Energie-Kommune des Monats: Murg
Mai 2020
Nicht kleckern, sondern klotzen, diesem Credo folgend zeigt der 7.000 Einwohner*innen Ort Murg anderen Gemeinden und Städten wie Klimaschutz und Energiewende im Jahr 2020 geht. Im 2014 erstellten Klimaschutzkonzept setzt sich die Gemeinde hohe Ziele, bis 2050 soll der CO2-Ausstoß der süd-badischen Gemeinde auf unter 1 Tonne pro Einwohner*in pro Jahr reduziert werden. Zum Vergleich: 2019 produzierten die Deutschen durchschnittlich jährlich fast 8 Tonnen CO2 pro Kopf. Mit Schulprojekten, energetischen Sanierungen und dem Einsatz erneuerbarer Technologien sollen möglichst viele Anwohner*innen einbezogen werden. Dafür besucht der Klimaschutzmanager der Gemeinde, Maximilian Rüttinger, die Murger*innen sogar zuhause.
Langfristige Planung ist alles
Murg plant ein Generationenprojekt. Keine leichte Sache, bedenkt man, dass Faktoren wie Wirtschaft, politische Lage und die Akzeptanz der Bürger*innen ständigen Schwankungen unterworfen sind. Mit insgesamt 56 Maßnahmen in den fünf Bereichen kommunale Liegenschaften, Energieversorgung und -produktion, Verkehr und Mobilität, interne Organisation und Öffentlichkeitsarbeit soll die Mammutaufgabe jedoch handhabbar gemacht werden. Bis 2019 konnten schon 14 der 53 Maßnahmen umgesetzt werden, mit der Umsetzung 9 weiterer wurde bereits begonnen.
Zum einen tritt die Gemeinde durch energetische Sanierung kommunaler Liegenschaften als Vorbild auf, zum anderen werden durch Projekte – wie der Erstellung eines Solarkatasters 2017 für Murg – auch die Bürger*innen dazu ermutigt, in den Klimawandel zu investieren. Engagement in der Bürger*innenschaft gab es allerdings schon immer. „Das Tolle an Murg ist, dass der Anstoß nicht von der Verwaltung kam, sondern aus der Bevölkerung.“ Deswegen hat der Klimaschutz in der Gemeinde schon immer besondere Unterstützung erhalten, versichert der Klimaschutzmanager. Ein Grund dafür, dass seine kostenlose Einstiegsberatung zu den Themen Heizungstechnik, Klimaschutz und Fördermöglichkeiten lebhaft in Anspruch genommen wird. Die Menschen, die sich bisher weniger mit Themen wie der Energie- und Wärme beschäftigt haben, besucht er im Rahmen der „Energiekarawane“ direkt zuhause. Bei dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt wird eine kostenlose Beratung rund um mögliche Sanierungsmaßnahmen vor Ort geboten. Langfristige Planung gibt auch hier den Ton an: Nur durch die Steigerung der Sanierungsquote in Murg auf über 1,5 Prozent lassen sich die Ziele für 2050 erreichen. Mit 1,2 Prozent ist dieses Ziel aktuell noch nicht erreicht, dennoch zeigt die Karawane Erfolg. Seit Beginn der Kampagne 2018 hat sich die Quote bereits vervierfacht.
Im Projekt „Murgtalschule – Lernort für den Klimaschutz“ wurde Klimaschutz kurzerhand zum Schulfach gemacht. Nach dem Ablauf des einjährigen, von der EU geförderten Projektes, nutzen Lehrende weiterhin die Materialien, um den Schüler*innen den Klimaschutz, dessen Ziele und Herausforderungen näher zu bringen. Aber nicht nur die jüngsten Bewohner*innen der Gemeinde werden aktiv. Die Bürger*inneninitiative „Murg im Wandel“ engagiert sich im engen Austausch mit der Gemeinde für den Ausbau der Erneuerbaren in Murg. Schon bei der Erstellung des Klimaschutzkonzeptes wirkte die Initiative mit. Weitere Projekte – wie der elektrische Bürgerbus, der auch in Zeiten ohne regulären ÖPNV einzelne Ortsteile miteinander verbindet – schützen das Klima sowie die soziale Kohäsion des Ortes. Aktuell arbeitet die Initiative an der Installation einer von Bürger*innen finanzierten Solaranlage. Auf dem Gerätehaus der Feuerwehr soll so in den nächsten Jahren Strom für die Gemeinde produziert werden.
