Energie-Kommune des Monats: Sprakebüll
September 2024
Sprakebüll, ein kleines Dorf zwischen Nord- und Ostsee, setzt bereits seit Jahren auf Erneuerbare Energien und demonstriert, wie der Verkehr mit vor Ort erzeugtem Strom zukunftsfähig gestaltet werden kann. Nur 15 Kilometer von der dänischen Grenze entfernt, befindet sich die nordfriesische Gemeinde, in der etwa 270 Menschen leben und überdurchschnittlich viele Elektroautos fahren. Seit über 25 Jahren erzeugt Sprakebüll Strom durch Erneuerbare Energien selbst – mehr als im Dorf verbraucht wird. So entstand die Idee, Elektromobilität zu fördern, um den überschüssigen Strom für klimafreundliche Mobilität nutzen zu können. Auf diese Weise werden die Energiesektoren Strom und Verkehr gekoppelt.
Zukunftsorientierte Mobilität mit der Elektroauto-Offensive und dem Dörpsmobil
In ländlichen Regionen steht die Verkehrswende vor anderen Herausforderungen als in der Stadt. Die Menschen sind hier stärker auf ein eigenes Auto angewiesen, da öffentliche Verkehrsmittel häufig fehlen und viele Ziele per Fahrrad oder zu Fuß nur schlecht zu erreichen sind. Um die Emissionen im Verkehr zu reduzieren, müssen mehr Pkw klimaneutral angetrieben werden, wobei das Potenzial von Elektromobilität besonders groß ist. Die Einschätzung, Elektromobilität sei vor allem für Städte geeignet, wo meist kürzere Strecken zurückgelegt werden und die Ladeinfrastruktur gut ausgebaut ist, teilen die Sprakebüller*innen nicht. Mit mehr als 20 elektrisch betriebenen Pkw bei insgesamt 250 Fahrzeugen, waren in Sprakebüll zwischenzeitlich so viele Elektroautos pro Einwohner*in zugelassen, wie nirgendwo sonst in Deutschland. Das Dorf beweist, wie gut sich Elektroautos ins ländliche Leben einfügen können. Die meisten Einwohner*innen verfügen neben ihren Häusern über eine eigene Garage, wo das Elektroauto über Nacht unkompliziert geladen werden kann - eine ideale Lösung beispielsweise für Berufspendler*innen.
Die Anfänge der Elektromobilität in Sprakebüll gehen auf die Bürger*innenwindparks im Ort zurück. 1998 wurde ein erster Windpark bestehend aus fünf Windenergieanlagen erbaut. Mittlerweile wurden die Anlagen durch leistungsstärkere Modelle mit jeweils drei Megawatt ersetzt. 2011 kam ein weiterer Bürger*innenwindpark mit drei Windanlagen hinzu, den sich Sprakebüll mit dem Nachbarort Stadum teilt. Die Windenergieanlagen erzeugen ein Vielfaches des Stroms, der vor Ort verbraucht wird. Häufig mussten die Anlagen jedoch abgeschaltet werden, da das Netz bereits ausgelastet war. Dieses ungenutzte Potenzial wollten die Beteiligten schließlich ändern. So entstand 2016 die Idee, den überschüssigen Strom zum Laden von Elektroautos zu nutzen. Dadurch müssen die Windanlagen nicht mehr abgeregelt werden und die Autos in Sprakebüll fahren klimafreundlich. Doch wie ist es gelungen, dass Elektromobilität in dem Ort so gut angenommen wird und viele Bürger*innen sich für ein Elektro-Pkw entschieden haben?
