Tauziehen am Sonnenstrahl - Strom oder Wärme

Ein Gastbeitrag von Berit Müller, Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie

Es wird schnell deutlich: In der Solarenergie ist nicht das Entweder-oder entscheidend, sondern man muss die Sektoren Strom und Wärme zusammen denken, nicht nur im Kleinen – in Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhäusern – sondern auch bei der Nutzung von Freiflächen. Bei der Kommunalen Wärmeplanung sollten ausgewiesene oder auszuweisende Photovoltaik (PV)- oder Wind-Freiflächen als mögliche Quellen mitgedacht werden – in Form von Strom zu Wärme oder von Thermischen Solaranlagen.

Sektorübergreifende Konzepte sind notwendig - Tools dafür sind verfügbar und zugänglichFoto: AEE/Paul Langrock

Das wird schnell sehr komplex. Deshalb gibt es Planungstools, mit denen sektorübergreifende Simulationen von sogenannten „Energiezellen“ durchgeführt werden können, um für die – speziellen lokalen – Anforderungen Konzepte erstellen und vergleichen zu können. Es sind u.a. Tools in der Entwicklung, die ohne große Zugangsbarrieren von den Kommunen genutzt werden können (siehe z.B. www.open-plan-tool.org).

Um nochmal auf die kleineren Anwendungsgebiete zurückzukommen: Wenn Kommunen das Ziel der Klimaneutralität ernst meinen, werben sie bei ihren Bürger*innen dafür, den Solarausbau und die Nutzung von Wärmepumpen und Elektromobilität massiv voranzubringen. Aufgrund geltender technischer Anschlussbedingungen für den Anschluss an das Niederspannungsnetz (TAB) sind dem in absehbarer Zeit Grenzen gesetzt. Hier sind kommunale Energieversorger und Netzbetreiber gefragt, passende Konzepte zu entwickeln.

Regulatorische Lösungen, um den Ausbau der Solarenergie nicht zu beschränken

Wir schlagen die Entwicklung eines „netzdienlichen Netzanschlusses“ vor, der Gebäude als eine Anlage sieht und diese mit dem Netz verbindet. So kann der Netzbetreiber die Anforderungen an den Anschlusspunkt definieren und muss nicht die Leistungen der dahinterliegenden Anlagen im Einzelnen addieren. Innerhalb des Hauses muss das Versorgungssystem dann entsprechend den am Anschlusspunkt gesetzten Lastgrenzen geregelt werden. Dabei kann es sinnvoll sein, bei der Solarenergienutzung nicht nur auf „all electric“ zu setzen, sondern auch die Solarthermie als Komponente zu integrieren.

Aus diesem Grund – und insbesondere bei Flächenkonkurrenz zwischen PV- und Thermie-Anlagen gewinnen PVT-Systeme an Bedeutung. PVT, das ist die solare Kraft-Wärme-Kopplung. In einem Kollektor wird die Solarstrahlung gleichzeitig in Strom (PV) und in Wärme (SolarThermie) umgewandelt.
PVT - Doppelte Nutzung statt Flächenkonkurrenz

PVT gilt in Deutschland noch immer als ein Nischenprodukt, obwohl laut IEA zahlreiche zuverlässige Produkte auf dem Markt sind und weltweit über 1,4 Mio m² PVT installiert sind. Es gibt die unterschiedlichsten Varianten. Unterschiede bei PVT-Modulen sind die Gestaltung und die Materialwahl des Wärmetauschers auf der Rückseite des PV-Moduls, das Vorhandensein oder eben nicht Vorhandensein einer zusätzlichen transparenten Abdeckung vorne und einer Dämmung des Wärmetauschers auf der Rückseite sowie die Wahl des Wärmeträger-Mediums Luft oder Flüssigkeit. PVT-Systeme werden sinnvoll bei niedrigeren Temperaturen (25–45 Grad) betrieben und eignen sich sehr gut in Kombination mit Wärmepumpen und zur Regeneration von Erd- und Eisspeichern. Ungedämmte PVT-Module können im Nachtbetrieb ebenfalls zur Kühlung eingesetzt werden. Dass das keine Zukunftsvision ist, war beim diesjährigen Solardecathlon – dem Wett­bewerb im solaren Bauen – zu sehen. Es wurden in vielen Wettbewerbsbeiträgen PVT-Module eingesetzt – auch für sommerliche Kühlung.

