Indirekte Landnutzungsänderungen (iLUC) und die Debatte um Biokraftstoffe: Ein Blick auf die Unsicherheiten
Biokraftstoffe als Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels im Verkehrssektor und wieso die iLUC-Hypthose viele Schwächen aufweist.
Gemäß dem IPCC spielen Biokraftstoffe wie Bioethanol und Biodiesel eine entscheidende Rolle für die Eindämmung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor. Selbst unter Berücksichtigung von Anbau, Verarbeitung und Transport liegen die Kohlenstoffemissionen unter denen fossiler Alternativen: Sie setzen nur so viel Kohlenstoff frei, wie zuvor während des Pflanzenwachstums absorbiert wurde.
Doch in den letzten Jahren wurde dies durch die iLUC-Hypothese zur indirekten Landnutzungsänderung (indirect Land Use Change) immer wieder in Frage gestellt. Die Hypothese besagt, ein zusätzlicher Anbau von Energiepflanzen für Biokraftstoffe verdränge Nahrungsmittelpflanzen auf derselben Fläche. Das so verknappte Angebot habe zur Folge, dass die Preise auf den Nahrungsmittelmärkten stiegen, was wiederum ein Anreiz für Produzenten in Übersee sei, Naturlandschaften in Ackerland umzuwandeln, um die nunmehr lukrativen Nahrungsmittel selbst anzubauen. Bei dieser Landnutzungsänderung wird im Boden gespeicherter Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt. Die iLUC-Theorie rechnet diesen Kohlenstoff den Biokraftstoffen als indirekte Emission an, was deren Treibhausgasbilanz insgesamt verschlechtert.
Allerdings ist die iLUC-Hypothese hochgradig umstritten. Selbst nach über einem Jahrzehnt Forschung fehlt es an belastbaren Erkenntnissen darüber, wie schädlich iLUC tatsächlich ist. Prof. Dr. Matthias Finkbeiner, Leiter des Fachgebiets für Sustainable Engineering - Institut für Technischen Umweltschutz – der TU Berlin, kennt die Schwierigkeiten bei der Ermittlung von iLUC. Die zugrunde gelegten komplexen Zusammenhänge über Kontinente hinweg seien nicht direkt messbar und Modelle zur Abschätzung von iLUC haben sich als wenig zuverlässig erwiesen. Denn es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die iLUC beeinflussen: von höheren Flächenerträgen beim Anbau der Energiepflanzen über eine Vielzahl von Einflussgrößen auf die Weltmarktpreise bis zu lokal unterschiedlichen Kohlenstoffemissionen aus den neu erschlossenen Anbauflächen. Das macht es so schwer, verlässliche Schätzungen zu erstellen.
„Es gibt ein grundsätzliches Problem mit dieser indirekten Wirkung, denn es handelt sich um die Vorhersage einer plausiblen Wirkungskette“, so Finkbeiner. „Aber es gibt - wie immer im Leben - mehrere. Ich glaube, dass es ganz grundsätzliche Grenzen gibt, in denen man diese indirekten Effekte überhaupt messen kann.“
Neben den systeminternen Unsicherheiten spielen bei der Klimabilanzierung die Systemgrenzen eine zentrale Rolle. So werden beispielsweise bei der Biodieselproduktion hierzulande die Pressrückstände des eingesetzten Rapses als Eiweißfutter in der Tierhaltung genutzt. Dies ersetzt importiertes Sojafutter. Bei der Weiterverarbeitung des gepressten Rapsöls fallen zudem große Mengen Glycerin an, welches u.a. für die Kosmetikindustrie unverzichtbar ist und früher aus fossilen Ressourcen gewonnen wurde. Abhängig davon, ob solche Neben- und Koppelprodukte eingerechnet werden, verändert sich der ökologische Fußabdruck erheblich.
Gerade weil wissenschaftliche Erkenntnisse zentral sind, ist es auch wichtig, mit den Unsicherheiten umzugehen, die sie produzieren. Statt zu debattieren, wie stark der iLUC-Effekt von Biokraftstoffen genau ist, wird daher zunehmend auf Möglichkeiten fokussiert, die Wahrscheinlichkeit von iLUC zu minimieren. Dies würde auch helfen, andere, bisher nicht berücksichtigte Agrarprodukte mit iLUC-Risiko zu verbessern.
Social Media