Energiegenossenschaften leisten einen wichtigen Beitrag für die Energiewende

Die Transformation unserer Energieversorgung ist vor allem eine gesellschaftliche Herausforderung, sagt Laura Zöckler, Vorstandsmitglied der Heidelberger Energiegenossenschaft (HEG). Sie funktioniere nur, wenn die Menschen mitgenommen werden. Bei einer Energiegenossenschaft ist das möglich, „wir sind kein anonymer Konzern“.

Frau Zöckler, Sie sind Vorstandsmitglied der Heidelberger Energiegenossenschaft. Warum sollte es eine Energiegenossenschaft sein?

Laura Zöckler (Foto: Bürgerwerke eG)Erneuerbare Energien sind schon lange Teil meines Lebens, auch wenn ich das erst später erkannt habe. Durch meine älteren Geschwister hatte ich schon sehr früh gehört, dass eigentlich Erneuerbare die Lösung sind und war deswegen sehr aufgeschlossen. Ich hatte auch mal angefangen, Physik zu studieren, um damit später im Bereich der Energiewende etwas beitragen zu können. Als ich dann nach Heidelberg zum Studium gezogen bin, habe ich an einem Workshop teilgenommen, bei dem ich eine Stellwand über die Heidelberger Energiegenossenschaft und andere nachhaltige Initiativen gesehen habe. Also bin ich kurze Zeit später bei der HEG vorbeigegangen und seitdem dort geblieben. Erst habe ich freiwillig im Projektteam mitgearbeitet. 2018, genau einen Monat nachdem ich mein Politikwissenschaft-Studium beendet hatte, bin ich in den Vorstand bestellt worden.

Bei der HEG arbeiten Sie mittlerweile im Bereich Presse und Kommunikation. Warum gerade hier?

Während meines Studiums habe ich viel mit Kommunikation jeglicher Art zu tun gehabt, das liegt mir. Zum Planen für Anlagen und ähnliches gab es bei der HEG schon viele helfende Hände. Die Arbeit der Genossenschaft aber auch in der Öffentlichkeit stärker zu zeigen – da habe ich noch mehr Potential gesehen, deswegen wollte ich mich hier einbringen. Es gibt diverse Energiegenossenschaften, die super coole Projekte umsetzen, aber kaum darüber reden. Dann kriegt es aber auch niemand mit. Das wollte ich bei uns verhindern. Kaum zu glauben, aber mittlerweile mache ich das seit zehn Jahren. Es macht einfach Spaß, über eine gute Sache zu reden, hinter der man zu 100 % steht.

Warum hat man sich damals für eine Genossenschaft entschieden und nicht für eine andere Rechtsform?

Für Solarprojekte ist die Genossenschaft in Deutschland eine der typischen Rechtsformen. Das liegt vor allem daran, dass es eigentlich die demokratischste Unternehmensform ist, die es so gibt. Bei uns zum Beispiel kann man schon ab 100 Euro Mitglied werden, bei manchen Genossenschaften sind es 250 Euro, aber generell sind die Beiträge relativ gering. Außerdem spielt es erstmal im Gegensatz beispielsweise zur Aktiengesellschaft keine Rolle, wie viel Geld man als Mitglied der Genossenschaft zahlt: Jedes Mitglied hat genau eine Stimme in der Generalversammlung. Das heißt, jeder und jede hat unabhängig von der Höhe seiner Investition das gleiche Mitspracherecht, um Belange der Genossenschaft mitentscheiden zu können. Es gibt zwar auch simplere Rechtsformen wie zum Beispiel bei Windparks, die öfter als GbR geführt werden. Hier sind es weniger Beteiligte und der Jahresabschluss ist nicht so komplex. Bei der Genossenschaft hingegen ist die Verwaltung aufwendiger, wird werden beispielsweise sehr genau durch den Verband. Geprüft. Das ist zwar in der Vorbereitung aufwendig, aber auch sehr gut, denn es führt dazu, dass Genossenschaften quasi nicht insolvent gehen.

