"Wir wollen nicht nur theoretische Modelle in Excel oder Power-Point sondern Fahrzeuge, die im Alltag funktionieren."

„Hochreiner grüner Wasserstoff für die Hafenlogistik kann nicht einfach durch die aktuell geplanten Pipelines transportiert werden“, sagt Karin Debacher Leiterin der Wasserstoffprojekte der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Kleine Mengen könnten im Trailer-Container transportiert werden, aber bei einem 24/7-Betrieb eines gesamten Containerterminals mit vielen Fahrzeugen dürfe es keine Engpässe geben.“

Frau Debacher, die zukünftige Nutzung von grünem Wasserstoff konzentriert sich aktuell hauptsächlich auf die Schwerindustrie, wie beispielsweise beim Stahlwerk ArcelorMittal in Hamburg. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) testet den Einsatz von Wasserstoff für Geräte in der Hafenlogistik. Benötigen Sie einen anderen Wasserstoff als die Schwerindustrie?

Ja, wir verwenden Brennstoffzellen in unseren Fahrzeugen, die hochreinen, grünen Wasserstoff erfordern. Dieser darf deutlich weniger Verunreinigungen aufweisen als der Wasserstoff, der in der Schwerindustrie genutzt wird, was die Herausforderungen an die Versorgungskette erhöht.

Inwiefern?

Hochreiner grüner Wasserstoff kann nicht einfach durch die aktuell geplanten Pipelines transportiert werden, da diese für andere Reinheitsgrade ausgelegt sind. Das bedeutet, dass wir eine komplett separate Versorgungskette benötigen. Natürlich ist das entstehende Wasserstoffnetz für die Schwerindustrie wichtig, und wir begrüßen diese Entwicklung. Aber für Anwendungen mit hohen Reinheitsanforderungen, wie bei Brennstoffzellen in der Logistik oder der Luftfahrt ist dieses Netz ungeeignet. Hier brauchen wir eine neue Logistiklösung entweder durch den Transport von komprimiertem Wasserstoff in Containern oder als Flüssigwasserstoff. Den Wasserstoff vor Ort zu reinigen, wäre in unserem Fall extrem energieintensiv und technisch anspruchsvoll, besonders an einem Terminal mit begrenzter Flächenverfügbarkeit.

Wird diese neue Transportkette für hochreinen Wasserstoff bereits politisch mitgedacht?

Der Fokus liegt aktuell auf schnelleren, leichter umsetzbaren Lösungen wie den Pipelines für die Schwerindustrie und dem Ammoniak-Import. Unser Thema ist in den politischen Diskussionen noch nicht ausreichend präsent.

Welche technologischen Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von wasserstoffbetriebenen Geräten in die Hafenlogistik?

Zum einen handelt es sich um eine neue Technologie, die noch Kinderkrankheiten hat.Foto: Nele Martensen Wir testen diese aktuell in Prototypen am HHLA Container Terminal Tollerort in Hamburg. Obwohl die Brennstoffzellentechnologie an sich nicht neu ist, muss sie in diesem Kontext erst skaliert und praktisch erprobt werden. Wir sammeln Daten, setzen die Fahrzeuge ein und arbeiten daran, die benötigte Infrastruktur wie Tankstellen und Lagermöglichkeiten zu schaffen. Ein großes Problem ist die derzeit fehlende, zuverlässige Versorgungskette. Kleine Mengen können im Trailer-Container transportiert werden, aber bei einem 24/7-Betrieb eines gesamten Containerterminals mit vielen Fahrzeugen darf es keine Engpässe geben.

Welche Menge grünen Wasserstoffs wird für den Betrieb aller Geräte im Hamburger Hafen benötigt?

Konkrete Mengen kann ich derzeit nicht nennen, aber der Bedarf wäre signifikant, wenn wir einen Großteil unserer Terminal-Fahrzeuge mit Wasserstoff betreiben.

Bis wann planen Sie, Ihre Logistik komplett auf wasserstoffbetriebene Geräte umzustellen?

Unser Ziel ist es, bis 2040 als HHLA klimaneutral zu sein. Das klingt vielleicht weit weg, aber da die Fahrzeuge lange im Einsatz bleiben, müssen wir schon jetzt intensiv an Lösungen arbeiten. Grüner Wasserstoff wird dabei eine wichtige Rolle spielen.

Erhoffen Sie sich durch den Einsatz von Wasserstoff langfristig einen Wettbewerbsvorteil?

Unser Hauptziel ist die Klimaneutralität. Wir arbeiten auch mit anderen Hafenbetreibern zusammen, um die gesamte Industrie möglichst schnell klimaneutral zu machen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass unsere Kunden zunehmend nach klimaneutralen Logistikketten fragen. Diesen Bedarf können wir bereits bedienen, was uns natürlich einen Vorteil verschafft.

Wasserstofftechnologie ist oft mit hohen Kosten verbunden. Wie bewerten Sie die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu fossilen Brennstoffen?

Derzeit ist Wasserstoff noch teurer als fossile Alternativen. Deshalb benötigen wir Fördermittel, um einen großen Teil unserer Flotte klimaneutral betreiben zu können.

Wie bewerten Sie die aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Wasserstoff in der Logistik?

Der politische Rahmen ist noch nicht optimal auf den Hochlauf in der Logistik abgestimmt.

