Energie-Kommune des Monats: Landkreis Berchtesgadener Land
Der Landkreis Berchtesgadener Land bietet mit dem Watzmann, dem Blaueis-Gletscher und dem Nationalpark Berchtesgaden – dem einzigen deutschen Nationalpark in den Alpen – Naturliebhaber*innen eine einzigartige Kulisse. Doch spätestens mit dem Starkregenereignis im Juli 2021, das zur Ausrufung des Katastrophenfalls im Landkreis führte, wurden die Auswirkungen der Klimakrise auch im südöstlichsten Landkreis Bayerns sichtbar. Dass Klimaschutz eine essenzielle Aufgabe ist, beweist der mittelgroße Landkreis zwischen Traunstein und Salzburg seit Langem und hat schon vor über zwei Jahrzehnten entschlossen den Kampf gegen die Klimakrise zur Priorität erklärt. Bereits 2001 beschloss der Kreistag die Umstellung der Energieversorgung des Kreises auf weitestgehend Erneuerbare Energien. 2013 wurde ein Klimaschutzkonzept beschlossen, das vom 2014 eingestellten Klimaschutzmanager Manuel Münch umgesetzt wird. Für seine Energienutzungspläne mit Vorbildcharakter wurde das Berchtesgadener Land 2018 mit dem Bayerischen Energiepreis, der vom Landesministerium für Wirtschaft und Energie verliehen wird, ausgezeichnet. Doch mit dem Erreichten gibt sich der Landkreis nicht zufrieden. Seit 2020 koordiniert Manuel Münch mit seinem Team in der Stabsstelle Landkreisentwicklung zentral die Themen Energie, Klimaschutz, Mobilität und Bildung. Dabei werden in den Gemeinden und über die Landesgrenzen hinaus bei der Dekarbonisierung der Energie- und Wärmeversorgung sowie im Verkehr Akzente gesetzt.
Der Landkreis will bis 2030 CO2-Emissionen halbieren
Im Jahr 2001 beschloss der Kreistag des Berchtesgadener Lands, dass bis 2030 die Versorgung im gesamten Kreis durch Erneuerbare Energie gedeckt werden soll. 2013 wurde diese Absichtserklärung weiter im integrierten Klimaschutzkonzept des Landkreises konkretisiert. In acht Jahren soll so mithilfe der beschlossenen Maßnahmen der CO2-Ausstoß im Landkreis im Vergleich zu 2010 um die Hälfte reduziert werden, das entspricht einer Reduktion pro Kopf von 10,6 Tonnen CO2 im Jahr auf 5,5 Tonnen. Zusätzlich dazu ist geplant den bilanziellen Strombedarf zu 86 Prozent mit Erneuerbaren Energien aus der Region zu decken. Zur Erfüllung der ambitionierten Ziele wird der Fortschritt des Landkreises regelmäßig durch die Erstellung einer Energiebilanz auf den Prüfstand gestellt. Im aktuellen Bericht zeigt der Kreis, dass er zur Zielerreichung bis 2030 auf einem guten Weg ist. So konnten die CO2-Emissionen bereits auf 7,9 Tonnen pro Kopf im Jahr reduziert werden. Auch der Anteil der regional erzeugten Erneuerbaren Energien im Bereich Strom wurde bereits auf 41 Prozent gesteigert. Bis 2030 soll der regionale Strombedarf dann hauptsächlich durch Wasserkraft, Photovoltaik sowie Biomasse gedeckt werden. Um den Ausbau weiter zu beschleunigen und Synergien innerhalb des Landkreises zu nutzen, befindet sich aktuell ein kommunales Klimaschutznetzwerk in Gründung. Ab dem Frühjahr 2022 will der Landkreis damit seine 15 Kommunen bei der Umsetzung der kommunalen Energienutzungspläne, aber auch anderer Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien noch besser unterstützen.
„Klimaschutz hat im Landkreis Berchtesgadener Land eine hohe Priorität. Durch umfangreiche und flächendeckende Beratungsprogramme des Landkreises sollen gleichermaßen Privathaushalte, Unternehmen und Kommunen von den attraktiven Bundes- und Landesförderungen sowie von dieser Entwicklung profitieren“, erklärt Landrat Bernhard Kern. So wurde beispielsweise mit der Gründung der Energieagentur Südostbayern in Zusammenarbeit mit dem Nachbarkreis Traunstein eine zentrale Anlaufstelle für Bürger*innen in Energiefragen geschaffen. Diese berät seit 2017 an vier Standorten im Landkreis und auch vor Ort Bürger*innen unabhängig über Fragen zum Thema Erneuerbare Energien, zu Sanierungsmaßnahmen und vielem mehr. Mit dem Angebot einer kostenlosen Beratung werden Interessenten über eigene Möglichkeiten zu Einsparungspotenzialen, einer möglichen Installation einer Photovoltaikdachanlage (PV-Dachanlage) und über bereitstehende Fördermittel unkompliziert informiert. Damit trifft der Landkreis einen Nerv. In den letzten Jahren wollen immer mehr Privathaushalte selbst in Klimaschutz und energetische Sanierungen investieren. So werden in beiden Landkreisen jährlich bereits um die 750 Haushalte beraten.