Mittlerweile zählt die HEG weit über 1000 Mitglieder. Wirkt sich die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger konkret auf die Akzeptanz der Erneuerbaren in der Region um Heidelberg aus?

Laura Zöckler mit Kollegen (Heidelberger Energiegenossenschaft)Wir haben aktuell 1.036 Mitglieder und es kommt pro Woche etwa eine Handvoll hinzu. Wir erleben seit vielen Jahren einen wirklich großen Zuspruch. Ich kann jetzt aber für Heidelberg natürlich nicht sagen, wie es ohne unsere Genossenschaft wäre. Aber es gibt natürlich viele Studien, die sich mit der Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Projekten auseinandersetzen. Die zeigen, dass die Akzeptanz steigt, wenn Menschen sich vor Ort beteiligen können und auch das Gefühl haben, ernsthaft gehört zu werden. Gerade auch bei Windenergieanlagen sieht man, dass bei einer inhaltlichen und finanziellen Beteiligung der Menschen der Widerstand deutlich abnimmt.

Wenn wir mit Menschen ins Gespräch kommen, zum Beispiel an einem Marktstand oder über Social Media, erfahren wir letztendlich nur Zustimmung. Akteure vor Ort, wie Genossenschaften oder auch andere Initiativen, die sich mit Erneuerbaren Energien beschäftigen, können die Bedenken, die es bei Menschen vielleicht noch gibt, wirklich extrem gut auflösen und leisten viel Aufklärungsarbeit. Wir setzen die Projekte konkret um, bei uns kennt man die Menschen, die dahinter stehen. Wir sind kein anonymer Konzern. Wir steigern die regionale Wertschöpfung und die Renditen fließen an unsere Mitglieder zurück, also an die Menschen, die quasi neben den Anlagen wohnen oder die am Wochenende daran vorbeispazieren können.

Wir werden die Energiewende nur schaffen, wenn die Menschen mitmachen, denn technologisch sind die Lösungen ja da. Es ist eine gesellschaftliche Herausforderung, diese Transformation rechtzeitig zu schaffen, und das funktioniert eben nur, wenn die Menschen mitgenommen werden und das ermöglichen wir Energiegenossenschaften.

Sie engagieren sich auch bei den Bürgerwerken, einem bundesweiten Zusammenschluss von Energiegenossenschaften. Wie kam es dazu?

Eigentlich habe ich mir schon in jungen Jahren geschworen, dass ich niemals Werbung für etwas machen würde. Ich sah Werbung immer kritisch, weil sie oft nur sinnlosen Konsum antreibt. Und jetzt mache ich quasi Vollzeit Werbung für die Energiewende in Bürgerhand. Ich bin 2015 als Praktikantin und Werkstudentin zu den Bürgerwerken gekommen. Nach meinem Studium wurde ich übernommen. Nun arbeite ich 70 Prozent bei den Bürgerwerken und den Rest der Zeit bei der HEG. Das ist wunderbar, denn ich weiß jeden Tag, wofür ich aufstehe, und kann mit meiner Arbeit die Welt ein bisschen besser machen.

Was ist das Besondere an den Bürgerwerken?

Die Bürgerwerke wurden 2013 als genossenschaftlicher Energieversorger gegründet. Neun Energiegenossenschaften hatten sich dazu zusammengeschlossen, darunter wir von der HEG. Als Genossenschaft bauen wir die Anlagen, erzeugen den Strom und speisen den Strom ins Netz. Wir hatten aber von Anfang an den Wunsch, einen Kreislauf aufzubauen, damit die Genossenschaft ihren Mitgliedern und auch anderen Menschen in der Region den erneuerbaren Strom auch selbst liefern kann. Dieser Vorgang ist jedoch ziemlich komplex. Viele arbeiten in den Energiegenossenschaften meist im Ehrenamt und ein solches System und das notwendige Kapital aufzubauen, schafft man unter diesen Rahmenbedingungen nicht. Deshalb haben wir uns getreu dem genossenschaftlichen Prinzip ‚Was einer nicht schafft, das schaffen viele‘ 2013 mit acht Energiegenossenschaften zusammengeschlossen und die Bürgerwerke als Dachgenossenschaft gegründet. Die Bürgerwerke sind also auch eine Energiegenossenschaft, nur dass hier nicht einzelne Menschen die Mitglieder sind, sondern die Energiegenossenschaften.

