinen und mittleren Unternehmen statt auf den großen und auch internationalen Akteuren. Hier sind wir bereits im Rahmen der Wirtschaftsförderung informativ als Ansprechpartner unterwegs.

Wo sehen Sie Ihren Bezirk mit Blick auf klimapolitische Umsetzungen im Vergleich zu den anderen elf Bezirken?

Je nachdem, welchen Bereich wir ansehen, ist das unterschiedlich. Im Bereich Mobilität stehen wir ganz gut dar. Die räumlichen Strukturen helfen uns hier zusätzlich. Wir haben wahnsinnig dichte Netze und Taktung im ÖPNV. Das Straßenbahn- und Fahrradwegenetz wurde ausgebaut und die U5 um einen neuen Abschnitt erweitert. Außenbezirke wie Spandau haben es hier deutlich schwerer mit der Mobilitätswende.

Im Bereich der Gebäude geht es neben Strom viel um Wärme. Neben der individuellen Gebäudelösung mit beispielsweise Wärmepumpen wird es auch gebäudeübergreifende Lösungen benötigen, die sind oft einfach effizienter.

Wir haben in Mitte insgesamt ein sehr dichtes Fernwärmenetz und können sehr große Teile der Gebäude daran anschließen und Fernwärme ist ja auch für die Eigentümer durchaus attraktiv. Für Mitte ist somit eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Fernwärme essenziell.