"Wir benötigen handwerklich gut gemachte Gesetze, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für Investitionen."
Liebe Frau Kühnel, Sie sind die Amtsleiterin im Umweltamt Chemnitz und damit eine der zentralen Persönlichkeiten rund um die Bemühungen der Stadt bis 2040 klimaneutral zu werden. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung Chemnitz als „Energie-Kommune des Jahres“! Hatten Sie damit gerechnet?
Vielen Dank für die Glückwünsche, welche ich auch gern an das gesamte Energieteam und unsere Netzwerkpartnerinnen und -partner weitergeben möchte. Mit der Auszeichnung haben wir nicht gerechnet, denn es gibt auch viele andere engagierte Kommunen. Deshalb erfüllt uns die Auszeichnung mit besonderer Freude und weckt den Ansporn, auf unserem Weg weiterzumachen.
Das dritte Mal in Folge hat Chemnitz zudem den European Energy Award erhalten, 2024 war sie die energieeffizienteste Stadt, zuvor Hauptstadt der Solarenergie – ein beeindruckendes Ergebnis Ihrer Arbeit. Was bedeutet das für Sie und die Stadt, die ja in diesem Jahr auch noch Kulturhauptstadt Europas ist?
Es war der dritte European Energy Award in Gold, 2011 und 2014 konnten wir den Preis schon in Silber erhalten. Alle genannten Auszeichnungen zeigen, dass die Stadt Chemnitz, das sind neben Stadtpolitik und Verwaltung Unternehmen, Vereine und Verbände sowie große Teile der Bürgerschaft, zielstrebig an der Umsetzung von Klimaschutzzielen und -maßnahmen arbeitet. Ich finde, das passt auch sehr gut zur Kulturhauptstadt, denn hier kommt ein fest in Chemnitz verwurzeltes Interesse an einer nachhaltigen und umweltgerechten Zukunft zum Ausdruck. Auch Kreativität und Erfindergeist und die Suche nach innovativen Lösungen spiegeln sich wider. Durch die Kulturhauptstadt gibt es auch gute Gelegenheiten, sich zu präsentieren, Klimaschutzmaßnahmen publik zu machen und unsere Gäste für innovative Projekte zu begeistern.
Eins der drängenden kommunalen Themen scheint weiterhin die kommunale Wärmeplanung zu sein. Auf welchen Pfad begibt sich Ihre Kommune hier?
Die Dekarbonisierung des Wärmesektors gehört zweifelsfrei zu den Schwerpunkten des Klimaschutzes. In Chemnitz wurden 2023 erst sieben Prozent des Wärmeverbrauchs regenerativ vor Ort erzeugt. In Chemnitz besteht leider ein begrenztes Potenzial an Ressourcen, im Wesentlichen sind das Solarenergie, Umgebungswärme und in geringerem Umfang Biomasse und technologische Abwärme. Alle diese Energieträger gilt es zu nutzen. Wir haben jedoch mit einem bereits gut ausgebauten Fernwärmenetz auch gute Chancen. Unser Regionalversorger eins energie in Sachsen GmbH & Co. KG, kurz eins, und die Netzgesellschaft inetz arbeiten zielstrebig am Netzausbau und der Transformation der Erzeugeranlagen weg von Erdgas zu erneuerbaren Quellen in enger Abstimmung mit der zu erstellenden Wärmeplanung. Für viele Stadtteile wird es jedoch dezentrale Anlagen geben müssen. Dabei setzen wir auf Technologieoffenheit.
Würde eine Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes Ihrer Meinung nach eine Erleichterung für die kommunale Arbeit sein oder sollte daran festgehalten werden?
Das GEG weist sicherlich Überarbeitungsbedarf auf. Eine Abschaffung befürworten wir nicht.
Klimaneutralität bis 2040 erfordert erhebliche Investitionen. Welche Fördermöglichkeiten nutzt Chemnitz, und wo sehen Sie noch finanzielle Hürden?
Chemnitz nutzt die Kommunalrichtlinie des Bundes sowie die Richtlinie Energie und Klima des Freistaates Sachsen für Planungsaufgaben.
Für Investitionen wurde 2023 und 2024 die „Klimamillion“ des Freistaates Sachsen verwendet. Für weitere investive Maßnahmen werden die Städtebauförderung des Bundes und des Landes sowie EFRE-Mittel eingesetzt. Daneben wurde bis zu deren Einstellung die Förderung der KFW für energetische Quartierskonzepte genutzt. Insgesamt bestehen noch erhebliche Fragen auch an die Bundesebene, wie der Investitionsbedarf in Milliardenhöhe gedeckt werden kann.
Wo sehen Sie aktuell weitere Herausforderungen oder Chancen in Ihrer Kommunalarbeit?
Herausfordernd ist die kritische Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte, deren Ursachen weitestgehend nicht bei den Kommunen zu suchen sind. Als Chance sind jedoch Investitionen in Anlagen für erneuerbare Energien zu sehen, beispielsweise im Rahmen einer Eigenstromnutzung oder der Nutzung von in unseren städtischen Wäldern, Grün- und Naturschutzflächen und entlang von Straßen anfallenden Holzhackschnitzeln für die Beheizung von Kitas und anderen kommunalen Gebäuden fernab des Fernwärmenetzes. Auch unsere Naturschutzstation wird auf diese Weise wärmeversorgt, zuzüglich einer Solarthermieanlage.
Was würden Sie Kommunen, die sich auch auf den Weg machen wollen, bezüglich Bürger*innenbeteiligung raten bzw. wovon würden Sie ihnen abraten?
Hilfreich sind zielgruppenorientierte Informationsveranstaltungen und Workshops. Dazu gehören Kampagnen wie „Stadtradeln“, die Auslobung des Chemnitzer Umweltpreises für Kinder und Jugendliche und der Tag der erneuerbaren Energien. Zu dieser Gelegenheit können z. B. neue Anlagen der eins, der Stadtverwaltung und privater Akteure besichtigt werden. Auch die Zusammenarbeit mit jungen Menschen in Kitas und Schulen, z. B. über Ganztagsunterricht oder Aktionsnachmittage oder die Ansprache älterer Generationen z. B. über die Volkshochschule sind hilfreich. Zudem gibt es entsprechende Kontakte zu unserer technischen Universität. Auch im Verkehrsbereich gibt es Aktivitäten und Aktionen zur Einbeziehung der Bürgerschaft. Belehrungen der Bürgerinnen und Bürger oder der permanente Wink mit dem Zeigefinger bzw. jegliche Art von Populismus sind hingegen ausgesprochen kontraproduktiv. Klimaschutz muss Spaß machen.
Wenn Sie einen Wunsch für die Klimapolitik auf Bundes- oder Landesebene frei hätten – was wäre das?
In erster Linie benötigen wir handwerklich gut gemachte Gesetze, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für Investitionen insbesondere was die Bereitstellung von Förderprogrammen und sonstigen Finanzierungshilfen betrifft. Dies habe ich in letzter Zeit zuweilen vermisst.
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