Energie-Kommune des Monats: Willich

April 2014

Willich am Niederrhein ist eine Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern. Sie kann als ein Beispiel für einen erfolgreichen Strukturwandel einer ehemaligen Kohle- und Stahlregion in Nordrhein-Westfalen stehen: Sinnbild für diese Entwicklung ist der Gewerbepark auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks Becker.

1908 wurde in Willich das Stahlwerk eröffnet und entwickelte sich zu einem prosperierenden Unternehmen. Nach dem Ersten Weltkrieg folgte dann jedoch der Niedergang und nach Ende des Zweiten Weltkriegs schließlich eine Umnutzung durch die britische Rheinarmee. 1993 verließen die letzten Einheiten der hier stationierten Royal Engineers Willich. Das Gelände wurde von der Stadt gekauft, überplant und wird Stück für Stück zu einem attraktiven Gewerbepark umgestaltet. „Ein zentrales Element des Gewerbeparks ist das Gründerzentrum an der Wasserachse, in dem auch das Geothermiezentrum Willich beheimatet ist“, stellt Willichs Bürgermeister Josef Heyes, fest. „Hier stehen die Türen für eine umfassende Beratung der Bürgerinnen und Bürger jederzeit offen, und eine Reihe von Unternehmen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz haben sich angesiedelt.“

Information an einem Ort

„Information ist eines der wichtigsten Instrumente, über die eine Kommune verfügt, um Menschen und Unternehmen vor Ort zu einem Umdenken beim Energieverbrauch und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bewegen“, betont Bürgermeister Heyes. „Menschen und Unternehmen benötigen Infos und Knowhow - und zusätzlich die richtige Anlaufstelle.“ Willich untersucht daher die eigenen Potenziale nicht nur, sondern kommuniziert sie auch auf Augenhöhe. So sollen die Potenziale durch privates Engagement gehoben werden. „Angefangen hat das Geothermiezentrum mit einer umfassenden Beratung und Ausstellung zur Nutzung der geothermischen Potenziale, die hier in Willich dank der geologischen Konstellation zur Verfügung stehen“, rekapituliert Bürgermeister Heyes. „Mittlerweile sind Beratungen zur Energieeffizienz und zur Nutzung von Solaranalagen oder zu gemeinsamen Wärmenetzen hinzugekommen. Auch die Verbraucherzentrale ist hier tätig.“

Der Rhein bringt Energie aus der Erde

Innerhalb der letzten knapp 2 Millionen Jahre lagerten sich entlang des mäandrierenden Rheins mächtige Flusssedimente ab. Sande und Kiese des Rheins bilden am Standort Willich die oberen ca. 30 bis 50 Meter der geologischen Ablagerungen. Dank dieser Ablagerungen entstand ein ergiebiger Grundwasserleiter. Das Grundwasser dient aber nicht nur als ein großes Trinkwasserreservoir, sondern auch als mächtiger Energiespeicher. In Willich sind die geothermischen Potenziale daher erheblich; sie liegen in vielen Teilen bei über 150 Kilowattstunden pro Meter im Jahr. Rechenbeispiele des Geothermiezentrums in Willich zeigen, dass ein örtliches Gewerbeunternehmen mit einer Nutzfläche von ungefähr 1.000 Quadratmetern dank einer Erdwärmepumpe die jährlichen Energiekosten um fast 6.000 Euro senken kann – eine Doppelhaushälfte mit 150 Quadratmetern immerhin um 800 Euro im Jahr.

Neben der allgemeinen Aufklärung zu den Potenzialen liegt ein Hauptaugenmerk des Geothermiezentrums im Gewerbepark auf der begleitenden Beratung bei der Förderung, Planung und Umsetzung von Geothermieprojekten. Durch umfassende Information wurden bisher mehr als 500 geothermische Wärmeprojekte in Willich erfolgreich umgesetzt. Diese reichen von Erdwärmepumpen für Einfamilienhäuser, vom Neubau bis zum Altbau, über größere Wärmelösungen für gewerbliche und kommunale Gebäude bis hin zu Wärmenetzen für ganze Quartiere.

Bürgerengagement

„In Willich gibt es großes bürgerschaftliches Engagement aber nicht nur im Bereich der Erdwärmepumpen, sondern auch bei der Photovoltaik“, schwärmt Bürgermeister Heyes. „Auf Initiative der kommunalen Grundstücksgesellschaft, der Stadtwerke und der Volksbank Mönchengladbach wurde die Energiegenossenschaft Bürger Solar Willich eG gegründet, die sich für den Bau von Photovoltaikanlagen in ganz Willich einsetzt.“ Die 22 Anlagen, meist auf kommunalen Dächern errichtet, haben im Jahr 2012 genug Gewinn erwirtschaftet, um sieben Prozent Dividende an die Mitglieder auszahlen zu können. Die Energiegenossenschaft hat sich auch dafür eingesetzt, dass ein Solarpotenzialkataster im Internet zur Verfügung gestellt wird, das alle Hausdächer Willichs in Blick auf ihre Eignung für Photovoltaikanlagen auflistet.  „Im Bereich der Mobilität gibt es zudem zivilgesellschaftliche Anstrengungen, etwa bei der Einführung von Bürgerbussen, die auf zwei Linien in Willich und Anrath verkehren“, erzählt Bürgermeister Heyes. „Außerdem setzt die Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken auf Elektromobile für den eigenen Fuhrpark. Hier wollen wir ein Vorbild für die Bürgerinnen und Bürger sein und zeigen, dass Elektromobilität bereits eine funktionierende Technologie für den Alltag ist.“

Kraftprotz Windenergie

Derzeit spielt bei der Erzeugung regenerativer Energien trotz der Bemühungen im Bereich von Solar und Geothermie die Windenergie die wichtigste Rolle in Willich. Auf den zwei Vorrangflächen für Windenergie drehen sich derzeit 4 Windräder und erzeugen deutlich mehr als die Hälfte des regenerativen Stroms in Willich. Für den weiteren Ausbau der Windenergie setzt Willich auf zwei unterschiedliche Maßnahmen. „Einerseits beteiligen sich unsere Stadtwerke über ein Stadtwerkekonsortium  an Windparks in ganz Deutschland“, erklärt Bürgermeister Heyes. „Andererseits möchten wir die guten Erfahrungen, die wir mit der Solargenossenschaft gesammelt haben, auch für den Ausbau der Windenergie nutzen und die Bürger an den Anlagen vor Ort beteiligen. Gerade für die Akzeptanz der Windräder ist dies aus unserer Sicht sehr wichtig.“

Klimaschutzsiedlungen

Gemeinsam mit der Energieagentur NRW des Landes Nordrhein-Westfalen engagiert sich Willich auch im Bereich der klimafreundlichen Quartiere. Mit dem Baugebiet Roeddersfeld nimmt Willich an der Aktion „100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen“ teil. In Roeddersfeld sollen 57 Wohneinheiten im Passivhausstandard und mit eigener regenerativer Energieversorgung entstehen. „Willich setzt auf die Zukunft, ohne die eigene Tradition zu vergessen“, erklärt der Bürgermeister. „Projekte wie der Gewerbepark Stahlwerk Becker oder die ehemalige Hannenbrauerei, in der nun die Stadtwerke ihre Geschäftsstelle haben, stehen genau wie die Klimaschutzsiedlung für die Stadt Willich.“