"Moore sind die Superhelden im Kampf gegen die Klimakrise!"
Die Moore müssen wiedervernässt werden, nicht nur für das Klima, auch für Arbeitsplätze und neues Wirtschaftswachstum, sagt Co-Founderin und Geschäftsführerin von ZukunftMoor, Julia Kasper im Gespräch. „Norddeutschland hat die Chance, zum Zentrum für Paludikultur in Europa zu werden!“
Frau Kasper, Sie sind Co-Founderin und Geschäftsführerin bei einem Start-up namens ZukunftMoor. Zuvor hatten Sie das Unternehmen „holzgespür“ aufgebaut. Eine Online-Plattform, bei der sich die Kunden online ihre maßgeschneiderten Tische aus heimischen Hölzern zusammenstellen können. Wie kommen Sie vom Holz zum Moor?
Das war ein wunderbarer Zufall: Ich hatte mein Unternehmen „holzgespür“ übergeben und war bereit für neue, spannende unternehmerische Aktivitäten. Genau da habe ich über das Alumni-Netzwerk meiner alten Universität, der WHU – Otto Beisheim School of Management, gehört, dass das Team von ZukunftMoor Verstärkung sucht. Nach einigen Gesprächen haben wir entschieden, dass ich mit meinen Erfahrungen das Team als Co-Gründerin und dritte Geschäftsführerin gut ergänzen kann. Heute bin ich superglücklich, ein Pro-Planet Unternehmen mit echtem Impact und tollem Team mit aufzubauen.
Wie der Name ZukunftMoor bereits andeutet, geht es tatsächlich um Moore – und das nicht ohne Grund: Tatsächlich sind Moore für den Klimaschutz und die Emissionen in Deutschland durchaus relevant. Entwässerte Moore sind für knapp 7,5 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen und 40 Prozent der Emissionen in der Landwirtschaft verantwortlich. Wieso?
Moore sind die Superhelden im Kampf gegen die Klimakrise und ich bin sehr froh, dass der Hebel nun deutlich an Relevanz und Aufmerksamkeit gewinnt!
Moore entstanden nach der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren. Organische Stoffe, wie abgestorbene Pflanzen, konnten sich im Wasser ohne Sauerstoff nicht vollständig zersetzen. Dadurch entstand die für Moore charakteristische Kohlenstoffschicht aus Torf – nichts anderes als die Vorstufe zu Kohle! Werden Moore allerdings trockengelegt, verbinden sich der Kohlenstoff und auch der Stickstoff aus dem Boden mit Sauerstoff aus der Atmosphäre zu dem klimaschädlichen CO2 und Lachgas. Trockengelegte Moore heizen so laufend das Klima an. Um diesen Prozess zu stoppen, müssen wir Moore wieder nass machen. Das Wasser auf dem Moorboden schließt dann den Kohlenstoff wieder ein. Nicht nur das: Moore regulieren den Wasserhaushalt, schützen vor Dürre sowie Überschwemmung und tragen zur Artenvielfalt bei. Diese positiven Effekte stellen sich aber nur ein, wenn Moore nass sind.
In Deutschland wurden 95 Prozent der Moore für Forst- und Landwirtschaft, Besiedelung und Torfabbau entwässert. Nun sollen bis 2045 etwa 50.000 Hektar jedes Jahr wieder vernässt werden. Welche Rolle will ZukunftMoor dabei spielen?
Wenn wir die deutschen Klimaziele einhalten wollen, müssen wir bis 2045 alle trockengelegten Moore wiedervernässen, die wiedervernässbar sind. Bis 2030 sollen laut Bund-Länder-Zielvereinbarung fünf der 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus trockengelegten Moorböden reduziert werden. Dafür müssten wir sogar 250.000 Hektar wiedervernässen. Das ist eine Fläche fünfmal so groß wie der Bodensee. Aktuell werden pro Jahr aber nur 2.000 Hektar wiedervernässt. Das Ziel werden wir in Deutschland bei der aktuellen Geschwindigkeit also sehr deutlich verfehlen.
