In Zukunft flexibel
Um das Zusammenspiel von Erzeugern und Verbrauchern dynamischer zu machen, wird eine komplexe Optimierung des Energiesystems nötig. Doch während Flexibilität für das Energiesystem als ganzes mehr Sicherheit bringt, bedeutet es für einzelne Anlagenbetreiber finanziell ein höheres Risiko. Im Interview beschreibt Jürgen Pfänder als Landwirt, der die Flexibilisierung der eigenen Anlage umgesetzt hat, die Herausforderungen und Chancen.
Herr Pfänder, Sie betreiben in der fränkischen Gemeinde Ohrenbach
eine Biogasanlage in Kombination mit drei Blockheizkraftwerken (BHKW),
einem Satelliten-BHKW und drei Nahwärmenetzen. Warum haben Sie sich für
Strom und Wärme auf Basis von Bioenergie entschieden?
Ich habe
mich mehrheitlich aus Klimaschutzgründen dafür entschieden, Bioenergie
zu produzieren und zu nutzen: Ich wollte die Energiewende aktiv
vorantreiben, unser Landwirtschaftsbetrieb übernimmt ökologische
Verantwortung und trägt seinen Teil zum Atomausstieg und zur dezentralen
Energieversorgung bei. Die bei der Stromgewinnung entstehende Wärme
wird als Nahwärme zum Heizen von Wohnhäusern und Gewerbebetrieben
verwendet. Dies reduziert den fossilen Brennstoffeinsatz erheblich, mit
diesem Projekt sparen wir in unserer 630-Einwohner-Gemeinde bereit
300.000 Liter Heizöl jährlich ein. Darüber hinaus war vor allem der
Wirtschaftsaspekt ein entscheidender Faktor: Die Wertschöpfung bleibt in
der Region. Eine Biogasanlage funktioniert natürlich nicht ohne
wirtschaftliche Betrachtung.
Welche Biomasse verwenden Sie für Ihre Anlage?
Die Gülle
aus unserem Mastschweinestall, Mist von anderen Betrieben, sowie
nachwachsende Rohstoffe wie Silomais, Grünroggen und Grassilage werden
in unserer Biogasanlage in wertvolle Energie umgewandelt. Wir haben den
Kreislaufgedanken aufgegriffen, das bedeutet, CO2-neutrale Produktion
von Energie: Die Pflanzen vom Feld speichern CO2, welches über die
Verbrennung im Fermenter zu Biogas freigesetzt wird. Gleichzeitig
profitieren wir von einem geschlossenen Nährstoffkreislauf: Die
geernteten Pflanzen gebe ich in die Biogasanlage, der Gärrest wird als
hochwertiger Dünger verwendet und auf den Felder ausgebracht. Darüber
hinaus wird mit der Verwertung der Gülle in einer Biogasanlage die
Geruchsemission gegenüber der direkten Lagerung und Ausbringung deutlich
reduziert.
Wie entwickelte sich der Umfang ihres Projektes im Laufe der Jahre?
Den
Betrieb der Biogasanlage starteten wir 2004 mit 65 Kilowatt
elektrischer Leistung. Aufgrund der Verfügbarkeit von Gülle und Mist aus
unserem Betrieb, konnten wir die Leistung unserer Biogasanlage erhöhen,
bis heute wurde diese auf 500 Kilowatt Bemessungsleistung erweitert.
Ein Satelliten-BHKW läuft mit 265 Kilowatt elektrischer Leistung. 2009
wurde das erste Nahwärmenetz angeschlossen, bis heute gibt es insgesamt
drei (Ohrenbach, Oberscheckenbach und Gailshofen). Schon 2012 setzte ich
auf den Bau eines Speichers. Der nächste Schritt umfasste die
Flexibilisierung der Biogasanlage mit einem zusätzlichen BHKW und einer
elektrischen Leistung von 1.130 Kilowatt.
Was war für Sie rückblickend die größte Herausforderung bei der Umsetzung des Projektes?
