Energie-Kommune des Monats: Landkreis Oder-Spree
Februar 2025
Der brandenburgische Landkreis mit 180.000 Einwohner*innen liegt südöstlich von Berlin und erstreckt sich bis an die polnische Grenze. Er ist einer der ersten Flächenlandkreise Deutschlands, der neben einem Klimaschutzkonzept auch über ein Klimaanpassungskonzept verfügt, in dem Handlungsfelder, Potenziale und Maßnahmen zur nachhaltigen Gestaltung der Region analysiert und ausgewiesen werden. Zusätzlich stellt das „Regionale Energiekonzept Oderland-Spree 2021“ der Planungsregion Oderland-Spree, zu der der Landkreis gehört, die Weichen für einen Ausbau der Erneuerbaren Energien bis 2030. Zentral für den Landkreis sind dabei der Ausbau der Anlagen für die Produktion von Windenergie und Solarenergie sowie die Nutzung von Biomasse.
Die Sonne als Stromlieferant
Bereits 2014 erzeugte die Planungsregion Oderland-Spree mehr Strom durch Erneuerbare Energien, als sie verbrauchte. Von 2014 bis 2017 hatte sich der Anteil der Erneuerbaren am jährlichen Stromverbrauch von etwa 105 auf knapp 129 Prozent vergrößert. Im Landkreis Oder-Spree selbst wurden 2022 rund 928 Gigawattstunden (GWh) an erneuerbar produziertem Strom erzeugt, was einer Bedarfsdeckung von 120 Prozent entspricht. Im Landkreis gibt es demnach auch mehr klimaneutralen Strom als momentan verbraucht wird. Doch der Landkreis gibt sich damit nicht zufrieden und baut zukunftsorientiert die Erneuerbaren weiter aus. Der erneuerbare Strom kann nämlich auch im Bereich der Mobilität und der Wärme eingesetzt werden (Sektorenkopplung). Zudem versorgt der Landkreis teilweise auch das angrenzende Berlin.
Seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurde der Ausbau der Photovoltaik-Anlagen (PV) im Landkreis Oder-Spree massiv vorangetrieben. Als flächenmäßig großer Landkreis mit ländlich geprägten Strukturen steht dem Oder-Spree-Kreis eine Vielzahl geeigneter Dächer und Böden für PV-Anlagen zur Verfügung. 2024 waren 10.500 PV-Anlagen installiert, wobei Freiflächenanlagen etwa 40 Prozent und Dachanlagen etwa 60 Prozent der installierten Leistung ausmachen. Dabei steht der gesellschafts- und naturverträgliche Ausbau von PV-Anlagen im Fokus. Das bedeutet, dass beim Bau Kriterien wie Biodiversität, lokale Wertschöpfung und Wasserhaushalt sowie die Integration der Anlagen in das kommunale Gesamtkonzept besondere Beachtung finden.
Damit die Energiewende vor Ort auf breite Zustimmung trifft, empfiehlt der Landkreis Oder-Spree seinen Kommunen außerdem, Bürger*innen aktiv inhaltlich und finanziell an Photovoltaik-Anlagen teilhaben zu lassen. Ein Beispiel für Bürger*innen-Engagement und -beteiligung ist die 2020 gegründete Bürger*innen-Genossenschaft „Bürgerenergie Oder-Spree (BEOS eG)“, die inzwischen aus 150 Mitgliedern besteht und vorrangig gemeinwohlorientierte Projekte zur Erzeugung und Speicherung von Strom und Wärme aus Erneuerbaren Energien initiiert und begleitet. Das erste Projekt war der Bau von Solaranlagen auf den Dachflächen der Kita und der Schule in Heinersdorf 2020. 2023 wurden die Dächer der Kreisverwaltung in Beeskow sowie des Baubetriebshofs in Schöneiche, 2024 die der Jugendbegegnungsstätte Hirschluch mit Paneelen bestückt.
„Energiegenossenschaften wie die BEOS spielen eine entscheidende Rolle für eine soziale und dezentrale Energiewende“, so Dr. Janina Messerschmidt, Vorständin der BEOS eG. „Während Großinvestoren oft kein Interesse an kleineren Projekten wie Dach-PV-Anlagen haben und viele Kommunen finanziell nicht in der Lage sind, selbst zu investieren, schließen Bürgerenergiegenossenschaften diese Lücke. Sie ermöglichen es Bürgern, sich direkt an der Energiewende zu beteiligen, das ermöglicht eine demokratische Energiewende.“ Die BEOS eG stärkt den sozialen Zusammenhalt in der Region und ist auch überregional gut vernetzt. Für die Zukunft sieht Dr. Janina Messerschmidt vor allem Bedarf bei der Stärkung und Unterstützung von Energiegenossenschaften durch die Landkreise, um die Arbeit von Genossenschaften zu erleichtern. Aktuell plant die BEOS eG zudem die Installation von Solaranlagen auf dem Rathaus und der Schule in Friedland.
Doch auch die Planungsregion Oderland-Spree ruht sich nicht auf dem bisher Erreichten aus: Für die zukünftige Entwicklung stuft die Planungsregion das Ausbaupotenzial für PV-Anlagen als groß ein und möchte Strom aus Erneuerbaren verstärkt in anderen Sektoren wie der Mobilität nutzen. Aufgrund großer Freiflächen, der flachen Topografie und den hohen Windgeschwindigkeiten bietet der Oder-Spree-Kreis zudem ideale Voraussetzungen für Windkraftanlagen. Dieses Potenzial nutzt der Landkreis: Im Jahr 2024 machten die 175 Windenergie-Anlagen mit etwa 454.000 Kilowatt (kW) über die Hälfte der installierten Leistung der regionalen, emissionsfreien Energien aus. Ergänzt wird das Angebot durch Energie aus Biomasse in den Bereichen Strom und Wärme.