Je nach Bedarfen, Potenzialen und Randbedingungen kann die Systemgestaltung variieren. Es gibt kaum allgemeingültige Aussagen: Die Randbedingungen bestimmen Systemauslegung und Wahl der Komponenten.

Obwohl die absolute Mehrzahl der Hersteller flüssiggekühlte, nicht abgedeckte Kollektoren anbieten (fast 40 versus 15 laut der Schweizer Studie von Daniel Zenhäusern et al.), wird die Anzahl der installierten PVT-Anlagen von luftgekühlten Systemen dominiert. Das ist im Wesentlichen auf den französischen Markt zurückzuführen, wo zwei Hersteller ihre Systeme erfolgreich verbreitet haben.

Wir sehen ein Hauptanwendungsgebiet der PVT in dicht besiedelten Gebieten. Laut dem Masterplan Solarcity ist „ein Solarstromanteil von 25 Prozent in Berlin möglich“. Und dabei kommt zum Strom- noch der Wärme- und Kühlbedarf der Stadt. Um hier klimaneutral zu werden, ist eine Mehrfachnutzung der Flächen notwendig.

Es ist nicht immer einfach, einen Installationsbetrieb zu finden, der kompetente Planung und Ausführung liefert. Für Einfamilienhausbesitzer*innen wird empfohlen, auf Komplettsysteme zu setzen, bei denen PVT-Kollektor, Wärmepumpe und Speicher aus einer Hand kommen und gut aufeinander abgestimmt sind. Die Komplexität der Systeme führt sonst zu Planungs- und Installationsfehlern. Da aber größere Betreiber von Immobilien und kommunale Unternehmen oft eigene Energieexperten beschäftigen, Planungen inhouse machen oder Auftragsvolumen haben, für die sich Berater*innen auch einmal strecken, liegt es im eigenen Ermessen, hier Kompetenzen im Bereich der solaren KWK und deren optimaler Einbindung zu schaffen.

Die gerade aufkommenden Anforderungen an Mindestanteilen erneuerbarer Versorgung von Gebäuden beim Heizungswechsel rücken Systeme mit Nutzung von PVT verstärkt in den Fokus.

Kurz und knapp

Eine sektorübergreifende Nutzung von Solarenergie ist notwendig, um den Anteil Erneuerbarer Energien an der Energieversorgung wesentlich zu erhöhen. Dafür brauchen wir innovative Lösungen auf der Systemebene – hier hatten wir als Beispiel den netzdien­lichen Netzanschluss gebracht, um solar versorgte Komponenten im notwendigen Maß in die Gebäude integrieren zu können sowie innovative Lösungen auf der Komponentenebene. Im Bereich der Solartechnik haben wir das Beispiel der PVT aufgezeigt. Es gibt überzeugende PVT-Technik auf dem Markt. Dabei spielen PV-optimierte, d.h. nicht abgedeckte Kollektoren bisher die Hauptrolle. Die PVT ist z.Z. wirtschaftlich gegenüber getrennten Systemen, wo Flächenknappheit herrscht. Es gibt eine stetige Dynamik in der Entwicklung neuer Produkte

Eine Chance für höhere Anteile erneuerbarer Gebäudeenergieversorgung sind PVT-Systemlösungen mit passend dimensionierten Wärme-, Kälte und Stromspeichern sowohl im Gebäude, wie auch im Quartiersmaßstab. Um auf unsere Eingangsstatements zurückzukommen: Die Lösung ist die optimale Kombination von PV und Solarthermie.