Mittlerweile sich 100 Energiegenossenschaften aus ganz Deutschland Mitglied bei den Bürgerwerken. Und diese können nun über die Bürgerwerke Menschen mit erneuerbarem Strom und Gas versorgen. Die Bürgerwerke übernehmen alle Aufgaben eines Energieversorgers und die Genossenschaften können vor Ort weiter ihre Arbeit machen. Mit den Einnahmen decken die Bürgerwerke ihre laufenden Kosten und was übrigbleibt, wird an die Energiegenossenschaften zurückgegeben. Das wiederum sichert uns feste Einnahmen, die wir in Personal und neue Projekte fließen lassen können.

Im März starten die Bürgerwerke eine Crowdinvesting-Kampagne. Wie werden solche Angebote angenommen?

Wir haben 2017 bereits ein erfolgreiches Crowdinvesting durchgeführt. Seitdem wurden wir immer wieder von Unterstützer*innen gefragt, wann man sich denn wieder auch finanziell an den Bürgerwerken beteiligen kann. Deshalb haben wir uns für ein neues Crowdinvesting entschieden, das am 1. März startet.

Viele Menschen suchen nach nachhaltigen, vernünftigen Investitionsmöglichkeiten. Sie wissen, dass bei fast jeder Bank irgendwie auch Kohle und Atomkraft mitfinanziert werden und das Zinsniveau weiterhin sehr niedrig ist. Das trägt alles dazu bei, dass die Nachfrage bei uns steigt. Und das ist ja genau die Idee der Bürgerenergie: So viele Menschen wie möglich an der Energiewende beteiligen.

Mit Blick auf Bürgerwerke und Energiegenossenschaften – würden Sie den Satz unterschreiben: „Erneuerbare Energien demokratisieren im Gegensatz zur Atomkraft und Kohle die Energieversorgung.“?

Ja absolut, denn mit Erneuerbaren Energien kann eben jede und jeder einen Beitrag leisten – durch Mitgliedschaft in einer Energiegenossenschaft oder auch mit einer Solaranlage auf dem eigenen Dach beziehungsweise mit einem Modul auf dem Balkon. Ein Balkon-Atomkraftwerk gibt es ja bisher nicht, auch wenn manche das angeblich gern hätten.

Klar, auch eine große Solaranlage kann man nicht unbedingt allein finanzieren, aber wenn man sich zum Beispiel zu einer Genossenschaft zusammentut, kann man dies gemeinsam tun und demokratisch über die eigene Energieversorgung mitbestimmen. Eine Beteiligung von Bürger*innen an fossilen oder atomaren Projekten ist schon aufgrund der hohen Investitionssummen eigentlich kaum möglich und ehrlicherweise war etwas Derartiges auch nie gewollt. Ich kenne auch niemanden, der sich direkt an einem Kohlekraftwerk beteiligen möchte.

Keine 30 Kilometer südlich von Heidelberg war bis 2019 das Atomkraftwerk Philippsburg in Betrieb. Hat die räumliche Nähe zur Atomkraft bei der Gründung der HEG oder bei Ihrem persönlichen Engagement für die Energiewende eine Rolle gespielt?

Bei mir selbst nicht, weil ich ursprünglich nicht aus Heidelberg komme, sondern aus Hessen. Da war Biblis näher. Ich lebte aber nie so nah dran, dass ich es als direkte Bedrohung wahrgenommen hätte, das war eher abstrakt.