Herausforderungen Wärme und Mobilität
Die meiste Wärmeenergie im Landkreis Oder-Spree wird noch
immer überwiegend über Heizöl und Erdgas bereitgestellt. Bis 2030 soll sich das
ändern und die Hälfte der Wärme nachhaltig bereitgestellt werden. Momentan wird
erneuerbare Wärme zum größten Teil (86 %) durch die Verbrennung von Holz
produziert, zu kleineren Teilen durch Solarthermie (8 %) und Umweltwärme (6 %).
Ein weiteres Handlungsfeld im Klimaschutzkonzept ist Mobilität. Aufgrund der dezentralen Besiedelung des Landkreises, alter und neuer Wirtschaftsschwerpunkte und der steigenden Tourismuszahlen steht der Landkreis, der immer noch vom motorisierten Individualverkehr geprägt ist, vor besonderen Herausforderungen hinsichtlich der Mobilität. Zwar gibt es im Landkreis über 700 Ladepunkte für Elektroautos, die meisten davon stehen jedoch gebündelt auf dem Gelände der Giga-Fabrik von Tesla in Grünheide. Der Ausbau der Elektromobilität stellt nicht den primären Fokus der Landkreisverwaltung dar. Vorrang haben entsprechend die Ziele Verkehrsvermeidung, -verlagerung (z.B. auf das Fahrrad) und -bündelung (z.B. über ÖPNV), da Sharing-Möglichkeiten kaum vorhanden sind, das ÖPNV-Netz noch nicht flächendeckend ist und das Fahrrad kaum eine Rolle im Modal Split einnimmt. Teil des Ausbaus des ÖPNV ist zum Beispiel das On-Demand-Verkehrsangebot „DALLI – Dein Brandenbus“. Ein 2022 in Betrieb genommener E-Rufbus, der die gesamte Woche und inzwischen von Donnerstag bis Sonntag auch bis nach Mitternacht im Raum Storkow (Mark) zur Verfügung steht.
Integrative Ansätze für Energiewende und Klimaschutz
Die Handlungsfelder und Maßnahmen in den Konzepten und Strategien des Landkreises Oder-Spree gehen weit über den Ausbau Erneuerbarer Energien und nachhaltiger Mobilität hinaus. Von Gebäudeeffizienz und Sanierung über Forstwirtschaft bis zu Ernährung und Landwirtschaft bieten die detaillierten Pläne einen integrativen Ansatz, um den Erfolg des Gesamtvorhabens des Landkreises Oder-Spree abzusichern. So bietet beispielsweise laut Potenzialanalyse nicht allein der Ausbau erneuerbarer Wärmequellen, sondern auch die Dämmung und Dichtung der bestehenden Gebäude das größte energetische Potenzial im Bereich Wärme. Ebenfalls zentral ist der Wandel des Energiesystems hin zu einer dezentralen Versorgung, die nicht nur technisch gemeistert werden muss, sondern auch als eine Herausforderung für bestehende Geschäftsmodelle betrachtet wird und auch aus dieser Perspektive innovative Ansätze benötigt. Synergien und Sektorenkopplung werden als Potenzial betrachtet, um Prozesse der Energiewende zusammenzulegen, die Wirtschaft zu entlasten und die lokale Wertschöpfung zu maximieren. Weiterhin umfasst das Klimaanpassungskonzept Punkte wie einen Hitzeplan und eine Katastrophenvorsorge, einen zielführenden Waldumbau, unter anderem zur Waldbrand-Prävention, und Maßnahmen zum Boden- sowie Wasserschutz.
Eine Kommunikationsstrategie rundet das Klimaschutzkonzept ab
Beachtenswert am Klimaschutzkonzept des Landkreises ist, dass es begleitend auch eine Kommunikationsstrategie beinhaltet. Diese verfolgt primär die Ziele Wissensvermittlung, Überzeugung und Partizipation. Der Landkreis ist Vorbild, schafft Anreize und setzt auf das Motto „Change mentality, not climate“. Zwei Zielgruppen erhalten besonderes Augenmerk: die Wirtschaft sowie Kinder und Jugendliche. Für letztere wird die Klimabildung durch bestehende sowie neu aufgelegte Arbeitsmaterialien und Projekte gefördert. Zudem soll die Beteiligung jüngerer Menschen dadurch gesichert werden, dass ein Jugendliche*r im verstetigten Klimabeirat ist. In der Wirtschaft erhalten kleine und mittelständische Unternehmen gezielt Informationen, Unterstützung und Beratung. Durch Best-Practice-Beispiele und Netzwerkbildung werden die angesprochenen Unternehmen zum Engagement im Klimaschutz motiviert.
Der Oder-Spree-Kreis zeigt, wie ein ländlicher Landkreis vom Ausbau Erneuerbarer Energien profitieren und dadurch wiederum die Herausforderungen in der Kreisentwicklung durch integrative Konzepte lösen kann. Schlussendlich sollen die Maßnahmen des Klimaschutzes und der Energiewende die im Klimaanpassungskonzept geschilderte „Vision eines lebendigen Landkreises 2050“ stützen.
Die
Stadt Walldorf wurde im Rahmen des Projekts Forum
Synergiewende als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Weitere
Informationen zum Projekt finden Sie hier: https://www.unendlich-viel-energie.de/projekte/forum-synergiewende/projekt-forum-synergiewende
Die Auszeichnung zur Energie-Kommune des Monats steht unter der
Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
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