"Für mich versteckt sich im Begriff Nachhaltigkeit eine ganze Welt."
Frau Schelte, Sie sind Teil des Jugendforums Nachhaltigkeit Brandenburg. Das JuFoNa möchte Jugendliche aus Brandenburg vernetzen, ihnen Workshops anbieten und ihnen die Möglichkeit geben, in den Austausch mit der Landespolitik zu kommen. Wie kann man sich Ihre Arbeit beim Forum als Koordinatorin vorstellen?
Ich habe im Oktober 2020 zusammen mit zwei Mitstreiterinnen die Koordination des JuFoNa übernommen. Seitdem ist sehr viel passiert. Als wir letztes Jahr die Koordination des JuFoNa übernommen haben, wussten wir gar nicht genau, was das JuFoNa eigentlich ist. Es gab Fördergelder vom Bildungsministerium und damit sollten eigentlich „nur“ fünf Werkstattgespräche zu Nachhaltigkeitsthemen bis Ende 2020 organisiert werden. Wir haben uns dann in die Geschichte des JuFoNa eingelesen und mit vielen Menschen gesprochen. Gemeinsam mit vier anderen jungen Menschen, die uns 2020 bei der Umsetzung des Projektes geholfen haben, haben wir dann festgestellt: Wir brauchen kein weiteres Bildungsprojekt. Was in Brandenburg fehlt, ist eine echte Beteiligung junger Menschen an der Landespolitik! Dann haben wir gemeinsam mit anderen jungen Menschen in einem der Werkstattgespräche Ideen entwickelt, wie ein Jugendforum in Zukunft aussehen könnte, das wirklich Jugendbeteiligung ermöglicht. Die Ideen haben wir dann an Landtagsabgeordnete und den Umweltminister weitergegeben. Eine zentrale Forderung war eine angemessene Förderung, damit wir hauptamtliche Stellen schaffen konnten. Denn Jugendbeteiligung kann man nicht rein ehrenamtlich organisieren. Die Förderung haben wir dann auch bekommen. Seit November 2021 bin ich mit 30h/ Woche fest für das JuFoNa angestellt. Meine Arbeit besteht dabei aus ganz viel Organisations- und Koordinationsarbeit. Wir haben aktuell ca. zehn junge Menschen, die sich ehrenamtlich im JuFoNa engagiereteilweise in Arbeitsgruppen. Ich organisiere die Treffen, bereite Tagesordnungen vor und so weiter. Dann kümmere ich mich um den Mailaccount. Wenn wir Veranstaltungen machen, kümmere ich mich um die Bewerbung, das Teilnehmenden-Management und so weiter. Und ich versuche, einen guten Kontakt zu Landtagsabgeordneten und Ministerien aufzubauen und Treffen zu organisieren, damit unsere Ehrenamtlichen ihre Anliegen an die Politik herantragen können. Und natürlich gehört auch ein Haufen Vernetzungsarbeit zu meiner Arbeit. Das alles mache ich nicht allein. Wir sind zu dritt im Koordinationsteam und sprechen uns eng ab. Die anderen beiden haben aber nur ca. 10-15h/ Woche.
Das JuFoNa hat nun für dieses Jahr eine Förderung in Höhe von 65.000 Euro vom Landesumweltministerium erhalten. Was haben Sie damit gemacht?
Im Jahr 2021 ging es zum einen darum, die Strukturen des JuFoNa zu stärken. Wir haben den Kreis von 4 Ehrenamtlichen auf 10 erweitert. Außerdem haben wir noch weiter mit den Ministerien Gespräche geführt, um eine längerfristige Finanzierung des JuFoNa sicherzustellen. Seit Juli 2021 haben wir auch einen neuen Träger, die Stiftung Wohlfahrtspflege. Da ging es dann auch darum, sich abzusprechen und die Zusammenarbeit zu klären.Zusätzlich haben wir seit April 2021 daran gearbeitet, uns in den Klimaplan Brandenburg einzubringen, der gerade geschrieben wird. Ursprünglich war da keine große Jugendbeteiligung vorgesehen. Da haben wir dann erst für uns eine Vision entwickelt, wie wir uns gute Jugendbeteiligung bei so einem Prozess vorstellen und haben danach für die Umsetzung beim zuständigen Umweltministerium geworben. Unser Angebot war, unsere Ideen selbst umzusetzen. Das hat auch ganz gut funktioniert. Am 27.11.2021 haben wir einen großen Beteiligungsworkshop durchgeführt. Wir haben mit insgesamt 50 jungen Menschen aus den verschiedensten Ecken Brandenburgs einen Tag lang von 10-18 Uhr über den Klimaplan diskutiert und zum Schluss über ein Abschlusspapier gemeinsam abgestimmt. Das haben wir dann eine Woche später dem Umweltminister Axel Vogel übergeben. Das wichtigste ist aber: Ende Januar wird es eine Expert*innen-Beteiligung zum Klimaplan geben. Wir haben erkämpft, dass dort auch 1-2 junge Menschen mit am Tisch sitzen und die Ergebnisse aus unserem Workshop dort vertreten werden.So haben wir es geschafft, dass wir mit vielen jungen Menschen in einem geschützten Raum diskutieren konnten und die Ergebnisse trotzdem gut in den Prozess einfließen.
