Alte Energiewelt - neue Ziele?

Während energiepolitische Beschlüsse der Bundesregierung zur Zukunft der Energiewende auf sich warten lassen, machen nicht nur die Branche der Erneuerbaren Energien, sondern mittlerweile auch einzelne Vertreter der „alten Energiewelt“ Druck für einen entschlossenen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung. Diese schon seit längerem anhaltende Entwicklung wird durch die schleppende Umsetzung energiepolitischer Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD immer stärker sichtbar. 

So auch beim jüngsten Kongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), wo die Vorstandsvorsitzende des Darmstädter Energieversorgers ENTEGA, Marie-Luise Wolff, als neu gewählte Präsidentin an die Spitze des Verbandes aufstieg. Spiegel Online spekulierte, mit Wolff könnte die herkömmliche Energiewirtschaft auf einen offensiveren Kurs bei der Unterstützung der Energiewende einschwenken. Sie sehe sowohl den Energieverband BDEW als auch die Unternehmen in der Pflicht, diese Energiewende zu Ende zu bauen, zitiert Spiegel Online die neue Verbandspräsidentin. Mit der Überschrift „Energiebranche jetzt für zügigen Kohleausstieg“ berichteten verschiedene Online- und Print-Medien über den BDEW-Kongress, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Wolff erklärte gegenüber der FAZ, das im Koalitionsvertrag ausgegebene Ziel einer Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf 65 Prozent bringe es mit sich, eine Emissionsminderung um 61 Prozent zu schaffen. Bisher hatte sich Deutschland das Ziel gesetzt, den Ausstoß von Klimagasen bis 2030 gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent zu senken.

strom_kabel(c)maradon-333_shutterstockNeue EU-Champions?
Dreh- und Angelpunkt zur Erfüllung solcher Ziele sind neben den politischen Vorgaben bekanntlich die Unternehmen. Über die im Frühjahr beschlossene, aber von den Kartellbehörden noch nicht genehmigte Transaktion zweier Schlüssel-Firmen der alten Energiewelt - E.ON und RWE - macht sich Gerard Reid in seinem englischsprachigen Energy Carbon Blog Gedanken. Durch das Tauschgeschäft steigt E.ON laut Reid zum größten Netzbetreiber und Stromverkäufer in Europa auf, während sich RWE zum zweitgrößten Stromproduzenten und zum drittgrößten Eigner auf dem Erneuerbaren-Markt des Kontinents mausert. „Ich verstehe die wirtschaftliche und finanzielle Logik hinter dem Deal, bin aber nicht einverstanden mit seiner strategischen Logik, die schlecht für den Endkunden, den deutschen Steuerzahler, die langfristige Nachhaltigkeit beider Firmen und die gegenwärtige Energiewende sein wird“, meint der Analyst des Energy Carbon Blog.

Anfänge eines Energie-Kartells oder neues vertikal integriertes Modell?
Nach Reids Einschätzung kann ein großer Stromproduzent wie RWE nicht ohne Kunden überleben und wenn er dies tut, so setzt er sich den Launen der Großhandelsmärkte aus, die ihn in riskante mit Verlusten aus der Stromproduktion behaftete Situationen bringen könnten. Mit Blick auf E.ON bezweifelt Reid andererseits, ob ein solch großer Stromanbieter seine Risiken beherrschen könne, ohne seinerseits Stromproduktionsstätten zu besitzen oder zumindest zu kontrollieren. Natürlich könne RWE seinen Strom an E.ON über eine langfristige Vereinbarung abgeben. Das jedoch werfe die Frage auf, so Reid, ob man gerade die Anfänge eines Energie-Kartells sehe oder sogar die Rückkehr zu einem vertikal integrierten Modell, von dem sich E.ON und RWE doch wegbewegen wollten. Von welcher Warte aus man es auch betrachte, der Wettbewerb werde voraussichtlich leiden, was schlecht für die Kunden sei. Für die Beschäftigten der Unternehmen sieht Reid ebenso Nachteile wie für die deutsche Gesellschaft. Die Antwort auf die Frage nach Sinn und Zweck des E.ON-RWE-Geschäfts liegt für ihn in der Sorge um den Aktienkurs der Firmen. Doch habe die Regierung durch die Übernahme von Atom-Haftungsrisiken den beiden schon unter die Arme gegriffen, gibt er zu bedenken und erinnert an einen bisher ausgebliebenen Wandel in den beiden Unternehmen im letzten Jahrzehnt.

Im Vorlauf zur ersten Sitzung des auch als Kohlekommission bekannten Gremiums „Wachstum, Strukturwandel Beschäftigung“, die sich mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung beschäftigen soll, drohte RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz gegenüber der Rheinischen Post mit Schadenersatzforderungen. Wer zu früh aus der Kohle aussteige, werde dafür teuer bezahlen müssen. Dass der Kohleausstieg bis 2030 zu schaffen sei, glaubt Schmitz indes nicht, selbst wenn die Erneuerbaren Energien bis dahin 65 Prozent des Strombedarfs decken könnten. Zur Zukunft der Tagebaue sagte er: „Aus dem Tagebau Hambach wird sogar das zweitgrößte Binnengewässer nach dem Bodensee. Doch bis Sie darin baden können, wird es noch dauern.“

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- Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht. -