Wildpoldsried

Juli 2008

Die bayerische Gemeinde Wildpoldsried hat eine außerordentlich fortschrittliche und moderne Energieversorgung. Die optimale Ausnutzung der natürlichen Gegebenheiten und die gemeinschaftliche Umsetzung von Erneuerbaren-Energien-Projekten zeichnet die Gemeinde aus.

Genug Strom für die regenerative Vollversorgung

Ekdm_Wildpoldsried_Gemeinde_WildpoldsriedDie Windenergie gehört in der Allgäuer Gemeinde schon seit Jahren zum gewohnten Erscheinungsbild. Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen schmücken viele Dächer im Ort, die Bauern füttern Biogasanlagen mit heimischer Biomasse und drei kleine Wasserkraftwerke liefern regelmäßig Strom. So leisten alle Erneuerbaren Energien im Zusammenspiel genug Strom für eine regenerative Vollversorgung.

"Klimaschutz in der Praxis kann nur mit den Bürgern und nicht gegen sie umgesetzt werden. Er kann nur mit Begeisterung und Überzeugung, nicht mit Zwang funktionieren", stellt der Bürgermeister Arno Zengerle, Betreiber einer Wasserkraftanlage, fest. Unterm Strich erzeugen die Erneuerbaren Energien in Wildpoldsried über 250 Prozent des Stromes, den die Gemeinde verbrauchen kann. Über die Hälfte des üblichen bundesdeutschen Pro-Kopf-Ausstoßes an CO2 sparen die Wildpoldsrieder mit Hilfe der Erneuerbaren Energien ein.

Power to the People

Begonnen hat alles mit einer handvoll engagierter Bürger vor Ort. Gemeinsam mit 30 Nachbarn und Freunden gründete der Landwirt Wendelin Einsiedler im Jahr 1999 eine Bürgergesellschaft. Ziel war es, mit Windenergie Geld zu verdienen und die Umwelt zu schonen. Die Gesamtinvestitionen lagen damals bei ungefähr 2,2 Millionen Euro. 25 Prozent der Investitionssumme brachten die Bürger von Wildpoldsried auf. Ein Investitionszuschuss von 100.000 Euro kam vom Land Bayern hinzu. Der große Rest konnte dank der Vergütungssicherheit durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) über Banken finanziert werden. Das Windenergie-Projekt erwies sich schließlich als so erfolgreich, dass die Bürger im Jahr 2002 einen weiteren Windpark realisierten. Heute sind über 180 Bürger an Windkraftanlagen beteiligt.

Nach einer Umfrage im Jahr 2006 waren über 86% Prozent der befragten Anwohner mit den Windkraftanlagen einverstanden. "Nur durch Erneuerbare Energien können wir unseren Wohlstand und Komfort gegenüber der Schöpfung und den nächsten Generationen verantworten", erklärt der Initiator des Bürgerwindparks, Wendelin Einsiedler.

Besucher stellen ihm immer die gleiche Frage: Lohnt sich eine solche Investition in einer Gegend wie dem Allgäu? Weht hier überhaupt genug Wind? Doch guter Wind weht auch in Bayern. Mittlerweile stehen 5 Anlagen auf dem 900 Meter hohen Haarberg. Mit einer Gesamtleistung von 7 Megawatt produzieren die Bürgeranlagen jährlich 13 Millionen Kilowattstunden - mehr als die 2500 Einwohner benötigen. Die Windernte ist vergleichbar mit anderen deutschen Standorten.

Der Erfolg des Projektes blieb nicht lange unbemerkt. Die angrenzende Nachbargemeinde hat inzwischen ebenfalls mehrere Windräder auf ihrem Teil des Haarberges aufgestellt.

Die ganze Gemeinde ist im Erneuerbaren-Energien-Fieber

Neben der Windkraft gibt es weitere zahlreiche Erneuerbare-Energien-Anlagen im Ort. Mit der persönlichen Erfahrung der Bürger stieg auch die Akzeptanz. Die Windkraft löste einen regelrechten Schub für die Nutzung Erneuerbarer Energien aus. Unterstützt wird diese Entwicklung vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu. Das Energie- und Umweltzentrum bietet regelmäßige Sprechstunden an, während der sich alle Bürger kostenlos von kompetenten Beratern informieren lassen können. Die Kosten für die Beratungsstunden trägt die Gemeinde.