Wer sich direkt am Ausbau der Solarinfrastruktur beteiligen will, kann auch Mitglied der lokalen Energiegenossenschaft werden. Die 2010 gegründete Genossenschaft betreibt in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein bereits heute zahlreiche Solarparks, die bis 2020 schon über 78 Millionen Kilowattstunden erneuerbaren Strom produziert haben und aktuell über 4.000 Haushalte mit Strom versorgen. Damit in Zukunft auch der Ausbau von Solardachanlagen auf Privatgebäuden schneller voranschreitet, können sich die Bürger*innen des Landkreises seit vergangenem Jahr über den Online-Solaratlas selbst ein Bild machen. „Mit dem Solaratlas lassen sich für über 30.000 Gebäude im Landkreis mithilfe weniger Klicks individuell Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen konfigurieren“, sagt Münch. Mit dachflächenscharfen Simulationen, die auch die Beschattungssituation am Standort miteinbezieht wird transparent die zu erwartende Produktion dargestellt und damit möglichen Vorbehalten zur Effektivität und Ausbeute in der bergigen Region entgegengewirkt sowie niedrigschwellig der Einstieg in die eigene PV-Dachanlage erleichtert. Zwar sei es für die belastbare Erhebung von Nutzerzahlen noch zu früh, allerdings seien die Rückmeldungen zum Online-Tool bis jetzt durchweg positiv, betont der Leiter der Stabsstelle.
Neben dem Ausbau lokaler Erzeugungskapazitäten stellt auch der Wärmesektor viele Kommunen immer wieder vor Herausforderungen. Zur Erreichung der selbst gesteckten Ziele im Berchtesgadener Land ist eine Reduktion des Wärmebedarfs um 32 Prozent bis 2030 nötig. Der Landkreis nimmt auch diese Herausforderung an und setzt auf die Aktivierung und Förderung seiner Bürger*innen. Hier unterstützt die Verwaltung die Bürger*innen durch die Bereitstellung von energetischen Gebäudesteckbriefen für alle rund 30.000 Gebäude im Landkreis. So können sich die Eigentümer*innen ganz individuell einen Überblick über energetische Sanierungsmöglichkeiten machen und dabei sogar in einer kostenlosen Energie-Erstberatung Fragen rund um das Thema energetische Sanierungen und mögliche Förderungen aus Bund und Land klären. Gleichzeitig sollen bis 2030 35 Prozent des Wärmebedarfs aus regionalen und erneuerbaren Energiequellen stammen. Schon jetzt liegt der Landkreis mit einem Anteil von 24 Prozent erneuerbarer Wärme deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 15,6 Prozent im Jahr 2020. Durch den weiteren Ausbau von Wärmenetzen, konsequenten Sanierungen sowie geförderten Investitionen in die Heiztechnik der Haushalte soll das Ziel bis 2030 erreicht werden.
Mobilitätswende über die Grenzen des Landkreises hinaus
Im ländlich geprägten Berchtesgadener Land ist flexible und zuverlässige Mobilität Grundlage für das gemeinsame Zusammenleben. Damit der Spagat aus Dekarbonisierung des Verkehrssektors und zuverlässiger Mobilität gelingt, setzt der Landkreis zum einen auf die Förderung der Elektromobilität. Neben der Unterstützung von Kommunen, Unternehmen und Akteuren beim Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur gehen Landkreis und Gemeinden bei der Umstellung der eigenen Fuhrparke mit Vorbild voran. In einem vom Landratsamt initiierten Projekt wurde mit der Elektrifizierung der kommuneneigenen Fahrzeugflotten begonnen. Bereits 2018 ersetzten die Gemeinden insgesamt 11 Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb durch Elektroautos und E-Bikes. Im Fuhrpark des Landratsamtes sind 5 Fahrzeuge und damit die Hälfte des Fuhrparks rein elektrisch unterwegs.
Zweiter wichtiger Pfeiler der Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist die Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Neben Maßnahmen wie der kostenlosen Fahrradmitnahme in allen Nahverkehrszügen und der Einführung einer Jugendfreizeitkarte, mit der nahezu alle Linienbusse im Landkreis für Heranwachsende ab April 2022 für nur 2 Euro pro Monat genutzt werden können, soll durch eine dichtere Taktung die Anbindung aller Kommunen weiter verbessert werden. In einem innovativen Projekt wird gerade am Aufbau eines gemeinsamen Verkehrsverbundes mit dem Nachbarlandkreis Traunstein gearbeitet. Anschließend wird geprüft, wie man einen grenzüberschreitenden Verkehrs- und Tarifverbund mit dem österreichischen Bundesland Salzburg realisieren kann. Von einem einheitlichen Verbund oder einer sehr engen Kooperation würden vor allem die Bürger*innen profitieren. „Der Landkreis und seine Nachbarn verstehen sich schon heute als ein Lebens- und Wirtschaftsraum, ein gemeinsamer Verkehrsverbund über Landesgrenzen hinweg ermöglicht zukünftig den bruchlosen Verkehr zwischen den regionalen Zentren“, erklären Manuel Münch und Verkehrsmanager des Landkreises Johann Wick. In einer vom Land geförderten Grundlagenstudie wird die Machbarkeit des Projektes bis 2023 geprüft. Sollten die Voraussetzungen stimmen, bringt ein gemeinsamer Verkehrsverbund nicht nur die Verkehrswende voran, sondern leistet auch einen Beitrag hin zu einem noch engeren Miteinander in einem vereinten Europa.
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