Das heißt, alle 15 Mitglieder stemmen die Umgestaltung, die politische Arbeit und die Vernetzung im Ehrenamt?
Unser Motto ist: Kein Ehrenamt ohne Hauptamt! Neben mir bekommen auch meine beiden Mitstreiter*innen aus dem Koordinationsteam Geld für ihre Arbeit im JuFoNa. Wir stemmen den Großteil der Organisations- und Koordinationsarbeit. Die jungen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, geben die inhaltliche Richtung vor. Von ihnen kommen die Impulse, um welche Themen wir uns im JuFoNa kümmern und welche Projekte wir angehen. Einige engagieren sich auch in der AG Social Media und kümmern sich mit uns zusammen um unseren Instagram-Kanal. Andere haben Spaß am Moderieren und haben zum Beispiel unseren Klimaplan-Workshop hervorragend moderiert. Wieder andere sind motiviert bei den Gesprächen mit Politiker*innen dabei sein zu können. So können die Ehrenamtlichen sich in dem Zeitumfang und bei den Aufgaben einbringen, wie es für sie passt. Wir im Koordinationsteam halten das JuFoNa zusammen und unterstützen so gut wir können.
Wie sind denn die Reaktionen der jungen Leute auf das JuFoNa und die Möglichkeit, sich zu engagieren und werden Sie von der Politik auch ernst genommen?
Wir machen Angebote von jungen Menschen für junge Menschen und das merken wir auch im Feedback. Für viele ist das ein neues Erlebnis. Wir können einfach ganz anders auf Augenhöhe mit den Teilnehmenden in unseren Workshops interagieren. Das macht großen Spaß. Nimmt uns die Politik ernst? Das ist eine gute Frage. Immerhin werden wir oft eingeladen. Wir sind jetzt zum Beispiel schon das zweite Mal in den ALUK, den Ausschuss für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz eingeladen. Dort werden wir im Januar auch die Ergebnisse unseres Workshops vorstellen. Bisher hatten wir eigentlich nur eine wirkliche Forderung an die Politik: die ausreichende Finanzierung des JuFoNa. Das haben wir bekommen. Bei der Beteiligung am Klimaplan wird sich zeigen, inwiefern auch unsere inhaltlichen Forderungen ernst genommen werden. Aber bisher habe ich keinen Grund zur Annahme, dass wir übersehen werden. Inzwischen kommen sogar schon andere Ministerien von sich aus auf uns zu und wollen uns beteiligen. Jetzt werden wir noch in die Überarbeitung der Mobilitätsstrategie eingebunden.
Spielen die Erneuerbaren Energien bei den jungen Menschen, die sich im Klimaschutz engagieren, eine wichtige Rolle oder muss die Branche hier noch stärker an ihrer Sichtbarkeit und dem Austausch mit der Jugend arbeiten?
