Energie-Kommune des Monats: Wuppertal
Dezember 2020
Auf einer 22 Kilometer langen Talachse folgt Wuppertal der namensgebenden Wupper. Der Fluss hat die heute rund 360.000 Einwohner*innen zählende Großstadt im Bergischen Land schon geprägt, bevor er der Stadt 1930 ihren Namen gab. Bereits 1901 wurde die Schwebebahn über der Wupper eröffnet und sie verbindet bis heute auf 13 Kilometern die Zentren der Stadt. Seit diesem Jahr wird die Schwebebahn nun durch fahrende, aber nicht weniger innovative Wasserstoffbusse ergänzt. „Die Energie- und Wärmewende sind zentrale Themen für einen erfolgreichen Klimaschutz in Wuppertal“, erklärt Andrea Stamm, Teamleiterin der Koordinierungsstelle Klimaschutz der Stadt. Um hier Erfolge zu erzielen, ist es notwendig, die Lage und Siedlungsstruktur Wuppertals genau zu verstehen. Ein Wärmeatlas sowie das im Sommer 2020 verabschiedete Klimaschutzkonzept helfen der Stadtverwaltung dabei, möglichst passgenaue Lösungen zu entwickeln.
Stadt schaltet nach 120 Jahren Kohleheizkraftwerk ab
Wuppertal ist es bereits gelungen, den eigenen Endenergieverbrauch zwischen 1990 und 2017 von jährlich gut 11.000 Gigawattstunden um circa 30 Prozent auf 8.000 Gigawattstunden zu senken. Damit gibt sich die Stadtverwaltung jedoch nicht zufrieden: Große Einsparpotenziale werden immer noch im Bereich der Wärmeplanung gesehen. Der hierfür erstellte Wärmeatlas soll eine strategische Wärmeplanung gestatten und so systematisches Dämmen und Sanieren ermöglichen. Daran knüpft auch die 2013 erarbeitete „Richtlinie wirtschaftliches Bauen“ an. Mit deren Einführung müssen die Gesamtkosten eines Bauvorhabens über den gesamten Lebenszyklus berechnet werden, dadurch werden umweltfreundliche, energieeffiziente Lösungen, die sich meist erst mittel- bis langfristig amortisieren, bevorteilt.
Einen weiteren Meilenstein stellt die Abschaltung des 120 Jahre alten Steinkohleheizkraftwerks Elberfeld im Zentrum der Stadt im Jahr 2018 dar. Gleichzeitig wurde und wird das Fernwärmenetz modernisiert und neben Dampf auch Heißwasser angeboten. Abwärme aus dem Müllheizkraftwerk (MHKW) wird mit Hilfe einer neuen Leitung für die dicht bebaute Talachse genutzt, zusätzlich wurden technische Anpassungen am MHKW vorgenommen. Allein durch die Umsetzung der Modernisierungsstrategie der Fernwärme werden 450.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart, was rechnerisch einer jährlichen Reduktion von 1,25 Tonnen CO2-Äquivalent pro Einwohner*in entspricht. Vor Stilllegung des Kraftwerks lag die CO2 Bilanz pro Einwohner*in bei 8,4 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr.
Bei der Erzeugung von Erneuerbarem Strom setzten die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) verstärkt auf den Ausbau im Bereich Photovoltaik, z. B. werden große Solarstromanlagen auf unterschiedlichen Liegenschaften angestrebt. In der Region wurde für Solarenergie das größte Potential identifiziert. In Kooperation mit der Energieagentur NRW findet deshalb die „Solartour“ statt. Hier werden an wechselnden Standorten und unter verschiedenen Schwerpunktthemen Praxisbeispiele und Herausforderungen sowie deren Lösungen beim Ausbau der Solarenergie vorgestellt. Die WSW bieten bereits heute ein Stromprodukt mit regionalem Grünstrom unter dem Namen Tal.Markt an. Dieser hat den deutschen Stadtwerke Award erhalten.
Ziel ist die Umgestaltung einer ganzen Stadt
Während einzelne Maßnahmen die Energie- und Wärmewende schrittweise voranbringen, betont Andrea Stamm, „dass diese nicht isoliert zu betrachten sind, vielmehr geht es um eine umfassende Erneuerung Wuppertals im Sinne des Klimaschutzes“. Diesem Ansatz folgt auch das Klimaschutzkonzept der Stadt aus dem Jahr 2020. Die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales sollen bei allen Maßnahmen möglichst umfassend zur Geltung kommen. Ziel ist die Einbindung der lokalen Wirtschaft sowie die Stärkung des Klimas genauso wie des Sozialgefüges der Stadt durch bürgerschaftliches Engagement.
