Energie-Kommune des Monats: Aachen

Februar 2013

Im Dreiländereck von Deutschland, Belgien und den Niederlande liegt Aachen, die Stadt Karls des Großen. Die 260.000 Einwohner können nicht nur auf einen weiten Blick zurück auf die welthistorische Bedeutung der Stadt richten – Aachen hat auch in jüngster Zeit Geschichte geschrieben. Vor 20 Jahren entstand hier der kommunale Vorläufer des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG): das sogenannte „Aachener Modell“. Für Marcel Philipp, dem Oberbürgermeister Aachens, war die erste Umsetzung einer festen Vergütung für Strom aus Erneuerbaren Energien ein wichtiger Schritt: „Die Energiewende in Deutschland wäre nicht so erfolgreich, gäbe es nicht die garantierte Vergütung“, so der Oberbürgermeister. „Das Aachener Modell hat zuvor gezeigt, dass ein solches Modell praxistauglich ist.“    Wegbereiter des EEG „Der Wunsch für eine Förderung der Erneuerbaren Energien wurde nicht von oben vorgegeben, sondern kam aus der Bevölkerung“, erinnert sich Klaus Meiners, der damals gerade im Fachbereich Umwelt bei der Stadt anfing. „In der ersten Zeit wurden wir belächelt. Dass mehr als  vier Prozent des Stromverbrauchs durch Erneuerbare bereitgestellt werden könnte, schien für viele utopisch“, so Meiners. 1993 gab es den ersten Ratsbeschluss der Stadt über ein Modell zur Vergütung von Solarstrom, welches dem heutigen EEG sehr ähnlich ist. Die Stadtwerke Aachen waren aufgrund der damals herrschenden Skepsis nicht gerade aufgeschlossen. „Da unsere Stadtwerke als Aktiengesellschaft organisiert sind, mussten wir für die Durchsetzung der politischen Vorgaben schon ein wenig tricksen“, erklärt Meiners die damalige Situation. „Aber mittlerweile sind die Stadtwerke vom Saulus zum Paulus geworden und unterstützt die Stadt nach Kräften.“ Städte wie Bonn, Freiburg und München folgten dem Vorbild Aachens bis 2000 durch das bundesweit geltende EEG die regionalen Vergütungen überflüssig wurden.

Das „Aachener Modell“ war zu Beginn ein reines Solarförderprogramm. Der Strompreis wurde erhöht. Das eingenommene Geld wurde verwandt, um den eingespeisten Solarstrom zu vergüten. Später folgte auch eine festgesetzte Vergütung für eingespeisten Windstrom. Diese sorgte 1997 zur Errichtung eines Windparks auf dem Aachener Stadtgebiet. Der Windpark mit seinen 9 Windkraftanlagen und einer Leistung von knapp 15 Megawatt bietet heute mit einer Aussichtsplattform auf einem der Windräder ein touristisches Ziel, an Hand dem Besucher die Energiewende hautnah erleben können. Die Vergütungssätze lagen damals bei 1 € / kWh für Solarstrom und bei 13 Cent / kWh für Windenergie. Die Projekte waren so erfolgreich, dass die Stadtwerke selbst zum Treiber beim Ausbau der Erneuerbaren geworden ist.

Stadtwerke und Bürger arbeiten zusammen
Die Stadtwerke setzen auf Sonne, Wind, Wasser und Biomasse. Ein besonders innovatives Konzept ist die Nutzung des Drucks in den Wasserleitungen der Stadt. Zwei Turbinen erzeugen Strom unter den Füßen der Bürger. Das Engagement der Bürger für die Energiewende sehen die Stadtwerke als Ansporn und Chance gleichermaßen. Das Potenzial der Bürgerbeteiligung zeigt sich anhand der  Klimasparbriefe, die in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Bank ausgegeben wurden. Über die Sparbriefe wurden in kurzer Zeit 10 Millionen Euro für den Bau von Wind- und Solarparks eingesammelt. Ein Klimasparbrief funktioniert indem Bürger zu einem gesicherten Zinssatz, im Aachener Fall waren es 3,5 Prozent, ihr Geld an eine ortsansässigen Bank geben und diese das Geld an den Betreiber der Projekte weitergibt. So trägt die Bank das Risiko für die Bürger. Neben Energiegenossenschaften sind die Sparbriefe die meist verbreitete Möglichkeit für Bürger, sich an Projekten dieser Art zu beteiligen. An den meisten Orten besteht eine große Nachfrage bei der Bevölkerung nach rentablen Geldanlagen für Umweltfreundliche Projekte vor Ort – so auch in Aachen.

