Mythos #1: Können wir mit Atomkraft unser Klima schützen?

Nein! Fakt ist: Atomkraft kann schon deshalb nicht zum Klimaschutz beitragen, weil sie kein großes und schnell zu erschließendes Ausbaupotenzial hat. 

Anfang 2025 sind weltweit 417 Atomkraftwerke mit einer Leistung von rund 375 Gigawatt in 32 Ländern in Betrieb. Sie liefern rund 2,6 Billionen Kilowattstunden im Jahr. Das sind rund neun Prozent der globalen Stromerzeugung.

Wollte man mithilfe der Atomenergie einen effektiven Klimaschutzbeitrag leisten, müsste die Atomkraft weltweit massiv und sehr schnell ausgebaut werden. Das geht jedoch gar nicht. Es wäre extrem teuer, unsicher und langwierig. Die Planungs- und Bauzeiten eines Atomkraftwerks sind sehr lang. Laut der Internationalen Atomenergieorganisation IAEA befinden sich weltweit 63 Reaktoren im Bau, die mit Abstand meisten davon in China. Im Jahr 2024 sind sieben AKW mit einer Gesamtkapazität von rund 8,2 Gigawatt neu in Betrieb gegangen. Aufgrund des hohen Durchschnittsalters der weltweiten AKW-Flotte in Höhe von 32 Jahren gehen jedoch auch Meiler vom Netz. So ist die Gesamtzahl an Kernkraftwerken vom historischen Höchststand von 440 im Jahr 2005 trotz einiger Neubauten bis Ende 2024 auf 417 gefallen, während die insgesamt installierte elektrische Leistung und erzeugte Strommenge stabil geblieben ist. Der Anteil der Atomenergie an der globalen Stromerzeugung hatte im Jahr 1996 mit 17,5 Prozent seinen Höchststand und ist seitdem auf neun Prozent gesunken.

Bei vielen AKW-Neubauprojekten gibt es enorme Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen. Zwischen Baubeginn und Netzanschluss der von 2021 bis 2023 in Betrieb genommenen Anlagen vergingen im Schnitt zehn Jahre. In Zentral- und Westeuropa sind die prominentesten Beispiele für AKW-Neubauten Olkiluoto in Finnland, Flamanville in Frankreich und Hinkley Point C in Großbritannien. Alle drei zeichnen sich durch massive Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen aus. Der Bau von Olkiluoto begann im Jahr 2005, die Netzanbindung erfolgte 2022 und der kommerzielle Betrieb startete im April 2023, bis dahin vergingen also 18 Jahre. Ähnlich in Flamanville: Baubeginn war hier 2007, nach diversen Terminverschiebungen und Kostensteigerungen verkündete EDF erst kurz vor Weihnachten 2024, dass die Einspeisung von Strom ins französische Netz begonnen habe. Die Kosten waren dabei zuletzt auf rund 13 Milliarden Euro gestiegen. Ursprünglich sollte der Neubau 2012 ans Netz gehen und „nur“ 3,4 Milliarden Euro kosten, zwischenzeitlich rechnete der französische Rechnungshof jedoch sogar mit 19 Milliarden Euro. Bei Hinkley Point C in Großbritannien explodieren die Kosten und verschieben sich die Zeitpläne ebenso. Die Inbetriebnahme ist inzwischen für 2030 avisiert und die zuletzt genannten Kosten belaufen sich auf 46 Milliarden Pfund (52 Milliarden Euro), etwa dreimal so viel wie im Jahr 2017 veranschlagt.

Demgegenüber wachsen die Erneuerbaren Energien rasant, insbesondere die Wind- und Solarenergie. Weltweit hat sich die installierte Leistung Erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung laut Internationaler Agentur für Erneuerbare Energien IRENA zwischen 2014 und 2023 mehr als verdoppelt von rund 1.700 auf 3.900 Gigawatt. Allein im Jahr 2023 wuchs die installierte Leistung um 473 Gigawatt. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hatte damit das 22. Jahr in Folge stark zugenommen. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft, Wind- und Solarenergie, Biomasse und Geothermie stieg zwischen 2014 und 2023 von rund 5,3 auf neun Billionen Kilowattstunden. Das war mehr als das Dreifache der Atomstromerzeugung, bzw. 27 Prozent des weltweiten Strombedarfs im Jahr 2023.

Gemessen an den Klimaschutzerfordernissen reicht der bisherige Ausbau der Erneuerbaren Energien leider bei Weitem noch nicht aus. Die Atomenergie kann das Problem jedoch nicht lösen. Sie kann in den für die Bekämpfung der Klimakrise entscheidenden nächsten zehn bis 20 Jahren keine bedeutende Rolle spielen. Die Lösung kann nur im beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien liegen, sowohl in Deutschland als auch weltweit. Zudem muss eine wirksame Bremse für den weltweiten Energiebedarf gefunden werden.

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