Eine Vielzahl von Privathäusern haben mittlerweile Solarkollektoren und Photovoltaikanlagen. Dies wurde durch drei "Wildpoldsrieder Solaraktionen" unterstützt. Der Wildpoldsrieder Planer Thomas Knecht koordinierte die Aktionen und verhalf den Wildpoldsriedern zu guten Konditionen bei sehr guter Qualität. Bei der ersten Aktion "Gemeinsamer Solareinkauf" wurden im Sommer 2002 insgesamt 224 Quadratmeter Solarkollektoren (18 thermische Anlagen) neu installiert. Im Jahr 2003 installierte die Firma "Die Solar" hauptsächlich Photovoltaikanlagen mit insgesamt 66,85 kWp Gesamtleistung. In den darauffolgenden Jahren kauften die Wildpoldsrieder Bürger zusammen weitere Photovoltaikanlagen. Die Gesamtleistung der Anlagen liegt momentan bei 1580 kWp.

Alle kommunalen Dachflächen, wie Feuerwehrhaus, Bauhof, Turnhalle und weitere Gebäude nutzen die Sonnenenergie für die Stromerzeugung. Das bringt der Gemeinde zusätzliches Geld in die Kasse. Die Anlagen werden teilweise von Vereinen betreut, die wiederum einen Teil der Erlöse für ihre Arbeit, insbesondere bei der Jugendbetreuung, einsetzen. Bis 2020 plant die Gemeinde ihr Netz auszubauen, sodass sie ihren gesamten Strom- und Wärmebedarf selbst decken kann. Zur Kontrolle und Stabilisierung des Netzes richtete die Gemeinde ein Smart Grid ein. Dessen Kernmodul das selbstorganisierende Energieautomatisierungssystem "So easy" sowohl als auch die Elektrofahrzeugflotte der Gemeinde sind Teil des Projektes IRENE ("Integration regenerativer Energie und Elektromobilität") und komplementieren das Modell der nachhaltigen Energie-Kommune.

Holz, Gülle und Erdwärme statt Öl

Während in der ganzen Republik die Heizkosten steigen, sieht die Wildpoldsrieder Kommune dieser Entwicklung gelassen entgegen. Die veralteten Ölheizungen in den öffentlichen Gebäuden sind längst verschrottet. Seit 2005 produziert ein großer Holzpelletofen Wärme, die ein eigenes Fernwärmenetz an 22 kommunale und private Gebäude liefert. Der nachwachsende Rohstoff Holz kommt aus der Region und eine Rechnung für Heizöl hat der Kämmerer schon lange nicht mehr gesehen. Viele Bürger heizen inzwischen mit Erdwärme, die mit Hilfe von Wärmepumpen genutzt wird. Im Dorf stehen auch vier Biogasanlagen. Dort werden der überschüssige Mist aus den Ställen und die Biomasse aus der Umgebung in Biogas umgewandelt. Die Reste dienen als hochwertiger und umweltschonender Dünger für die umliegenden Felder. Das Biogas wird in einem Blockheizkraftwerk in sauberen Strom umgewandelt. Mit der Abwärme werden in der Nachbarschaft zugleich einige Wohnungen beheizt.

Erneuerbare Energien erhöhen die Wirtschaftskraft

Die wegweisende Energieversorgung der Allgäuer Gemeinde hat eine Reihe von Unternehmen aus dem Energie- und Umweltbereich angelockt, die sich hier gut aufgehoben und verstanden fühlen.

Mit dem in Wildpoldsried produzierten Strom und der Wärme aus Erneuerbaren Energien werden regionale Wirtschaftskreisläufe angekurbelt. Regelmäßige Einkünfte kommen aus den Bürgerbeteiligungen. Hinzu kommen die Aufträge an örtliche Unternehmen, zum Beispiel für das Baugewerbe. Die Biogasanlagen und Holzpelletheizungen tragen dazu bei, dass die nachwachsenden Rohstoffe in der Umgebung geerntet und die Landschaft offen gehalten wird.

Foto: Gemeinde Wildpoldsried