Lommatzsch
1. Die Kommune
1.1 Strukturelle und sozioökonomische Ausprägungen
Die Stadt Lommatzsch liegt im Landkreis Meißen in Sachsen, nordwestlich von Dresden. Sie bildet das Zentrum der „Lommatzscher Pflege“, eine Landschaft, die sich bis zum Elbtal im Osten erstreckt. Aufgrund ihrer guten landwirtschaftlichen Erträge wird sie auch als „Kornkammer Sachsens“ bezeichnet. Insgesamt 4.843 Bürger*innen (Stand 2019) leben in der Stadt, die Bevölkerungsdichte beträgt 73 Einwohner*innen pro Quadratkilometer. Mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 20.022 Euro steht der Landkreis innerhalb Sachsens finanziell gut da.
1.2 Lokale politische Entscheidungsstrukturen
Politische Entscheidungen werden in Lommatzsch im Gemeinderat gefällt. Dieser verfügt über 18 Sitze, davon entfielen im Zuge der letzten sächsischen Kommunalwahl im Jahr 2019 insgesamt sechs auf die FDP (30,5 %), fünf auf die CDU (30,2 %) und sieben auf freie Wählergruppen (39,3 %). Die Historikerin Dr. Anita Maaß (FDP) ist seit dem Jahr 2005 als Bürgermeisterin im Amt und wurde zuletzt 2019 mit 93 Prozent der Stimmen wiedergewählt .
1.3 Politische Rahmenbedingungen in Sachsen
Im historisch von der Braunkohle geprägten Sachsen beträgt derzeit der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung insgesamt 13,5 Prozent (Stand 2017). Davon stammt der größte Teil aus Windenergie (4,9 %), dicht gefolgt von Bioenergie (4,2 %) und Photovoltaik (3,9 %) .
Der Koalitionsvertrag der Landesregierung aus CDU, SPD und Grüne unter Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) umfasst ein Energie- und Klimaprogramm (EKP), welches einen zusätzlichen Ausbau von Erneuerbaren Energien im gesamten Bundesland von zehn Terrawattstunden (TWh) bis 2030 vorsieht . Für Windenergieanlagen gilt dabei ein Mindestabstand zu Wohngebäuden von 1.000 Metern. Kommunen sollen dabei aus den Einnahmen der Anlagen finanziell beteiligt werden. Allerdings stockt der Zubau aktuell, da kaum mehr neue Flächen zur Bebauung freigegeben werden. Der Windenergieausbau ist somit in den vergangenen Jahren beinahe vollständig zum Erliegen gekommen. Die Stadt Lommatzsch mit seinen zwei Windparks und seiner PV-Freiflächenanlage sticht somit als Vorbild für eine erfolgreiche Energiewende in Sachsen heraus.
2. Die Erneuerbare-Energien-Projekte
2.1 Übersicht der Fallbeispiele
Die Winderträge fallen in der „Lommatzscher Pflege“ für Binnenlandverhältnisse sehr gut aus, weshalb die Stadt bereits seit den frühen 2000er Jahren beschlossen hat, dort erste Windenergieanlagen zu errichten. In ihrem 2013 veröffentlichten Energiekonzept werden Windparks dabei explizit als zentrale Bestandteile für die Energieversorgung vor Ort genannt. Der lokale Projektierer „VSB Neue Energie Deutschland GmbH“, der auch dieses Energiekonzept finanzierte, errichtete zwei nahegelegene Windparks: Der „Windpark Wölkisch“ erhielt nach mehreren Anläufen schließlich 2014 einen Genehmigungsbescheid und konnte im Februar 2015 in Betrieb genommen werden. Auf der 60 Hektar (ha) großen Fläche stehen seither zehn Anlagen des Typs „Senvion MM92“ mit einer Nennleistung von je 2,05 Megawatt (MW). Der „Windpark Lommatzsch“ im Ortsteil Scheerau umfasst neun Anlagen der Enercon-Modelle E66, E70 und E92, von denen die letzten im Jahr 2016 in Betrieb genommen wurden. Zusammen kommen sie auf eine installierte Leistung von 18,4 MW .