Die große Herausforderung ist, dass 80 Prozent der trockengelegten Moorflächen landwirtschaftlich bewirtschaftet werden. In einer großen Anstrengung haben ganze Generationen das Land urbar gemacht. Landwirtinnen und Landwirte brauchen nun Anreize, um ihre Flächen wieder nass zu machen. Wir sehen „Paludikultur“, die Landwirtschaft auf nassen Moorflächen, als Schlüssel dafür. Um Märkte aufzubauen, muss aber genügend Biomasse produziert werden. Dies wollen wir mit einem initialen Leuchtturm-Betrieb in einer Größe von perspektivisch 1.000 Hektar umsetzen. Unsere Mission: Rentable Paludikultur beweisen, um Wiedervernässung zu beschleunigen.
Wie wird ihre Idee in der Landwirtschaft aufgenommen?
Vielen Landwirtinnen und Landwirten ist bewusst, dass trockengelegte Moorflächen in Zukunft klimaschonend bewirtschaftet werden müssen. Der Großteil kennt „Paludikultur“, allerdings fehlt vielen der wirtschaftliche Beweis auf großer Fläche.
Ich komme selbst aus einem familiengeführten Handwerksunternehmen. Wenn man unserer Familie sagen würde, dass wir nach bekannten Verfahren nicht mehr weiter wirtschaften dürften, wäre das eine Bankrotterklärung. Daher ist es enorm wichtig, mit Paludikulturen unternehmerisch attraktive Alternativen aufzuzeigen.
Deshalb bin ich sehr froh, dass viele Landwirtinnen und Landwirte uns das Signal geben: „Finden wir gut, was ihr vorhabt. Macht doch mal! Wenn das Geschäftsmodell funktioniert, sind wir dabei.“
Parallel dazu wollen Sie zusammen mit Industriepartnern Verwertungsketten rund um Paludikulturen aufbauen. Was kann man sich darunter vorstellen und an welche Produkte haben Sie da gedacht?
Wir haben uns die Verwertungspotentiale aus unterschiedlichen Nutzpflanzen der Paludikultur angesehen und fokussieren uns zunächst auf den Torfmoos-Anbau auf wiedervernässten Flächen. Denn Torfmoose liefern den einzig regional anbaubaren Rohstoff, der Weißtorf in Erden für Pflanzensubstrate vollständig ersetzen kann. Mit dem Anbau von Torfmoosen machen wir den Torfausstieg möglich, den die Bundesregierung für 2026 für Hobbyerden und 2030 für Profisubstrate anvisiert. Auch der Fachhandel drängt auf den Torfausstieg, was den Markt für Torfersatzstoffe zugunsten der Torfmoose beschleunigen wird und uns somit klare Verwertungsketten und -potentiale bietet.
Torfmoose aus Paludikultur beschleunigen so die Wiedervernässung von (Hoch-)Mooren sowie den Torfausstieg und liefern uns die Grundlage für klimaschonend angebautes Gemüse und Zierpflanzen.
Ist die energetische Nutzung ebenfalls eine Option?
Die energetische Nutzung ist eine Option: Nasse Biomasse kann für Biogasanlagen genutzt werden. Greenpeace Energy hat dafür gerade ein Produkt aufgebaut. Reststoffe von Biomasse können auch zu Pellets verarbeitet und verfeuert werden.
Die Bundesregierung fördert auch Photovoltaik-Anlagen auf nassen Moorböden, wenn diese zur Wiedervernässung der Fläche führen. Auch in Kombination mit dem Anbau von Paludikultur ist dies vorstellbar, muss jedoch noch getestet werden. Aus unserer Sicht ist entscheidend, welche Einkommensquelle dazu bewegt, die Fläche dauerhaft wieder zu vernässen und sie torferhaltend und damit klimaschonend zu bewirtschaften. Wenn die energetische Nutzung dies schafft, ist doch prima.
Wo sehen Sie aktuell die Hemmnisse für Landwirt*innen, die Moore wiedervernässen wollen?