Durch verschiedene Angebote gestaltete sich die Anschaffung eines Elektroautos für die Bewohner*innen attraktiver. Interessierte konnten eine Beratung sowie Unterstützung bei der Wahl eines Elektroautos auf dem GreenTEC Campus im 15 Kilometer entfernten Enge-Sande in Anspruch nehmen. Auf dem Campus beschäftigen sich verschiedene Akteure mit Themen wie Erneuerbare Energien, Elektromobilität und autonomes Fahren. Nicht zuletzt dürften auch finanzielle Anreize die Wahl zugunsten eines Elektroautos beeinflusst haben. „Wir haben die Leasingraten für Gesellschafter [des Windparks] subventioniert. Durch die sehr guten Erfahrungen hat sich das Thema Elektromobilität viel früher bei den Bürgern durchgesetzt und die Berührungsängste waren genommen. Das hat dazu geführt, dass wir 2015 die höchste E-Mobilitätsrate pro Einwohner in Deutschland hatten“, erklärt Christian Andresen, Geschäftsführer des Bürger*innenwindparks sowie der Firma Solar Andresen. Seit Jahren ist Solar Andresen in Sprakebüll besonders engagiert im Bereich Erneuerbare Energien. Das familiengeführte Unternehmen mit über 60 Mitarbeitenden baut Photovoltaik-Anlagen und ist ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Daneben beteiligt sich die Familie Andresen in der Betreuung der Wind- und Solarparks und unterhält eine Biogasanlage. Neben der Anschaffung der Elektrofahrzeuge wird auch das Leasing der Ladeboxen in privaten Haushalten vom Windpark mit einem monatlichen Betrag von 100 Euro bezuschusst. Wenn einmal die Zeit drängt oder für Menschen auf der Durchreise, stellt das e-mobile Dorf eine öffentliche Schnell-Ladestation zur Verfügung.
Der Fokus der zukunftsorientierten Mobilität liegt jedoch nicht allein auf der Förderung privater Elektro-Autos. Mit dem „Dörpsmobil“ wurde 2016 zudem ein elektrisch betriebenes Gemeinschaftsauto angeschafft. „Dörp“ ist Plattdeutsch und bedeutet Dorf, das Dörpsmobil ist somit ein Auto für das Dorf. Das flexible Leihauto soll dazu beitragen, den Zweitwagen in vielen Haushalten zu ersetzen. Das Dörpsmobil kann gegen eine Gebühr von 2,50 € pro Stunde unkompliziert über ein Online-Buchungssystem ausgeliehen werden. Betreut wird das Carsharing-Projekt durch zwei ehrenamtlich tätige Bürger*innen. In grünen Buchstaben steht auf dem Auto „Was uns bewegt, treibt uns an“. Das Dörpsmobil soll durch positive Erfahrungen Akzeptanz für Elektromobilität und Carsharing in der Gemeinde schaffen. Viele Einwohner*innen sind bereits überzeugt und nutzen das Auto regelmäßig. Sprakebülls Bürgermeister Jürgen Hansen berichtet: „Die Auslastung des E-Mobils hat in den letzten Jahren stetig zugenommen, aber es ist natürlich noch nicht kostendeckend. Den Unterschuss teilen sich Bürgerwindpark und Gemeinde“. Mit dem Carsharing auf dem Land erweist sich Sprakebüll als Vorreiter, mittlerweile sind Gemeinden in ganz Schleswig-Holstein dem Beispiel gefolgt und haben ein Gemeinschaftsauto ins Leben gerufen.
Die Beteiligung der Bürger*innen hat in Sprakebüll stets Priorität
Bereits seit über 25 Jahren wird die Energiewende in Sprakebüll umgesetzt. Das Potenzial Erneuerbarer Energien für den Klimaschutz, aber auch für die Gemeinde und ihre Bewohner*innen wurde früh erkannt. Dabei war von Beginn an klar, dass die Bewohner*innen an den Erneuerbare-Energien-Anlagen beteiligt werden sollen. Dazu zählen neben dem direkten Dialog auch finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten. In Sprakebüll ist die Beteiligung der Bevölkerung bei Erneuerbare-Energien-Projekte nicht nur Mittel zum Zweck, sondern hat Priorität. „Die kleine Gemeinde Sprakebüll kann für andere Gemeinden insoweit ein Vorbild sein, indem gezeigt wird, was in einer Gemeinde mit ca. 270 Einwohnern alles machbar ist. Diese Entwicklung ist aber nur durch den Aufbau der erneuerbaren Energien bei uns im Dorf möglich geworden. Besonders hervorheben muss man hierbei, dass alle Bürgerwindparks und Bürgersolarpark[s] mit Beteiligung der Einwohner Sprakebülls und teilweise der Nachbargemeinde Stadum errichtet wurden. Die Gemeinde hatte sich damals dafür eingesetzt, dass immer eine Bürgerbeteiligung möglich sein muss“, weiß Jürgen Hansen.