Maßnahmen stetig auf dem Prüfstand
Messen müssen sich die Ergebnisse immer am Erfolgskontrollplan. Die Voraberstellung eines Erfolgskontrollplans wird vom Fördergeldgeber des Klimaschutzkonzeptes vorgegeben. „Das heißt, wir können stetig kontrollieren, ob die umgesetzten Maßnahmen mit dem Erfolgskontrollplan übereinstimmen und dementsprechend auch anpassen“, erklärt der Klimaschutzmanager. Zusätzlich wird der aktuelle Stand jährlich dem Gemeinderat vorgestellt. Diese Rückkopplung zwischen Umsetzungs- und politischer Ebene ermöglicht es, Probleme früh zu erkennen und wenn nötig politisch gegenzusteuern. Noch genauer will es der Klimaschutzmanager mit dem noch in der Zertifizierungsphase befindlichen Energiemanagementsystems wissen. Dieses soll einen kompletten Überblick über die Verbräuche aller kommunalen Liegenschaften geben, deren Veränderung aufnehmen und so Einsparpotenziale aufdecken. So sollen nur durch die Optimierung der Verbräuche Ersparnisse beim Energie- und Wärmeverbrauch von bis zu 8 Prozent möglich sein.
Erfolg, der sich messen lässt
Auch wenn noch drei Jahrzehnte vergehen müssen, bis klar ist, ob Murg seine Ziele erreichen wird, kann die Gemeinde schon heute zahlreiche Erfolge vorweisen. Durch die Installation von Photovoltaikanlagen (PV-Analgen) auf der Abwasserreinigungsanlage können bis zu 60 Kilowatt peak (kWp) erzeugt werden. Damit wird tagsüber fast 75 Prozent des Strombedarfs der Kläranlage nachhaltig produziert. Dazu kommen zahlreiche von Bürger*innen betriebene PV-Anlagen. Weitere Anlagen auf dem Ärztehaus, dem Rathaus und einer Obdachlosen- und Geflüchtetenunterkunft sind bereits in der Planung und sollen langfristig bis zu 37 Prozent der Grundlast der Einrichtungen tragen. Diese Schritte werden stets durch Sanierungsmaßnahmen begleitet, die helfen den Energieverbrauch weiter zu senken. Durch die Sanierung des Kindergartens im Ortsteil Oberhof konnten beispielsweise Einsparungen von 74 Prozent beim Strom- bzw. Wärmebedarf realisiert werden. Auch bei Neubauten ergänzen sich dezentrale Energieerzeugung und umweltschonende Baumaßnahmen. Musterbeispiel hierfür ist die neugebaute Kindertagesstätte. Diese wird über eine PV-Dachanlage sowie einer Wärmepumpe nachhaltig mit Wärme und Strom versorgt. Die hohen Energiestandards ermöglichen es dann, die erzeugte Energie möglichst effizient zu nutzten. Auch im Bereich Wärme zeigt sich Murg ambitioniert. Schrittweise werden Heizungen, die fossile Brennstoffe nutzen ausgetauscht und beispielsweise durch Pelletheizungen, wie im sanierten Kindergarten der Stadt, ersetzt. Seit 2019 verfügt die Kläranlage zudem über eine Wärmepumpe.
Schon heute schlagen sich die Investitionen in Einsparungen von 13.600 Euro pro Jahr nieder. „Wir haben durch Sanierungen bzw. durch Verbesserungen der Gebäudetechnik Einsparungen der Wärmemenge aller kommunalen Liegenschaften im Vergleich zu 2016 mit 2019 um 13,8 Prozent“, berichtet Klimaschutzmanager Rüttinger. Zudem hat die Nutzung von lokal und nachhaltig produziertem Strom im gleichen Zeitraum um 5 Prozent zugenommen. In kommunalen Liegenschaften stammen schon fast zwei Drittel der Wärme aus nachhaltiger Produktion. Betrachtet man die gesamte Gemeinde, ist der Gesamtverbrauch von fossilen Energieträgern zwischen 2016 und 2019 um 5 Prozent zurückgegangen. Zusätzlich prognostiziert der Klimaschutzmanager weitere Einsparungen von bis zu 4 Prozent bis Ende 2020. Diese Erfolge verdankt die Gemeinde ihren engagierten Bürger*innen genauso wie der aktiven Gemeindeverwaltung. Dieses Zusammenspiel gepaart mit der Bereitschaft, neue Wege zu gehen, haben Murg zu einem Vorbild für die Energie- und Wärmewende gemacht. Gemeinsam kann es der Gemeinde gelingen, ihre ambitionierten Ziele bis 2050 zu erreichen.
Fotos: Gemeinde Murg
Social Media