Energie-Kommune des Monats: Walldorf
Januar 2025
Die Stadt Walldorf liegt etwa zehn Kilometer südlich von Heidelberg im Rhein-Neckar-Kreis. Bekannt ist die kurpfälzische Kleinstadt als Geburtsort von Johann Jakob Astor, dem seinerzeit reichsten Menschen der Welt, Namensgeber nicht nur einer Luxushotelkette, sondern ebenso einiger Ortsnamen. Heute kennt man Walldorf vor allem als Firmensitz von SAP, dem drittgrößten Softwareunternehmen der Welt. Allein am Walldorfer Campus arbeiten fast so viele Menschen, wie in der 16.000-Einwohner*innen-Stadt leben. Es bestehen also enge Verbindungen zwischen Unternehmen, Bevölkerung und Verwaltung. Die Stadt profitiert nicht zuletzt von hohen Gewerbesteuereinnahmen und weiß, diese beispielsweise gezielt in die Energieinfrastruktur zu investieren, um die Grundlage für ein klima- und Geldbeutel schonendes Leben und Arbeiten zu schaffen.
Im Herzen der dicht besiedelten Metropolregion Rhein-Neckar ist die Verkehrsinfrastruktur von entsprechender Bedeutung. An der Gemarkungsgrenze der Astorstadt kreuzen die Bundesautobahnen 5 und 6. Vor allem die vielen Autopendler*innen sorgen mit ihren Verbrennern dafür, dass in Walldorf im Verkehrssektor mit großem Abstand am meisten fossile Energie verbraucht wird. Um die Treibhausgas-Emissionen zu senken und das Wohnen und Wirken in Zukunft noch attraktiver zu gestalten, setzt die Stadtverwaltung auf lokale integrative Mobilitätskonzepte und Sektorenkopplung. Gemeinsam mit den Stadtwerken Walldorf und dem Mannheimer Energieversorger MVV Energie entsteht hier ein dichtes Ladenetz für eine steigende Anzahl privater und geschäftlicher E-Fahrzeuge.
Die heute schon 31 öffentlichen Ladepunkte an 13 Standorten im Stadtgebiet, davon 22 Schnellladepunkte an neun Standorten, mit einer Gesamtladeleistung von über einem Megawatt bedeuten einen Ladepunkt pro 515 Einwohner*innen, ein landes- und bundesweit überdurchschnittlicher Wert. Grundlagen für die Planung waren eine Bedarfsstudie und die Möglichkeit für Bürger*innen, eigene Vorschläge für Standorte einzureichen. Die derzeit laufende Analyse der Nutzung und Auslastung führt im nächsten Schritt zu weiteren Ausbauplänen.
Da allerdings elektrisierter Individualverkehr allein nicht die Lösung für eine erfolgreiche Verkehrswende sein kann, ging die Verwaltung noch weiter: Von 2022 bis 2024 waren Busfahrten im gesamten Stadtgebiet sowie vom und zum mit der Nachbarstadt Wiesloch geteilten Bahnhof mit Fernbahnanbindung kostenfrei. Die Fahrgäste wurden lediglich gezählt, die Stadt kam dabei für die Kosten der Busunternehmen auf. Allerdings überstiegen diese die prognostizierten Ausgaben um ein Vielfaches. Hinzu kam, dass ohne gültige Zeitfahrkarte keine Transparenz über die tatsächliche Inanspruchnahme durch die Bürger*innen herrschte und die Grundlage für die Abrechnung fehlte. Nach neuem Beschluss kostet Fahrt nun einen Euro. 2026 wird ein automatisches Zählsystem eingeführt und anschließend das Thema kostenloser ÖPNV wieder auf die Tagesordnung des Gemeinderates gesetzt. Um weitere Alternativen zum Privat-Pkw anzubieten, gibt es in Walldorf zudem eine kleine Carsharing-Flotte sowie einen „Arbeitskreis Nahmobilität“, der mit Lokalpolitik, Verbänden und interessierten Privatpersonen Maßnahmen für den Fahrrad- und Fußverkehr erarbeitet.
Großes Potenzial für erneuerbaren Strom und Sektorenkopplung
Kommunale Dach-Photovoltaik-Anlagen erzeugten 2023 etwa 450 Megawattstunden (MWh) Strom, hinzu kommen circa 1.200 MWh von PV-Anlagen der Stadtwerke Walldorf. „Die Errichtung von Dach- Photovoltaik-Anlagen erfolgt sukzessive bei der Modernisierung von kommunalen Gebäuden dort, wo es technisch machbar ist. Ziel ist dabei nicht die Erfüllung der Photovoltaik-Pflicht des Landes Baden-Württemberg, sondern die Vollbelegung der jeweiligen Dächer“, so Christian Horny, Klimaschutzmanager der Stadt Walldorf. Die Verwaltung geht beim Ausbau der Photovoltaik seit 2022 aber auch einen anderen Weg und fördert private PV-Anlagen mit 500 Euro pro Kilowatt-Peak (kWp).