So fördert der Masterplan Klimaschutz die Kooperation zwischen Stadt und der Kreishandwerkerschaft Solingen/Wuppertal. In acht Handlungsfeldern wie der Erstellung und Umsetzung von Sanierungsmodellen über Maßnahmen zu Klimafolgenanpassung und einer dauerhaften Lernpatenschaft soll zwischen Verwaltung, Handwerk und weiteren Interessierten die Zusammenarbeit zwischen Politik und lokaler Wirtschaft gefördert werden. Im Rahmen der Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes soll diese Kooperation im Bereich des Klimamanagements zum Tragen kommen. Ähnlich gelagert ist die „Strategie Wuppertal 2025“. In 13 Schlüsselprojekten wird die Zielsetzung verfolgt, die Lebensqualität in den Bereichen Wohnen, Wirtschaft, Kultur und Öffentliches Lebens zu fördern. Hier hat das Thema Klimaanpassung in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt.
Für den Erfolg der Energie- und Wärmewende mindestens genauso wichtig ist die Klimabildung: „Ohne Klimabildung kann das Thema Klimaschutz nicht zum Erfolg geführt werden“, erklärt Andrea Stamm. Der nachwachsendenden Generation kommt hier eine wichtige Rolle zu. Im Programm „Energie gewinnt“, das in Schulen an mehr als 60 Standorten Heranwachsende begeistert, wird Klimabildung vermittelt. Erklärtes Ziel ist es, schon bei den Schüler*innen ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass Energiesparen zum einen Kosten senkt und gleichzeitig CO2 einspart. Dadurch wird den Schüler*innen spielerisch das Thema Klimaschutz sowie Energiewende nähergebracht. Wegen des Erfolges wird das Projekt zukünftig auch auf Kindertagesstätten ausgeweitet. Erste Pilotstandorte werden schon 2021 mit der Umsetzung beginnen.
Eine Wasserstoff-Modellregion sichert die Verkehrswende
Bereits 2018 bewarb sich Wuppertal gemeinsam mit der Region Düssel-Rhein-Wupper als Modellregion im Rahmen des Wettbewerbs „Modellkommune/-region Wasserstoffmobilität NRW“. 2020 wurde die Region schließlich zum Sieger erklärt. Das grundsätzliche Ziel der Modellregion ist, mit hohem Vorbildcharakter die klimafreundliche Wasserstoff-Technologie im Verkehrsbereich voranzubringen. Bis 2030 können auf Basis der durchgeführten Simulationsrechnungen mit 5.234 Tonnen Wasserstoff pro Jahr circa 93 Prozent des im Verkehr nachgefragten Wasserstoffs in der Region selbst erzeugt werden. Dies bedeutet eine Vermeidung von 744.110 Tonnen CO2-Äquivalent im Sektor Mobilität im Zeitraum 2025 bis 2035. Zunächst wird als verlässliche Grundlage der Wasserstoff-Erzeugung ein Netzwerk aus Elektrolyseeinheiten an Müllheizkraftwerken benötigt. Neben dieser Grundstruktur soll perspektivisch ein hoher Anteil an Strom aus Wind- und PV-Energieanlagen hinzukommen, die in den kommenden Jahren aus der Förderung des EEG herausfallen. Im Jahr 2030 werden 130 Megawatt an Post-EEG-Wind und –PV-Leistung erwartet, die für die Erzeugung von grünem und lokalem Wasserstoff genutzt werden können. Auf dem Gebiet der gesamten Modellregion soll so ein intelligentes Wasserstofferzeugungssystem entwickelt werden. Die Kooperation erstreckt sich dabei nicht nur auf die Erzeugung, sondern auch auf die Beschaffung – insbesondere Busse, schwere Nutzfahrzeuge und Sonderfahrzeuge – und den Ausbau der Infrastruktur hier hauptsächlich den Ausbau des Tankstellennetzes.
In Wuppertal sind schon jetzt 10 Brennstoffzellenbusse im Einsatz, in 2021 werden 10 weitere folgen, aber dies ist erst der Anfang. Die Wasserstoffbusse sind die konsequente Fortsetzung der Elektromobilität in Wuppertal, die mit der Schwebebahn ihren prominenten Anfang genommen hat. Betankt werden die Fahrzeuge aktuell am MHKW der Abfallwirtschaftsgesellschaft (AWG). Dort wird mit dem biogenen Anteil des Stroms aus dem MHKW in dem speziell für die Busse errichteten Elektrolyseur der benötigte Wasserstoff produziert. Seit Anfang Dezember ist das erste Abfallsammelfahrzeug im Einsatz, das mit Wasserstoff betrieben wird. Positive Effekte werden nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes, sondern auch bei der innerstädtischen Luftqualität und des Lärmschutzes erwartet. Außerdem ist eine Zielsetzung, möglichst viel Wertschöpfung durch die Nutzung der Post-EEG-Anlagen in der Region zu halten. Dadurch wird zusätzlich in hohem Maße Kompetenz und Know-how ausgebaut, von dem engagierte Akteure vor Ort profitieren können. Weitere Einsatzmöglichkeiten wie Carsharing zur Umsetzung der lokalen Verkehrswende werden bereits geprüft.
Fotos: Stadt Wuppertal
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