Passend zur Landwirtschaft kann man von einem „Henne-Ei-Problem“ sprechen: Da heute so gut wie keine Biomasse aus Paludikultur erzeugt wird, fehlen Verwerter. Weil Verwerter fehlen, stellen landwirtschaftliche Betriebe nicht auf nasse Bewirtschaftung um. Dabei brauchen gerade Betriebe der Landwirtschaft langfristige Abnahmegarantien, sichere Rahmenbedingungen und Planungssicherheit. Erst wenn man weiß, wie der Hof die kommenden 10, 20 oder gar 30 Jahre bewirtschaftet wird, lohnt es sich, Kredite wie für Maschinierung aufzunehmen. Deshalb braucht es auch ein klares Bekenntnis der Politik, auf Paludikultur als moorlandwirtschaftliche Zukunft zu setzen.
Bisher haben politische Rahmenbedingungen Paludikultur eher verhindert: Für nasse Bewirtschaftung entfielen bis zur letzten EU-Förderperiode die Beihilfen. Das ändert sich zum Glück mit der neuen Förderperiode. Wir sind froh, dass mit dem „Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz“ der Bundesregierung die Hälfte der vier Milliarden Euro in Moorschutz investiert werden sollen. Wir hoffen, dass davon genügend bei der Landwirtschaft ankommt.
So eine Vernässung ist auch technisch schwierig, gibt es hier Hilfen für die Landwirt*innen?
Wiedervernässung ist technisch gar nicht so schwierig: Letztlich wird vor allem die laufende Entwässerung gestoppt. Dafür müssen beispielsweise Pumpen abgestellt, Drainagen aus dem Boden genommen, ableitende Gräben aufgestaut oder Wallungen zurückgebaut werden. Abhängig von der jeweiligen Fläche werden dann bauliche Maßnahmen umgesetzt. Für Paludikultur müssen verschiedene Behörden dann Genehmigungen erteilen. Je nach Nutzpflanze ist der ideale Wasserstand verschieden: Torfmoose haben andere Wachstumsbedingungen als Rohrkolben. Für die Produktion sind wissenschaftliche Erkenntnisse aus Forschungsprojekten auf Testflächen öffentlich zugänglich. Sicherlich müssen aber noch viele Projekte erfolgen und personelle Kapazitäten aufgebaut werden, um die Wiedervernässung und den Anbau leichter für Landwirtinnen und Landwirte zu machen.
Warum könnte es dennoch sinnvoll sein, als Landwirt*in bereits heute mit dem Wiedervernässen anzufangen und nicht erst in zehn Jahren?
Je früher wir erfolgreich Paludi-Märkte für neue Einkommen etablieren, desto schneller stellen sich positive Effekte für Klima und Umwelt und damit für uns Menschen ein. Zudem haben wir nicht ewig Zeit, die Wiedervernässung zu starten: Torfschichten schwinden schlichtweg durch die dauerhafte Entwässerung, daher müssen wir jetzt handeln.
Trockengelegte und landwirtschaftlich bewirtschaftete Moorflächen betreffen acht Prozent der Landwirtschaftsfläche von Deutschland. Die Betriebe laufen meist über Generationen hinweg und übernehmen grundlegende Funktionen in der Gemeinschaft vor Ort. In Hinblick auf Mitnahme der Gesellschaft und Investitionen, die wir für die Transformation tätigen müssen, lässt sich dies mit dem Kohleausstieg vergleichen. Wir haben jetzt die Chance, nicht die gleichen Fehler zu machen und der Verweisung der Regionen und damit sozialen Spannungen durch wegbrechende Wirtschaftsstrukturen vorzubeugen.
„Moor muss nass“ nicht nur für das Klima, sondern auch für Arbeitsplätze und neues Wirtschaftswachstum in Moor-Regionen. Gerade Norddeutschland hat die Chance, zum Zentrum für Paludikultur in Europa zu werden!
Eurer Website kann man entnehmen, dass Ihr neben Partnern aus der Wissenschaft auch Investoren habt – außerdem seid Ihr eine GmbH – das heißt Ihr seht in Eurem Start-up durchaus ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell. Welches ist das?