Wenn man in Heidelberg oben beim Schloss ist, sieht man bei gutem Wetter das Kohlekraftwerk in Mannheim und in der anderen Richtung Philippsburg. Da hat man ganz plastisch vor Augen, was man nicht will und wo der Weg hinführen muss. Ich und meine Mitstreiter*innen hätten die Energiegenossenschaft aber auch ohne ein Atomkraftwerk in der Nähe gegründet. Wir wissen, dass die Energiewende notwendig ist.

Man könnte leicht den Eindruck gewinnen, dass nur Deutschland Konsequenzen aus der Katastrophe von Fukushima vom März 2011 gezogen hat. Sie waren bei dem Unglück Studentin – können Sie sich noch daran erinnern, wie es Ihnen damals ging, als Sie die Bilder sahen?

Ja total, ich war beim Zahnarzt und habe dort die Nachrichten im Radio gehört. Am nächsten Tag bin ich mit Kommilitoninnen eine Woche in den Urlaub gefahren und ich habe tatsächlich fast die komplette Woche vor dem Fernseher verbracht. Die anderen haben Filme geguckt und Spaß gehabt – für mich war das einfach nur dystopisch. Tschernobyl war zwar vor meiner Geburt, aber ich wusste, was da passiert ist und wie gefährlich die Atomkraft ist. Aber, dass ich mit eigenen Augen live mitverfolgen würde, wie das Atomkraftwerk in Fukushima in sich zusammenfällt und alles verstrahlt, war für mich kaum fassbar.

Was könnte in den kommenden vier Jahren getan werden, um den Energiegenossenschaften die Arbeit zu vereinfachen?


Ein wichtiger Schritt wäre, die Komplexität und Bürokratie zu reduzieren. Das EEG umfasste mal wenige Seiten. Jetzt ist es auf hunderte angewachsen. Wenn man im Ehrenamt arbeitet, so wie es viele bei den Energiegenossenschaften tun, und keine eigene Rechtsabteilung hat, dann kann man sich mit solchen umfangreichen Gesetzgebungen und Änderungen kaum ausreichend auseinandersetzen. Wir haben zum Beispiel mit der HEG 2013 eines der ersten genossenschaftlichen Mieterstromprojekte umgesetzt. Wir hatten uns durchgewurstelt, weil wir damals so verrückte Studis waren. Wir wurden mit Auszeichnungen quasi überschüttet – neun Jahre danach sind solche Projekte für die meisten Genossenschaften und auch andere Akteure immer noch zu komplex. Obwohl die HEG ihr Wissen und ihre Erfahrungen regelmäßig in Mieterstrom-Workshops weitergibt. Das ist echt ein Problem, denn gerade in den Städten brauchen wir solche Modelle: Hier wohnen viele Bürger*innen in gemieteten Wohnungen und haben ungenutzte Dächer über sich. Wir müssen die Energiewende in die Breite bekommen, Solaranlagen auf Eigenheimen reichen nicht.

Außerdem wäre es wichtig, dass Deutschland jetzt, wie angekündigt, auch tatsächlich die EU-Richtlinie zum „Energy-Sharing“ umsetzt. Die alte Regierung war hier ja nicht so aktiv, aber ich bin ganz guter Dinge, dass es jetzt in die richtige Richtung geht. Weil die aktuelle Regierung schon aus Grundüberzeugung heraus mehr Lust haben sollte, Energiewende zu ermöglichen. Also ich glaube nicht, dass das jetzt super easy wird, aber ich hoffe, dass es auf jeden Fall an einigen Stellen einfacher wird.

Manchmal weiß man bei der ganzen Bürokratie nicht mehr, ob hier ein guter Wille dahintersteckte und es dann schiefgelaufen ist oder ob das wirklich aktiv gemacht wurde, um kleine Akteure auszubremsen. Die neue Regierung sollte einfach mal in die Gesetze reinschauen und überlegen, wo man Dinge vereinfachen könnte, damit wäre schon viel getan, für die Energiegenossenschaften und für andere Akteur*innen auch.

Das Interview führte Anika Schwalbe.

Das Gespräch mit Frau Zöckler entstand im Rahmen unserer neuen Atomausstiegskampagne "Erneuerbar statt atomar".