Letztendlich
bringen nicht die Planung auf dem Papier oder die technischen
Voraussetzungen die größten Herausforderungen mit sich, sondern die
Akzeptanz der Bürger vor Ort. Hier sind die Heizkosten das springende
Argument. Der Heizölpreis war während der Planung unseres Projektes
gering, die Leute vergleichen also und es wurde immer schwieriger, sie
von den Erneuerbaren Energien zu überzeugen. Seit der Umsetzung des
Projektes funktioniert die Zusammenarbeit mit den angeschlossenen
Nutzern reibungslos, sogar von unterwegs: Mit dem Handy habe ich Zugriff
auf meine Wärmesteuerung. Sobald die Bürger ein Problem mit der Wärme
haben, melden sie sich bei mir und ich kann direkt Einfluss auf die
Wärmeverteilung nehmen.
Sie fahren Ihre Anlage seit 2014 flexibel. Was waren Ihre Beweggründe?
Biogas
ist eine hervorragende Ergänzung zu den Zeiten, in denen es an Strom
aus Sonne und Wind fehlt. Um die Kosten decken zu können und den
Anforderungen an den Strommarkt gerecht zu werden, setzen wir bei
unserer Anlage auf Flexibilität. Die festgesetzte Vergütung über das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist auf 20 Jahre angelegt, sie ist
also endlich. Um in Zukunft eine Daseinsberechtigung zu haben, müssen
wir flexibel Strom produzieren, das wird vom Markt gefordert.
Wie kann die Bioenergie konkret einspringen für den Fall, dass Sonne und Wind zu gering sind?
Das
Biogas kann gespeichert werden und bei Bedarf ins Netz eingespeist
werden. Wir können folglich morgendliche und abendliche Spitzen oder
nach einem alternativen Fahrplan eben genau dann Strom produzieren, wenn
er benötigt wird. Ein mit unserem Stromhändler erarbeiteter Fahrplan
sorgt folglich dafür, dass Strom und Wärme bedarfsgerecht fließen. Der
Vorteil hier: Die Flexibilität ist innerhalb von kürzester Zeit zu
erreichen.
Ihre Wärmekunden sollen natürlich nicht frieren, wenn die
Stromerzeugung der BHKWs und damit auch die Wärmeproduktion gedrosselt
werden. Wie können Sie die Wärmeversorgung bei geringem Strombedarf
sicherstellen?
Der Zielkonflikt, dass kein Strom produziert wird,
gleichzeitig jedoch Wärme benötigt wird, kann durch einen Wärmespeicher
gelöst werden, in welchem das warme Wasser vorgehalten wird. So können
wir die Zeit, in der die Motoren nicht laufen, überbrücken. Darüber
hinaus greift bei uns in Spitzenlasten eine Hackschnitzelheizung ein,
die warmes Wasser zur Verfügung stellt. Mit diesen Lösungen können wir
den Wärmebedarf weiterhin mit Erneuerbaren Energien decken.
Wie bewerten Sie das EEG in Bezug auf Biogasanlagen und Flexibilisierung?
Die
Investition in eine Biogasanlage und eine unsichere Zukunft war für
mich als Landwirt vorerst ein großes Risiko. Ein Stück weit Sicherheit
hat mir natürlich das EEG 2009 geboten, da ich mich auf die Höhe der
Einspeisevergütung verlassen konnte. Auf die tatsächlich anfallenden
Kosten kann ich natürlich keinen Einfluss nehmen. Nach Ablauf der 20
Jahre wird sich zeigen, wie es weiter geht. Die Unterstützung seitens
der Politik ist immer ein Auf und Ab. Wichtig ist, dass man sich selbst
mit einbringt und das Bestmögliche daraus macht. Biogas ist eine
verhältnismäßig teure Erneuerbare Energie. Darum müssen wir die
Potenziale verstärkt in den Vordergrund stellen: Politik und Landwirte
müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Flexibilisierung dargestellt und
abgerufen werden kann.
Was würden Sie anderen Landwirten empfehlen?
Es muss bei
der Stromproduktion immer eine sinnvolle Wärmenutzung zu Heizzwecken
mitgedacht werden. Um den energetischen Herausforderungen in der Zukunft
gerecht werden zu können, ist die Flexibilisierung von Biogasanlagen
dringend notwendig. Nur dann können wir sowohl den von der Biogasanlage
produzierten Strom als auch die Wärme zu 100 Prozent nutzen als auch in
einem Mix der Erneuerbaren Energien bestehen.
Die Inhalte dieses Artikels stammen aus der Broschüre Energie vom Land hält warm der Agentur für Erneuerbare Energien.
Bildquelle
Philipp Ledényi
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