Smart-Aachen
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien bedeutet insbesondere für die Verteilnetze ganz neue Herausforderungen. Die Stadtwerke  arbeiten gemeinsam mit der Technischen Hochschule in Aachen an einem sogenannten „Smart Grid“ – einem intelligenten Netz. Dabei sollen nicht nur die Netze intelligenter werden, sondern auch die Verbraucher flexibler auf die schwankenden Angebote aus Sonne und Wind reagieren können. „Wenn viel Wind oder Sonnenstrom ins Netz eingespeist werden, sinkt der Strompreis“, erklärt Corinna Bürgerhausen, Sprecherin der Stadtwerke. „Ein intelligenter Verbraucher, etwa eine Waschmaschine in einem Haushalt, sollte dann anspringen und den günstigen Strompreis nutzen.“ Die Flexibilität des Verbrauchs hat natürlich seine Grenzen. „Es macht natürlich auch keinen Sinn, wenn es bei einem Waschgang drei Stromtarife gibt“, so Corinna Bürgerhausen.

Bis Ende Januar 2013 wurden die ersten 250 Haushalte mit  intelligenten Zählersystemen ausgestattet welche Daten an den Netzbetreiber übermitteln über den Stromverbrauch und andersherum den Verbraucher informieren über das Stromangebot und den Preis. In den kommenden Monaten sollen die Haushalte mit intelligenten Haushaltsgeräten ausgestattet werden, welche nur anspringen wenn der Strompreis eine bestimmte Grenze unterschreitet. So ist es theoretisch möglich auch mit dem fluktuierenden Stromangebot von Wind und Sonne die Haushalte günstig mit Strom zu versorgen. Das zweite Projekt beinhaltet unter anderem die Installation von intelligenten Ortsnetzstationen zur Steuerung des Stroms. Damit werden nicht nur die einzelnen Haushalte, sondern ganze Stadtquartiere steuerbar. 

Die beiden Projekte in Aachen sind „Smart Watts“ und „Smart Area Aachen“, finanziert werden die Projekte zur Hälfte von dem Bundesministerium für Wirtschaft und zur Hälfte aus eigener Tasche der beteiligten Forschungseinrichtungen und der Stadtwerke. Langfristig ist es das Ziel ein intelligentes Stromnetz für Aachen aufzubauen und auch auf diesem Feld dem Rest Deutschlands einen Schritt voraus sein.

Es weht in die richtige Richtung
Nachdem Aachen sich sehr auf den Solarbereich spezialisiert hatte durch den jährlichen Solartag, eine Solarsiedlung, ein Solarkataster und vielen Projekten auf öffentlichen Gebäuden wird sich in Zukunft auch etwas im Bereich Wind und Wasser tun. Im Stadtgebiet selbst ist es naturgemäß schwierig mit Windrädern, der Städteverbund rund um die Stadt Aachen bietet jedoch viele Möglichkeiten. In kaum einer anderen Region würde es sich mehr anbieten in Deutschland länderübergreifende Projekte zu machen und trotzdem gibt es keine gemeinsamen Windparks und keine gemeinsamen Gedanken über den Ausbau des Stromnetzes. Woran liegt es? Ganz einfach an dem Vorteil den Aachen gegenüber den Nachbarregionen in Belgien und Niederlande hat - das EEG. Das EEG hilft Gemeinden und Städten auf dem Weg zu einer umweltfreundlichen Energieversorgung. „Für Stadtwerke die sich bereits auf den Weg der Energiewende gemacht haben, wäre es kontraproduktiv, das EEG abzuschaffen“, so Eva Wußing  von den Stadtwerken Aachen. Zwei Windparks sollen in den kommenden Jahren direkt in der Städteregion Aachen  entstehen. Die Stadtwerke planen bis 2020 mindestens 60% ihres Stroms aus Erneuerbaren Quellen zu kriegen.

Für Aachens Oberbürgermeister Philipp ist klar: „Nach 20 erfolgreichen Jahren, darf man sich nicht auf den bisherigen Erfolg ausruhen, sondern muss die immer noch schwierige Aufgabe der Energiewende zu Ende bringen. Die Stadt Aachen wird ihren Teil dazu beitragen.“