Nachhaltige Wärme und flexibler Strom
Als langfristiges Ziel für eine nachhaltige Zukunft gilt es, eine Vollversorgung durch Erneuerbare Energien zu erreichen. Das Energiesystem benötigt ein Update, indem alle Erneuerbare-Energien-Technologien optimal zusammenspielen. Wenn die Energie aus Wind und Sonne wetterbedingt nicht ausreicht, kann die Bioenergie mit hoher Leistung und Verfügbarkeit als Joker für die Energiewende einspringen.
Wenn künftig vermehrt Erneuerbare Energien ihren Strom in die Netze einspeisen, kann das Stromangebot stark schwanken. Um den Strombedarf zuverlässig decken zu können, müssen regelbare Stromerzeugungsanlagen diese Schwankungen ausgleichen. Bisher wird diesbezüglich das Potenzial zur Flexibilisierung von Biogasanlagen in Verbindung mit Blockheizkraftwerken (BHKW) kaum ausgeschöpft. So speisen Biogasanlagen zumeist in Grundlast kontinuierlich ihren Strom ins Netz, während Wärme dabei als Nebenprodukt anfällt. Dabei eignen sich Biogasanlagen und BHKWs optimal für das Energiesystem der Zukunft: Sie sind schon heute in der Lage, die erforderlichen Systemdienstleistungen anzubieten und Stromdefizite auszugleichen. Blockheizkraftwerke können innerhalb von Minuten von Stillstand auf maximale Leistung hochgefahren werden, während konventionelle Kraftwerke meist zu träge sind, um auf die schwankende Stromerzeugung schnell und flexibel reagieren zu können. Sie benötigen teilweise einen ganzen Tag, um ihre Stromerzeugung wieder hochzufahren. Damit Heizkraftwerke auf Bioenergiebasis die Systemdienstleistung der Flexibilisierung anbieten können, muss die Strom- und Wärmeerzeugung mithilfe eines Wärmespeichers entkoppelt werden.
Strommarkt sorgt für Impulse
Wie die Flexibilisierung von Biogasanlagen in der Praxis funktioniert, zeigt das Beispiel von Gussenstadt, einem Ortsteil der badenwürttembergischen Gemeinde Gerstetten. In dem 1.400-Einwohner-Ort beziehen 100 Anschlussnehmer ihre Wärme zum Heizen und Duschen aus einem Nahwärmenetz mit der Länge von 4,8 Kilometern. Der Wärmelieferant ist eine Biogasanlage der Energiegenossenschaft Gussenstadt, die mit Gülle, Mist und Energiepflanzen aus Landwirtschaftsbetrieben im Umkreis von fünf Kilometern versorgt wird. Nach der Vergärung zu Biogas wird dieses in drei BHKWs in Wärme und Strom umgewandelt. Die Gussenstädter Wärme wird zum Heizen des Fermenters genutzt und fließt über ein Nahwärmenetz direkt an die Kunden in der Region. Der erzeugte Strom wird mithilfe eines saisonalen Fahrplans ins Netz eingespeist. Wenn das Stromangebot aus Sonne und Wind gering ist, steigen die Preise an der Strombörse. Die BHKWs können dann mit der Unterstützung eines Direktvermarkters automatisch auf Volllast gefahren werden. So wird zeitgleich sowohl der Strombedarf gedeckt, als auch der Verkauf von Strom zu höheren Preisen ermöglicht. Die nicht benötigte Heizwärme fließt in den Wärmespeicher. Wenn Wind und Sonne genügend Energie für das Netz liefern, fahren die BHKWs ihre Leistung herunter. In diesem Fall springt der Wärmespeicher ein, um den Wärmebedarf vor Ort weiterhin sicherzustellen. Für den Zubau des dritten BHKWs konnten die Gussenstädter auf die Flexibilitätsprämie des EEGs zugreifen.
Die flexibilisierte Anlage trägt zudem zur Netzstabilität bei: Beim Netzanschluss wurde vereinbart, auch Blindleistung aus dem Netz zu ziehen, was der Spannungshaltung dient und damit das Verteilnetz aktiv stabilisiert. Die Energiegenossenschaft Gussenstadt plant neben der Nachverdichtung des Wärmenetzes und einer weiteren Optimierung der BHKWs für den Strommarkt, 2018 einen zweiten Speicher mit 80 m³ in das System zu integrieren.
Hohe Akzeptanz vor
Ort ist eine wichtige Grundlage für den Erfolg von Biogasprojekten. Bei
der Planung zur Modernisierung der Wärmeversorgung war sich
Bürgermeister Roland Polaschek sicher: „Die Bürger müssen die
Möglichkeit haben, sich finanziell am Ausbau von
Erneuerbaren-Energien-Anlagen beteiligen zu können. Nur so schaffen wir
Akzeptanz und die Chance, direkt vom Gewinn zu profitieren.“
Die
Gemeinde Gerstetten sieht das Projekt in Gussenstadt als Vorbild und
plant auch in anderen Ortsteilen erneuerbare Wärmenetze zu initiieren.
Auf dem Weg von der Grundlast hin zum flexiblen Strom- und Wärmeangebot gibt die Flexibilitätsprämie einen Anreiz: Diese fungiert als eine im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012 eingeführte finanzielle Unterstützung für die Betreiber von Biogas– bzw. Biomethan-BHKWs, die die installierte Leistung dieser steigern, um nicht mehr nur in Grundlast rund um die Uhr Strom zu erzeugen. Voraussetzung für die Gewährung der Flexibilitätsprämie ist die Teilnahme an der Direktvermarktung. Die Biogas-BHKWs müssen zu einem flexiblen Betrieb nach Fahrplan befähigt werden. Für die zusätzlich installierte Leistung wird je Kilowatt während eines Zeitraums von maximal zehn Jahren die Flexibilitätsprämie von 130 Euro gezahlt.
Die Inhalte dieses Artikels stammen aus der Broschüre Energie vom Land hält warm der Agentur für Erneuerbare Energien.
Bildquellen
Baerwald und AEE
Social Media