Koalitionsvertrag: Mehr Dynamik für Erneuerbare Energien auf die lange Bank geschoben
„Eine neue Dynamik für Deutschland.“ Dies ist eine von drei Zielsetzungen, die dem Koalitionsvertrag von Union und SPD voranstehen. Dass es in der neuen Wahlperiode für die Erneuerbaren Energien zu einer neuen Dynamik kommt, ist schon aus Sicht des Klimaschutzes dringend notwendig. Das wissen auch die Koalitionäre in spe, verzichten in ihrem Koalitionsvertrag aber auf das von einer breiten Allianz von Verbänden und Organisationen geforderte energiepolitische Umsteuern zugunsten der Erneuerbaren. So ist in der 177 Seiten langen Vereinbarung weder eine konkrete CO2-Bepreisung noch die Abschaltung von Kohlekraftwerken festgeschrieben. Stattdessen soll für den Kohleausstieg eine neue Kommission Zeitplan und Maßnahmen erarbeiten. Bindend sind die Vorschläge keineswegs. Zum Klimaziel, den Treibhausgasausstoß bis 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken, bekennen sich die Koalitionäre in spe und wollen die Handlungslücke zur Erreichung des Ziels „so weit wie möglich“ reduzieren. Angesichts der fehlenden Abschaltung von Kohlekraftwerken ist das Einhalten dieser Zielmarke utopisch. Das wissen auch Union und SPD. Sie peilen stattdessen neue Ziele für 2030 an. Bis dahin wollen sie den Anteil der Erneuerbaren Energien im Stromsektor gegenüber den aktuellen Zielvorgaben um 15 Prozentpunkte auf 65 Prozent steigern.
Am Ziel einer landesweit einheitlichen Stromgebotszone wird im Koalitionsvertrag festgehalten. Eine „bessere regionale Steuerung“ beim Ausbau der Erneuerbaren Energien soll eingeführt werden. Union und SPD wollen zudem die Kopplung der Sektoren Wärme, Mobilität und Elektrizität in Verbindung mit Speichertechnologien voranbringen. Sie planen zudem eine Novellierung und Vereinfachung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes. Ziel der Koalitionäre in spe ist es, mit „neuen Technologien und einer stärkeren Digitalisierung, aber auch mit einer besseren Zusammenarbeit der Netzbetreiber die vorhandenden Netze höher auszulasten“. Ökonomische Anreize für die Optimierung der Netze nennen Union und SPD ausdrücklich.
Wärmebereich: Rückschritt statt Fortschritt
In der Branche der Erneuerbaren Energien stieß der Koalitionsvertrag auf ein kritisches Echo, in das sich auch lobende Worte mischten. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) mahnte ein Sofortprogramm zum Klimaschutz an und monierte, der Weg zu einer vollständigen Energiewende werde in dem Vertrag nicht einmal angedeutet“. Mit Blick auf den Wärmebereich sprach BEE-Geschäftsführer Peter Röttgen von einem Rückschritt. „Dass der Austausch von alten Heizungsanlagen gegen rein fossil befeuerte Brennwertkessel weiterhin vom Staat gefördert werden soll, widerspricht nicht nur den Wahlprogrammen von Union und SPD, sondern etabliert Technologien auf lange Zeit und ist klimapolitisch kontraproduktiv.“
Wie schon in ihrem Sondierungsergebnis vereinbart, wollen Union und SPD in Sonderausschreibungen je vier Gigawatt Onshore-Windenergie und Photovoltaik sowie einen Offshore-Windenergiebeitrag zubauen, je zur Hälfte wirksam 2019 und 2020. Als Voraussetzung wird im Vertrag die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze genannt. Eiliger hat es angesichts der Webfehler im aktuellen Ausschreibungsdesign der Bundesrat. Die Länderkammer forderte kürzlich schon 2018 zusätzliche Ausschreibungen für die Windkraft.
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE), erklärte mit Blick auf den Koalitionsvertrag, dass es „mindestens“ in den darauffolgenden Jahren mit Sonderausschreibungen so weitergehen müsse. „Zudem muss auch die Sonderausschreibung von 2.000 Megawatt in diesem Jahr umgesetzt werden“, verlangte Albers. Von Licht und Schatten im Koalitionsvertrag sprach Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). Er appellierte angesichts des Ziels zur Verringerung der CO2-Einsparlücke für 2020: „Um die erhoffte Wirksamkeit bereits im nächsten Jahr zu erreichen, ist eine Aufstockung des Solarpark-Auktionsvolumens noch in diesem Frühjahr erforderlich.“
Positive Reaktionen zur Bioenergie
Als ausdrücklich positiv werteten der Bundesverband Bioenergie, der Fachverband Biogas, der Fachverband Holzenergie und der Deutsche Bauernverband einzelne Ankündigungen im Koalitionsvertrag. So bekennen sich die potenziellen Regierungsparteien zur verstärkten Reststoffverwertung und einem erhöhten Einsatz von Blühpflanzen. Außerdem wollen Union und SPD die Treibhausgas-Minderungsquote (THG-Quote) zur Unterstützung von Biokraftstoffen weiterentwickeln. Das soll nicht nur für Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen, sondern auch für Biokraftstoffe aus Energiepflanzen gelten.
Als „keinen großen Wurf, sondern mutloses Mikromanagement“ bezeichnete Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), die Vereinbarungen bei der Energiepolitik. So gibt der Vertrag Kapferer zufolge keine Antwort auf die Frage, wie die Energieversorgung von morgen aussehen soll. Ähnlich sieht es Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft. Für Busch ist das Energiekapitel im Koalitionsvertrag in vielen Teilen Stückwerk, ein „energiewirtschaftlicher Überbau“ fehle. Als „herbe Enttäuschung“ bezeichnet Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wärmepumpe, das Ergebnis zwischen CDU/CSU und SPD. Sabel zufolge lässt der Koalitionsvertrag die erforderliche Ambition vermissen, „um die Energiewende im Heizungskeller wirklich und wirkungsvoll voranzubringen“. Die Vereinfachung und Entbürokratisierung des Energiesparrechts und die Fortführung der bestehenden Förderprogramme wertete er als positiv, diese träfen jedoch nicht den Kern des Problems. „Vor allem eine Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiebereich sowie eine Weiterentwicklung der Neubaustandards wären aus unserer Sicht notwendig gewesen“, so Sabel.
- Dieser Artikel wurde im Renews, dem Newsletter der Agentur für Erneuerbare Energien, veröffentlicht. -
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