Vom Kopf auf die Füße gestellt

Die Stadtwerke Flensburg betreiben im Heizkraftwerk Tarp unter anderem ein BHKW, das vom vorgelagerten Verteilnetzbetreiber in rund 2.000 Stunden pro Jahr aufgrund von Einspeisemanagement abgeregelt wird.

In diesen Zeiten wird die Fernwärmeversorgung auch durch den Betrieb eines Heizölkessels sichergestellt. Mit der Inbetriebnahme eines Elektroheizkessels der Stadtwerke Flensburg in Tarp werden ansonsten abgeregelte Strommengen aus erneuerbaren Energien in speicherbare Wärme umgewandelt und in das Tarper Fernwärmenetz eingespeist. So kann der Betrieb des Heizölkessels vermieden werden und fossile Energieträger substituiert werden. Die Anlage ist dafür ausgelegt, innerhalb von Sekunden auf ein schwankendes Stromangebot zu reagieren und hilft somit auch, das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im Stromnetz zu gewährleisten.

(Foto: Kraftwerk Flensburg/ Stadtwerke Flensburg) Früher sorgte ausgerechnet die Windkraft dafür, dass in Flensburg Öl für die Fernwärme verbrannt wurde. Heute nutzen die dortigen Stadtwerke Elektroheizkessel, um Windstrom aufzunehmen und in klimafreundliche Wärme umzuwandeln. Peer Holdensen, Unternehmenssprecher der Stadtwerke Flensburg spricht über Chancen und Herausforderungen des Projektes.

Herr Holdensen, was ist der Nutzen des Projektes für den Klimaschutz?

Der Anlass für das Projekt waren die häufigen Abschaltungen der vorhandenen BHKW durch das Einspeisemanagement und der damit verbundene Ersatzbetrieb des Ölkessels zur Sicherstellung der Wärmeversorgung. Mit diesem Projekt soll aufgezeigt werden, wie mehr erneuerbare Energien im Stromsystem sinnvoll genutzt werden können. Durch den Einsatz des Elektroheizkessels kann die Fernwärmeleistung des abgeregelten BHKW durch Elektrowärme substituiert werden, so dass zum einen fossiler Brennstoff eingespart wird und zum anderen abgeregelte Energie von Windkraftanlagen lokal für die Wärmeerzeugung genutzt wird. Die Sektoren Wärme und Strom werden gekoppelt und die regionale Selbstverwertungsquote erhöht.

Welche Akteure waren an der Umsetzung beteiligt?

Betrieben wird der Elektroheizkessel im Heizkraftwerk Tarp von den Stadtwerken Flensburg. Lieferant des Elektrokessels war die Firma Schniewindt. Der zuständige Netzbetreiber ist die SH Netz AG. Weitere Unterstützung gab es von den Beteiligten aus dem Partnerprojekt NEW 4.0 – Norddeutsche EnergieWende. Hierbei handelt es sich um eine Innovationsallianz von 60 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Hamburg und Schleswig-Holstein, die Kompetenzen und Lösungspotentiale für die Energiewende im Norden bündeln.

Wie hoch waren die Kosten und wurde das Vorhaben gefördert?

Der Bau des Elektroheizkessels wurde im Rahmen des Schaufensterprojekts NEW 4.0 in Höhe von rund 24.000 Euro gefördert. Er wurde im Rahmen des Teilprojekts „Begegnung von Einspeisemanagement mit Elektroheizern“ gebaut.

Welche Herausforderungen gingen mit der Umsetzung Ihres Projektes einher?

Als fordernd gestaltete sich die Klärung der regulatorischen Rahmenbedingungen und Bedingungen zur Anwendung des § 119 EnWG, also der sogenannten „Experimentierklausel“. Diese schafft den rechtlichen Rahmen für die Erprobung zukunftsweisender Verfahren und Technologien einer nachhaltigen Energieversorgung.

Welchen Anpassungsbedarf der regulatorischen Rahmenbedingungen sehen Sie, um die Sektorenkopplung in Deutschland stärker zu fördern?

Die Befreiung des Stroms von den Abgaben und Netzentgelten.

War dieses Projekt das erste seiner Art oder gab es schon Erfahrungen aus anderen Regionen und Projekten?

Es handelt sich um ein Pilotprojekt, bei dem wir als Stadtwerke Flensburg den Prozess maßgeblich nach vorne gebracht haben. Wir profitieren dabei vom Netzwerk aus verschiedenen Partnerorganisationen und deren Erfahrungsschätzen innerhalb des Projektes NEW 4.0.

Kann ein Netzwerk zur Sektorenkopplung die Anwendung innovativer Energiewende-Ansätze beschleunigen?

Ein Netzwerk kann definitiv dabei helfen, die zwingend notwendige politische Diskussion zur Änderung der Rahmenbedingungen für die Sektorenkopplung zu beschleunigen und zugunsten einer Systemtransformation zu beeinflussen.

Ihr Fazit zur Sektorenkopplung?

Das Klimaschutzpotential von Sektorenkopplung ist offensichtlich. Leider fehlen für eine wirtschaftliche Umsetzung von Projekten die notwendigen Rahmenbedingungen.

Kontakt
Peer Holdensen
Unternehmenssprecher der Stadtwerke Flensburg GmbH
peer.holdensen@stadtwerke-flensburg.de
www.stadtwerke-flensburg.de
Tel.: 0461 487 1365