Wir haben uns bewusst als privatwirtschaftliches Unternehmen für Paludikultur gegründet, um anderen Betrieben zu zeigen, dass sich Landwirtschaft auf nassen Moorflächen profitabel umsetzen lässt. Unser Geschäftsmodell ist zunächst recht simpel: Wir bewirtschaften wiedervernässte Moorflächen und erzielen Umsätze, indem wir die Erzeugnisse verkaufen und Paludi-Produkte entwickeln. Bei unserem Paludi-Betrieb fokussieren wir uns zunächst auf Torfmoose, da wir dort den klarsten Anwendungsfall und große Marktpotenziale sehen. Indem wir damit Absatzmärkte aufbauen, lohnt es sich, das Modell weiter zu skalieren.
Im nächsten Schritt denken wir in Wirtschaftsclustern. Wir wollen gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten, Verwertern und relevanten Akteurinnen und Akteuren vor Ort in Infrastruktur wie Maschinenparks und Wertschöpfungsketten investieren. Wir wollen kooperativ trockengelegte Moor-Regionen zu Zentren für nasse Paludi-Märkte aufbauen. Je mehr auf Paludikultur umsteigen, desto schneller steigt die Wiedervernässung und desto geringer werden Treibhausgasemissionen und Fördernotwendigkeiten. Wir nennen das „Paludi at scale“.
Bei unserem Startup gibt es noch eine Besonderheit: Die initialen Investoren sind gleichzeitig auch unsere Mitgründer, die ebenso leidenschaftlich mit uns täglich für Wiedervernässung und Paludikultur arbeiten. Daher sind wir unter Startups eher untypisch. Umso stärker sind wir bei der Überzeugungskraft, Paludikultur als Hebel für Wiedervernässung umzulegen.
Was halten Sie von CO2-Zertifikaten, die Landwirt*innen dafür verkaufen können, dass sie Emissionen aus dem Moor reduzieren?
CO2-Zertifikate als Hebel für Wiedervernässung sind als Mittel zum Zweck sinnvoll. Dafür hat sich in Deutschland der Standard der „MoorFutures“ etabliert. Mit ihnen können sich bspw. die Kosten des Wiedervernässungsprozesses durch freiwillige Kompensationszahlungen decken. Klar, dass es solche Mittel braucht, damit Landbesitzerinnen und -besitzer finanzielle Anreize für Wiedervernässung erhalten.
Diese Zertifikate lassen sich auch weiterdenken: In Zukunft könnten auch die wichtigen Ökosystemleistungen von intakten Mooren honoriert werden. Leistungen für Umwelt und Klima durch Böden sparen schließlich hohe gesellschaftliche Kosten. Produkte wie etwa MoorFutures zeigen, wie nicht nur staatliches, sondern auch privates Kapital mit echtem Impact mobilisiert werden kann.
Moore machen nur drei Prozent der Landfläche weltweit aus, enthalten aber doppelt so viel Kohlenstoff, wie die gesamte Biomasse aller Wälder weltweit, nämlich 600 Milliarden Tonnen. Gibt es Projekte aus dem Ausland, die Euch als Vorbild fungieren?
In vielen Teilen der Welt tut sich etwas: Ein Beispiel ist Indonesien. Dort hat man Moore vor allem für Palmöl trockengelegt. Nach verheerenden Torfbränden mit vielen Toten und Verletzten wird dort staatlich massiv wiedervernässt. Für Paludikultur herrschen dort natürlich andere Bedingungen als bei uns in Europa und Deutschland. Wir orientieren uns daher stark nach Europa und Deutschland.
Hier in Deutschland gibt es einige Pionierinnen und Pioniere wie den Torfmoos-Anbau der „Moorkultur Ramsloh“ in Niedersachsen, den Rohrkolben-Anbau bei Neukalen in Mecklenburg-Vorpommern, die „Klimafarm“ in Schleswig-Holstein oder „Moor-Klimawirt“ Sebastian Petri, der in Brandenburg Nasswiese für Pferdestreu nutzt und Wasserbüffel grasen lässt. Unsere Vorbilder sind diese Menschen, die Landwirtschaft in Moor-Regionen mit Klimaschutz verbinden und neue Wege gehen. Wir sind uns sicher, dass nach der „Save the Forest“ und „Save the Ocean“, bald auch die internationale „Make Paludiculture“-Bewegung mit vielen Vorbildern stattfindet.
Das Interview führte Anika Schwalbe
Das Interview wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des Projektes KlimaPro 2030 gefördert.
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