Gemeinde Lathen
September 2018
In unmittelbarer Nähe zur niederländischen Grenze liegt die niedersächsische Samtgemeinde Lathen. Die 11.300 Einwohner verteilen sich auf insgesamt 5 kleinere Ortschaften rund um die Sitzgemeinde Lathen mit 6.000 Einwohnern - eine schwierige Situation, um ein Wärmenetz zu realisieren. Trotzdem hat Lathen eine gemeinsame Wärmeversorgung aufgebaut, die vom Holzhackschnitzelheizwerk im Hauptort über Biogasanlagen von Landwirten bis zu Kurzumtriebsplantagen reichen. Betrieben werden Anlage und Wärmenetz über eine Energiegenossenschaft. „Für die Menschen ist es entscheidend, die Energiewende und die Projekte vor Ort zu begleiten und mitzugestalten“, findet Lathens Bürgermeister Karl-Heinz Weber, und ergänzt: „Für den Ausbau des Nahwärmenetzes war außerdem die finanzielle Unterstützung über das BAFA wichtig.“ Das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft (BAFA) unterstützt Kommunen und Privathaushalte beim Ausbau Erneuerbarer Energien, beispielsweise durch das Marktanreizprogramm (kurz: MAP). So wird das Wärmenetz pro Meter bezuschusst, aber auch jeder Anschluss.
Ein Wärmenetz ist entstanden
Ausgangspunkt für den Ausbau des Wärmenetzes war jedoch nicht das Holzhackschnitzelheizwerk, sondern eine Biogasanlage. Ein Landwirt bot der Gemeinde die bei der Verstromung in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) anfallende Abwärme an. Nachdem ein zweiter Landwirt seine Abwärme angeboten hat, war die Idee für ein größeres Wärmenetz geboren. Heute ist die Wärmeversorgung sogar bis zur Nachbargemeinde Fresenburg mit Leitungen unter der Ems entlang ausgebaut. „Die Wärmenetze für die Biogasanlagen haben uns gezeigt, dass die gemeinschaftliche Wärmeversorgung sinnvoll ist und funktioniert“, erzählt Bürgermeister Weber. „Durch diese Erfahrung konnte der nächste Schritt, der Bau des Holzhackschnitzelheizkraftwerks mit einer Gesamtleistung von 2 x 5.000 Kilowatt, sicheren Fußes getan werden und sich weiteren Projekten zugewendet werden.“ Hierzu gehört neben einer Solarstromanlage auch eine ORC-Anlage auf 4 Hektar Land, deren Strom und Wärme genutzt werden kann.
„Angefangen haben wir mit der Wärmeversorgung von etwa 200 Haushalten durch das Holzhackschnitzelheizkraftwerk“, berichtet Bürgermeister Weber. „Mittlerweile sind über 700 Haushalte an das Wärmenetz angeschlossen. Auch wenn Öl und Gas derzeit auf einem Tiefpreis angeboten werden, sind wir nach wie vor, der in der Bundesrepublik günstigste Anbieter von Nahwärme, der zudem auf einen Grundpreis nach wie vor verzichtet.“
Gemeinsam für Erneuerbare Wärme
Um die Bürger von einem Anschluss zu überzeugen, ist Fingerspitzengefühl gefragt. „Ohne Pressearbeit, Information und Werbung geht es nicht“, erklärt der Bürgermeister. „Die Menschen sollen schließlich ihre eigene Privatheizung gegen ein gemeinschaftliches Heizungssystem austauschen.“ Dabei spricht vieles für das gemeinsame Wärmenetz: „In Lathen wurden ungefähr 3 Millionen Kilowattstunden Wärmeenergie im Jahr in öffentlichen Gebäuden verbraucht. Hinzu kommen rund 18 Millionen Kilowattstunden in privaten Haushalten. Das Geld für das notwendige Erdgas fließt aus der Region ab“, rechnet der Bürgermeister vor. Das Holzhackschnitzelheizkraftwerk nutzt ausschließlich Holz aus der Landschaftspflege und Restholz aus Wäldern der Region und Kurzumtriebsplantagen von einem Landwirt der Region und aus der direkten niederländischen Nachbarschaft. Auch die Planungsbüros kommen aus der Region. „Der Preis für die Kilowattstunde Wärme liegt mit 4,5 Cent pro Kilowattstunde deutlich unter den 6,1 Cent pro Kilowattstunde für Erdgas, bei dem monatlich auch noch 10 Euro anfallen.“ Zudem sind Wärmenetze viel effizienter, als eine private Gasheizung. Das hat der Bürgermeister bei seinem Anschluss an das Nahwärmenetz selbst erfahren: „Meine alte Erdgasheizung hat 40.000 Kilowattstunden Wärmeenergie im Jahr verbraucht,“ so Weber. „Über das Wärmenetz sind es nur noch 24.000 Kilowattstunden.“