Würden Sie im Notfall auch grauen Wasserstoff für den Betrieb der Fahrzeuge in Erwägung ziehen?

Nein, wir setzen ausschließlich auf grünen Wasserstoff. Unsere erste Wasserstoff-Tankstelle wurde vor kurzem eröffnet, hier betanken wir die Fahrzeuge mit grünem Wasserstoff. Unser Ziel ist die Dekarbonisierung. Die erreichen wir mit grünem Wasserstoff.

Wie stark ist der internationale Austausch in der Logistik in Bezug auf Wasserstoff?

Wir sind als europäischer Logistikkonzern in ganz Europa aktiv. Alle unsere Standorte stehen vor der Herausforderung der Dekarbonisierung. Je nach Standort eignen sich unterschiedliche Technologien unterschiedlich gut.

Gibt es Standorte, an denen Elektrifizierung mehr Sinn macht als Wasserstoff?

Ob Elektrifizierung oder Wasserstoff sinnvoller ist, hängt stark vom Layout des Terminals und den eingesetzten Fahrzeugen ab. Für einen Großteil der Fahrzeuge sind batterieelektrische Lösungen die bevorzugte Wahl. Bei Fahrzeugtypen mit besonders hohem Energiebedarf stoßen wir jedoch an die Grenzen der Batterietechnologie. In solchen Fällen kann der Einsatz von Brennstoffzellenfahrzeugen eine geeignete Lösung zur Dekarbonisierung sein.

Hamburg setzt stark auf grünen Wasserstoff zum Beispiel mit dem geplanten Elektrolyseur im ehemaligen Kohlekraftwerk Moorburg. Wie beurteilen Sie Hamburgs Bedeutung im europäischen Kontext?

Das ist zunächst einmal sehr begrüßenswert. In Hamburg wird nicht nur geplant, sondern die Projekte werden auch umgesetzt und vorangetrieben. Es wird viel unternommen, um verschiedene Potenziale und Quellen für grünen Wasserstoff zu erschließen. Hamburg ist dafür ein idealer Standort, da hier der Hafen und die Industrie eng miteinander verbunden sind. Der Hamburger Hafen ist zudem ein riesiges Industriegebiet.
Hier gibt es sowohl Abnehmer als auch potenzielle Quellen für grünen Wasserstoff, was den Aufbau einer eigenständigen Wasserstoffwirtschaft erleichtert. Die Industrie, ist sehr engagiert, und die Politik unterstützt diese Entwicklungen ebenfalls. Dennoch braucht es zusätzliche Projekte und Quellen, um den wachsenden Bedarf zu decken.

Wir benötigen insbesondere weitere Importprojekte, um Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erhalten, vor allem hochreinen Wasserstoff, und diesen dann auch effizient weiterverteilen zu können. Hamburg könnte sich zu einem wichtigen Drehkreuz für grünen Wasserstoff entwickeln - sowohl für Deutschland als auch für Europa.

Was ist der nächste große Meilenstein für Sie?

Wir haben unser erstes Fahrzeug in Betrieb genommen, das an unserer eigenen Wasserstofftankstelle mit grünem Wasserstoff betankt wird. Das ist ein wichtiger Schritt, der zeigt, dass wir in die Umsetzungsphase kommen. Der nächste Schritt besteht darin, Daten zu sammeln, auszuwerten und ein tiefes Verständnis dafür zu entwickeln, was es bedeutet, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge im realen Betrieb einzusetzen.

Aktuell haben wir eine Zugmaschine im Einsatz und werden in den kommenden Monaten weitere Fahrzeuge und Prototypen von verschiedenen Fahrzeugtypen hinzubekommen. Das ermöglicht es uns, noch mehr über den praktischen Einsatz zu lernen. Wir wollen nicht nur theoretische Modelle in Excel oder Power-Point sondern Fahrzeuge, die im Alltag funktionieren.

Wie werden diese Daten genutzt? Bleiben sie intern?

Nein, wir haben das Clean Port and Logistics Cluster gegründet, in dem wir die gewonnenen Daten und Erkenntnisse mit den Clustermitgliedern teilen. Jedes interessierte Unternehmen kann Mitglied werden. Durch diesen Austausch können andere Logistikstandorte von unseren Erfahrungen profitieren und müssen nicht bei null anfangen. So können sie direkt bei einem höheren Entwicklungsstand ansetzen und vielleicht bald Fahrzeuge von der Stange kaufen, dabei genau wissen, wo und wie eine Tankstelle sinnvoll ist, und besser abschätzen, bei welchen Fahrzeugtypen Wasserstoff am meisten Sinn macht.

Gibt es schon viele Unternehmen oder Zulieferer, die diese Fahrzeuge serienreif entwickeln, damit sie für den Hochlauf bereitstehen?

Derzeit handelt es sich noch um Prototypen. Aber wir haben verschiedene Hersteller, die in unserem Cluster aktiv sind und großes Interesse zeigen. Es gibt unterschiedliche Entwicklungsstände – einige Hersteller sind sehr proaktiv, während andere etwas zurückhaltender agieren, was bei neuen Technologien oft der Fall ist. Wir stehen mit vielen Unternehmen im Austausch und sehen definitiv eine hohe Bereitschaft und Interesse, diese Geräte weiterzuentwickeln.