Das Thema spielt natürlich gerade bei Fragen der Klimapolitik eine große Rolle. In unserem Abschlusspapier des Klimaplanworkshops heißt es zum Beispiel: „Der Ausbau erneuerbarer Energien in Brandenburg muss finanziell gefördert und durch einen Abbau bürokratischer Hürden unterstützt werden. Zusätzlich müssen personelle Kapazitäten für den Ausbau geschaffen werden.“ Gerade in Brandenburg ist das Thema Kohleausstieg ein riesiges Thema und da kommt zwangläufig die Frage auf, wo der Strom sonst herkommen soll. Ich erinnere mich auch an einen Workshop aus dem Dezember 2020. Da hieß es: „Ich will lieber Windräder vor meiner Tür haben, als dass mein Haus in einer Kohlegrube verschwindet“. Für mich versteckt sich im Begriff Nachhaltigkeit eine ganze Welt. Und diese Welt ist unglaublich schön und friedlich. Die ökologische Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir der Natur nicht mehr wegnehmen, als im gleichen Zeitraum nachwachsen kann. Würden wir dieses Prinzip verfolgen, hätten wir eine viel intaktere Natur und hätten keine Sorge vor der Klimakrise. Die soziale Nachhaltigkeit beinhaltet ein gutes und friedliches Miteinander. Sie beinhaltet auch, dass wir auf uns und unsere Mitmenschen achten und füreinander da sind und konstruktiv mit Konflikten umgehen. Und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit bedeutet ein Wirtschaftssystem, das sich einerseits an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und andererseits die ökologischen Grenzen wahrt. Ein System ohne Ausbeutung von Mensch und Natur. Das alles klingt nach einer Utopie, aber ich wünsche mir sehr, dass sie eines Tages wahr wird. Und ich möchte alles, was in meiner Macht steht, dazu beitragen.
Sie studieren derzeit Urbane Zukunft und wirkten an dem Projekt „Potsdams sonnige Seite“ rund um das Solarpotenzial Potsdams mit. Welche Rolle spielt für Sie das Thema Erneuerbare Energien im Studium?
Genau, ich habe bei einem kleinen Projekt mit zwei Kommilitoninnen das Solarpotenzial für Potsdam berechnet und wir haben uns angeschaut wie viel Solarstrom schon in Potsdam produziert wird. Das Ergebnis hat mich schockiert. Theoretisch könnte man fast den gesamten Strombedarf Potsdams mit Solarstrom decken – wenn wir mal die Speicherprobleme außer Acht lassen. Aber es wurde gerade einmal 1% des Strombedarfs durch Solarstrom gedeckt! Das war 2019. In diesem Jahr habe ich dann meine Masterarbeit zum Thema Mieterstrom geschrieben und habe die Energie und Wasser Potsdam (EWP) bei ihrem ersten Mieterstromprojekt in Potsdam begleitet. Es tut sich also langsam etwas. Aber bei meiner Masterarbeit habe ich mich auch mal näher mit dem EEG befasst. Und da war ich gleich das nächste Mal schockiert. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den Ausbau der Erneuerbaren und eine dezentrale Energiewende brauchen. Und zwar schnell. In Städten – und das ist ja das Thema meines Masterstudiengangs – geht das vor allem durch PV. Da bin ich gespannt, was sich in den nächsten Jahren noch tut.
Wo möchten Sie mit dem JuFoNa hin und planen Sie auch beruflich in dem Themenfeld Fuß zu fassen?
Zum 31.10. habe ich meine Masterarbeit abgegeben. Seit dem 1.November bin ich mit 30h für das JuFoNa angestellt. Mein Plan ist, das JuFoNa noch weiter mit aufzubauen und die Strukturen zu festigen. Wir etablieren uns immer mehr zu einer festen Instanz im Land Brandenburg. Ich lerne sehr viel, komme mit interessanten Menschen in Kontakt und kann auch etwas die Aktivistin in mir leben. Das macht mir viel Spaß und es ist wirklich ein dankbarer Job. Irgendwann muss ich dann aber sicher auch schauen, dass ich den Job wieder an jüngere Menschen übergebe. Denn das JuFoNa soll von und für junge Menschen organisiert sein. Und dann bin ich gespannt darauf, was danach kommt. Das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz werde ich aber definitiv nicht aufgeben.
Darf ich Ihnen zum Schluss noch eine persönliche Frage stellen? Wer inspiriert Sie bzw. hat Sie inspiriert?
Eindeutig Maja Göpel. Eine unglaublich beeindruckende Power-Frau, die sich auch für die Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft stark macht. Sie ist klug und kennt sich in so vielen verschiedenen Disziplinen aus, das ist ja heutzutage selten. Und ich finde sie stellt die richtigen Fragen und hat überzeugende Antworten parat.
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