Das entspricht einem Leistungszuwachs von etwa 4.500 kWp bei ausgeschütteten Fördermitteln in Höhe von über 2,6 Millionen Euro im Jahr 2023. Hätte die Stadt Walldorf mit den gleichen Mitteln selbst PV-Anlagen errichtet, hätte der Leistungszuwachs lediglich circa 2.000 kWp betragen. Mit den kumulierten Photovoltaik-Erträgen aller bis 2023 errichteten Photovoltaik-Anlagen in Walldorf in Höhe von circa 15.000 Megawattstunden kann der Strombedarf privater Haushalte zu über 60 Prozent gedeckt werden. In zwei bis Ende 2025 fertigzustellenden Teilregionalplänen – Freiflächen-Photovoltaik und Windenergie – sieht die Metropolregion Rhein-Neckar weitere Flächen für entsprechende Anlagen auch auf Walldorfer Gemarkung vor, um gesetzliche Ziele zu erreichen. Diese teils durch Stadt und Stadtwerke bereits vorgesehenen und teils umstrittenen Flächen könnten den Anteil erneuerbaren Stroms in Walldorf noch deutlich erhöhen.
Dieser kann auch für andere Energiesektoren wie Verkehr, Wärme und Industrie genutzt werden. Das bedarf allerdings deutlich größerer Strommengen und hierfür wiederum der Untersuchung verschiedener Potenziale. In Walldorf sind dies neben zusätzlichen PV-Anlagen auf Gebäuden und Freiflächen sowie Windenergie auch Bioenergie, eine nachhaltige Wärmeversorgung, etwa durch private Wärmepumpen oder die Errichtung eines Nahwärmeverbundes, und der Umstieg auf E-Mobilität. Die Verkehrswende hat zusammen mit dem Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix den größten Impact auf dem Walldorfer Weg zur Klimaneutralität. Dies zeigt ein Rechner des Forschungsprojekts „Die Zukunft der Sektorkopplung auf kommunaler Ebene“, kurz ZuSkE. Als eine von drei Praxiskommunen ist Walldorf hier ein Beispiel dafür, wie auf Grundlage von Bedarfs- und Potenzialanalysen sowie der Einbeziehung von Stakeholdern die Energiewende mit dem Fokus Sektorenkopplung vorangebracht werden kann. Im Rahmen des Projekts wurden mit an der Energiewende beteiligten Akteuren in Berlin, Walldorf und Freilassing eine Webanwendung sowie eine analoge Strategiebox erarbeitet, die auch auf andere Kommunen übertragbar sind.
Neben den bereits beschriebenen Verkehrswende-Maßnahmen zeigt sich Sektorenkopplung in Walldorf bisher in Form mehrerer Blockheizkraftwerke (BHKW) in den Händen der Walldorfer Stadtwerke beziehungsweise der Heidelberger Druckmaschinen AG. Diese versorgen die umliegenden, teils öffentlichen Gebäude beziehungsweise das Werksgelände mit klimafreundlicher Wärme und Strom.
Kommunale Förderung stützt die lokale Energiewende
Mit ganzen 21 Umweltförderprogrammen möchte die Stadtverwaltung den lokalen Klimaschutz voranbringen. „Die städtischen Umweltförderprogramme waren auch 2024 ein voller Erfolg“, freut sich Christian Horny. „Insgesamt wurden 2024 bei 440 geförderten Maßnahmen etwa 2,5 Millionen Euro an Zuschüssen durch die Stadt Walldorf für umwelt- und klimaschützende Maßnahmen privater Gebäudeeigentümer ausgezahlt.“ Im Bereich der energetischen Sanierung von Wohngebäuden waren dies im vergangenen Jahr knapp 170.000 Euro für 48 Maßnahmen, darunter auch die Fenstererneuerung von Mehrfamilienhäusern. Weitere etwa 100.000 Euro konnten für Sanierungen zum Effizienzhaus und für den Neubau von Passivhäusern ausgezahlt werden, 27.000 Euro zur Bezuschussung für den Kauf von Zweirädern, Lastenrädern und Fahrradanhängern. Für die Neuerrichtung von PV-Anlagen wurden 2024 etwa 2,2 Millionen Euro ausgezahlt, davon etwa 19.000 Euro für Anlagen auf Nichtwohngebäuden, beispielsweise auf Vereinsheimen.
Christian Horny sieht in den kommunalen Förderprogrammen wichtige Anreize für Privatpersonen: „Die Förderung von Maßnahmen zur Energiewende ist unserer Meinung nach entscheidend für die Akzeptanz. Aufgrund der enormen Kosten für die energetische Sanierung oder die Heizungserneuerung kommen viele Haushalte an ihre finanziellen Grenzen. Vor allem bei älteren Gebäudebesitzerinnen und -besitzern, die oftmals keinen Kredit mehr bekommen, sind nicht rückzahlbare Zuschüsse entscheidend für die Umsetzung der Energiewende. Es gibt zwar die Förderung durch den Bund, ein zusätzlicher Anstoß durch eine kommunale Förderung kann aber den Ausschlag für eine tatsächliche Umsetzung geben. Unsere Förderprogramme sind bewusst niederschwellig angelegt und haben den Vorteil gegenüber den Förderprogrammen des Bundes, dass wir für die Ratsuchenden ‚greifbar‘ sowie persönlich und schnell erreichbar sind.“
Im Rahmen der Förderprogramme finden zudem zahlreiche Beratungsgespräche statt. Der direkte Kontakt der städtischen Expert*innen zu den Gebäudeeigentümer*innen, aber auch zu ansässigen Vereinen und Betrieben, zielt neben der Transformation des Energiesystems auch auf ein wachsendes Bewusstsein der Gesellschaft für die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen.
Die
Stadt Walldorf wurde im Rahmen des Projekts Forum
Synergiewende als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet. Weitere
Informationen zum Projekt finden Sie hier: https://www.unendlich-viel-energie.de/projekte/forum-synergiewende/projekt-forum-synergiewende
Die Auszeichnung zur Energie-Kommune des Monats steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
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