Die Beteiligung sichert die Akzeptanz und Unterstützung für Erneuerbare Energien vor Ort, sodass neben den Windparks weitere Projekte umgesetzt werden konnten. Zwei Solarparks, ebenso in Bürger*innenhand, erzeugen heute Strom aus Solarenergie. Auf den Dächern haben viele Sprakebüller*innen Photovoltaik-Module installiert. In der Gemeinde wurde 2021 insgesamt 50 Mal so viel Strom erzeugt wie verbraucht. Seit 2013 werden außerdem 60 Häuser mit 200 Anwohner*innen mit erneuerbarer Wärme versorgt. Die Abwärme der Biogasanlage der Familie Andresen wird an die Haushalte geleitet, wobei den Betrieb des Fernwärmenetzes eine hierfür gegründete Wärmegenossenschaft übernimmt. Für ihre vorbildliche Wärmeversorgung wurde die Gemeinde 2013 von der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz SH GmbH ausgezeichnet. 2015 wurde außerdem eine Stiftung durch den Bürger*innenwindpark gegründet, die verschiedene gesellschaftlich relevante Ziele verfolgt. Die Windparks zahlen jährliche Spenden ein und gewährleisten somit die Aktivitäten der Stiftung. Auch Schulen, Kindergärten und sonstige soziale Einrichtungen in Sprakebüll werden mit Spenden durch die Erneuerbare-Energien-Anlagen bedacht.
Während die Region früher vor allem durch Landwirtschaft geprägt war, stellen Erneuerbare Energien heute einen immer bedeutenderen Wirtschaftszweig dar. Einerseits werden Arbeitsplätze geschaffen, so wie bei Solar Andresen, die neben der Installation konventioneller Photovoltaikanlagen, auch innovative Solarkonzepte entwickeln: Ein solarbetriebener Feldroboter beispielsweise befindet sich im Portfolio des Unternehmens. Andererseits verbleibt auch die Wertschöpfung der Wind- und Solarparks in der Region. Die Einnahmen aus Gewerbesteuern füllen die Gemeindekasse auf und durch die Erlöse der Anlagen profitieren Bürger*innen auch direkt. „Die erneuerbaren Energien sind der wichtigste Bestandteil der Wertschöpfung in unserer Gemeinde. Durch die Bürgerbeteiligung haben wir eine Akzeptanz und Teilhabe für alle geschaffen, da wir durch die Einnahmen Infrastruktur wie Breitbandnetz, Fahrradwege und Carsharing aufbauen konnten, die alle nutzen können“, hebt Christian Andresen hervor. Allein die Windparks bringen der Gemeinde jährlich etwa 400.000 Euro an Steuern ein. Die gleichmäßigen und zuverlässigen Einnahmen ermöglichten bereits zahlreiche Investitionen, die den Bürger*innen zu Gute kommen. Ein Spielplatz wurde modernisiert, ein neues Feuerwehrgerätehaus konnte finanziert und kostenloser Musikunterricht kann für Sprakebüllers Kinder angeboten werden. Daneben wurden Radwege, wie die lang ersehnte Fahrradstrecke in die Nachbarortschaft Leck gebaut, die die Lebensqualität vieler junger Menschen mit Kindern erhöhen und gleichzeitig einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Verkehrswende bedeuten. „Die Ansiedlung von erneuerbaren Energien in Sprakebüll […] hat der Gemeinde finanziell sehr geholfen. Viele Projekte konnten verwirklicht werden, die so sonst nicht möglich gewesen wären“, fasst Bürgermeister Hansen zusammen.
Die Gemeinde Sprakebüll wurde im Rahmen des Projekts Forum
Synergiewende als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Weitere
Informationen zum Projekt finden Sie hier: https://www.unendlich-viel-energie.de/projekte/forum-synergiewende/projekt-forum-synergiewende
Die Auszeichnung zur Energie-Kommune des Monats steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
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