Wertschöpfung für die Kommune
Um die Bürgerinnen und Bürger auch direkt an dem Betreiberunternehmen der Erneuerbaren Energien zu beteiligen, wurden die Projekte in Form von Genossenschaften umgesetzt. Mit der Nahwärmegenossenschaft sind es nun insgesamt drei Energiegenossenschaften in Lathen. Die beiden anderen Energiegenossenschaften betreiben einen Solarpark und weitere Solaranlagen auf Dächern von kommunalen Gebäude, wie Schulen und Verwaltungsgebäuden, aber auch auf privaten Stallanlagen. Die Kommune erhält für ihre Dächer Pachtzahlungen von den Genossenschaften. „Die Samtgemeinde hat bei der Gründung aller Genossenschaften geholfen und ist auch Mitglied“, so der Bürgermeister, der in den drei Energiegenossenschaften im Aufsichtsrat sitzt. Der Genossenschaftsanteil liegt bei 100 Euro. Dadurch wird sichergestellt, dass sich möglichst viele beteiligen können – unabhängig vom Geldbeutel. Insgesamt haben die Energiegenossenschaften bereits 27 Millionen Euro in Lathen investiert – allein das Holzhackschnitzelheizkraftwerk macht davon rund 7 Millionen Euro aus.
In Windeseile Energiewende
Neben der Holzenergie, den Biogas-BHKWs und den Solaranlagen wird in Lathen auch die Windenergie genutzt. Mitte der Neunziger Jahre wies die Gemeinde Flächen aus, auf denen Windparks entstanden. Als wichtiger Wirtschaftsfaktor wurden die alten Windräder gegen 21 neue Anlagen mit mehr Leistung in Repowering-Projekten ausgetauscht. Die Gesamtleistung der Anlagen liegt nun bei 122 MW, aus denen rund 245.000 MWh elektrische Energie erzeugt werden. Gemeinsam mit den anderen Erneuerbaren Technologien liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien am Eigenverbrauch nun bei 375 Prozent beziehungsweise rund 300.000 MWH. „Ein 100-Prozent-Ziel macht für uns im Strombereich keinen Sinn mehr“, meint der Bürgermeister. „Allein mit den bestehenden Anlagen steht uns doppelt so viel Strom zur Verfügung, als vor Ort verbraucht wird. Das würde uns mehr bremsen als anspornen.“
Die letzten drei Jahre haben zusätzlich zwei Klimaschutzmanager in insgesamt drei benachbarten Samtgemeinden an der Umsetzung von Klimaschutzprojekten gearbeitet und die Grundlage für Neues geschaffen. Das jüngste Projekt "Eco-Regions" beschäftigt sich mit dem Überangebot von Nährstoffen, die in der Region Emsland produziert werden. Eine Anlage in der Gülle und Festmist zu Methan-Gas umgewandelt werden, soll Abhilfe schaffen und Gas in das öffentliche Netz einspeisen. Dabei kann Phospor durch die Rückgewinnung von Wertstoffen in der Wiederverwertung einer Massenalgenanlage eingesetzt werden.
„Der wichtigste Hebel für den Erfolg der Energiewende vor Ort sind nicht die Ziele, sondern umgesetzte Projekte", erklärt Bürgermeister Weber. „Lathen liegt an der Teststrecke des Transrapid und wir haben daher hautnah erfahren können, wie ein tolles Projekt wegen fehlender Umsetzung scheitern kann. Dies sollte mit der Energiewende nicht passieren.“
Fotos: Samtgemeinde Lathen
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