Lommatzsch verfügt darüber hinaus ebenfalls über Solarenergie-Projekte: Der Solarpark Lommatzsch wurde im September 2012 auf einer 5,7 ha großen Fläche im zuvor größtenteils leerstehenden Gewerbegebiet „Messa“ errichtet . Er wird seither von dem lokalen Unternehmen Pro Solar GmbH betrieben. Die Photovoltaik-Freiflächenanlage verfügt über eine elektrische Leistung von bis zu 2.224 Kilowatt (kWp).
2.2 Arten der finanziellen Beteiligung
Die Stadt Lommatzsch achtete bei der Errichtung der beiden Windparks von Beginn an darauf, die Bevölkerung in den Prozess mit einzubeziehen: So wurden bei der Auswahl der Standorte die Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe berücksichtigt. Zudem wurde der Anlagenbau archäologisch begleitet. Bereits während der Planungszeiträume fanden regelmäßig Informationsveranstaltungen und Abstimmungen zum weiteren Vorgehen statt. Darüber hinaus wurden zudem Modelle geschaffen, um den Bürger*innen eine finanzielle Beteiligung an den Windparks zu ermöglichen.
Für den Windpark Wölkisch bieten der Betreiber VSB und die Deutsche Kreditbank (DKB) den Anwohner*innen der Kommunen Lommatzsch, Diera-Zehren und Hirschstein eine festverzinsliche Geldanlage mit einer dreijährigen Laufzeit (3 % pro Jahr) – das „DKB-Bürgersparen“ – an. Der Zeichnungsbetrag beträgt dabei zwischen 500 und 5.000 Euro. Laut Angaben der DKB haben insgesamt 22 Bürger*innen dieses Angebot in Anspruch genommen und somit die benötigte Summe von insgesamt 100.000 Euro innerhalb der Zeichnungsfrist von drei Monaten vollständig zusammengetragen .
Für den Windpark Lommatzsch existiert zwar derzeit kein vergleichbares Finanzierungsmodell, jedoch hat die VSB GmbH auch bei seiner Errichtung die Bürger*innen in den Prozess einbezogen. Im Rahmen von Informationsveranstaltungen wurden die Interessen der Bürger*innen, beispielsweise bezüglich des Schutzes der Ackerflächen sowie heimischer Tiere, mitberücksichtigt. Die räumliche Anordnung der Windenergieanlagen erlaubt den Landwirt*innen, ihre Ackerflächen maximal zu bewirtschaften. Für den Eremit-Käfer wurden separate Totholzpyramiden als neue Lebensräume abseits der Windräder errichtet und um Fledermäuse zu schützen, werden die Anlagen zu entsprechenden Zeiten vorübergehend abgeschaltet.
2.3 Die Projektträger
Seit ihrer Gründung im Jahr 1996 errichtet die VSB Gruppe getreu ihrem Leitsatz „Wir sollen die natürlichen Ressourcen nutzen“ Erneuerbare-Energien-Anlagen jeder Art. Ihr Name setzt sich dabei aus den lateinischen Begriffen Ventus (Wind), Sol (Sonne) und Energia Biologica (Bioenergie) zusammen. Angefangen von den ersten Windenergieanlagen in den 1990er Jahren, operiert sie mittlerweile mit über 300 Mitarbeiter*innen an 16 Standorten in Europa und Nordafrika. Ihre Niederlassung in Dresden ist die „VSB Neue Energie Deutschland GmbH“ und unter dem Geschäftsführer Thomas Winkler derzeit auch Projektierer der beiden Windparks bei Lommatzsch. Das Unternehmen unterstützt zudem Dorffeste, fördert den lokalen Fußballverein und sponsort das Event „Junior-Energie-Cup“.
Die Pro Solar GmbH ist eine Tochterfirma der Primus Valor AG und setzt seit 2010 erfolgreich Photovoltaik-Projekte um. Sie zählt laut eigenen Angaben ca. 1.250 Kund*innen und erwirtschaftete bisher einen Gesamtumsatz von ca. 200 Millionen Euro. Sie kümmert sich unter anderem um die Stromvermarktung und -abrechnung, betreut Versicherungsverträge und organisiert Wartungsarbeiten. In Lommatzsch betreibt sie die Freiflächenanlage im Gewerbegebiet „Messa“.
Den Steckbrief von Lommatzsch finden Sie hier auch im PDF-Format.
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